Als Holger Badstuber den VfB Stuttgart im Sommer nicht wie erwartet verließ, sondern den Vertrag um drei Jahre verlängerte, war das ein unerwarteter Coup. Der 29-Jährige hatte eine bärenstarke Rückrunde hinter sich. Doch die Erinnerung daran verblasst mit jedem Spiel.

Stuttgart - Seinem eigenen Anspruch wird Holger Badstuber seit Monaten nicht mehr gerecht. Der 31-malige Nationalspieler sieht sich als Führungsspieler, ist seinem Selbstverständnis nach Abwehrchef beim VfB Stuttgart und sollte deswegen stellvertretend stehen für die grundsolide Defensivarbeit des Fußball-Bundesligisten. All das war auch in der starken Rückrunde der vergangenen Saison der Fall. Seit Badstuber den Club aber nicht wie erhofft zu einem Teilnehmer der Champions League verlassen, sondern seinen Vertrag im Sommer unerwartet um drei Jahre verlängert hat, ist er fast alles schuldig geblieben - und der schlechteste Innenverteidiger im Kader.

 

Nach zehn Spieltagen in der Saison 2018/2019 ist Stuttgart Tabellenletzter - und auch Badstuber schneidet in den persönlichen Statistiken miserabel ab. „Es gibt bei uns keinen Spieler, der sinnbildlich steht für irgendeine Schwäche“, betont Trainer Markus Weinzierl vor dem wichtigen Duell mit dem 1. FC Nürnberg am Samstag (15.30 Uhr) zwar und ergänzt: „Wir sind eine Mannschaft und haben gemeinsam diese Spiele verloren. Und nicht nur ein Spieler war nicht in der Form, die er normal bringen kann. Da bin ich ganz weit weg einen Spieler irgendwo herauszustellen.“

Badstuber ist schwächer als der Durchschnitt

Die Fakten ignorieren, die der „kicker“ am Donnerstag sogar extra aufgelistet hat, können aber weder Weinzierl noch Badstuber. Nur sechs als Innenverteidiger spielende Profis in der Bundesliga laufen noch weniger als Badstuber mit seinen im Schnitt 9,7 Kilometern pro Partie. Nur vier Kollegen haben eine noch schlechtere Zweikampfquote als jene 46,4 Prozent gewonnener Duelle von Badstuber. Und auch in Sachen Sprints und Höchstgeschwindigkeit dabei ist der 29-Jährige derzeit schwächer als der Durchschnitt.

Auf dem Platz sieht das dann so aus wie zum Saisonstart, als krasse Fehler Badstubers zu Pleiten in Mainz und beim DFB-Pokal-Gegner Rostock führten. Auch seit er nach fünf Spielen Pause wieder in der Startelf steht, hat sich kaum etwas verbessert. Gegen Eintracht Frankfurt stellten lange Bälle die VfB-Defensive ein ums andere Mal vor unlösbare Probleme. Badstuber war nicht alleinverantwortlich für die Gegentore. Doch Kopfballsituationen, die gar nicht erst zu einem Duell werden, weil Badstuber durch schlechtes Stellungsspiel überhaupt nicht in den Zweikampf kommt und dem Gegner den Ball mehr oder weniger kampflos überlässt, gab es in dieser auffälligen Häufigkeit bis zu dieser Saison quasi nie.

Unverständnis über Badstubers Umgang mit Mitspielern

Und so verwundert es nicht, dass aus dem großen Respekt für seine sechs deutschen Meisterschaften, die vier Pokalsiege und den Champions-League-Triumph mit dem FC Bayern München - die meisten als unumstrittener Stammspieler - innerhalb der Mannschaft inzwischen Unverständnis über Art und Umgang des Memmingers geworden sein soll. Denn trotz seiner offensichtlichen Schwächen scheut sich Badstuber noch immer nicht, Mitspieler in aller Deutlichkeit zu kritisieren.

Verbal schützt Weinzierl den Kumpel von Bastian Schweinsteiger, der wegen seiner vielen Verletzungen und dem unermüdlichen Arbeiten für die Comebacks bundesweit Sympathien hatte und als Vorbild in Sachen Ehrgeiz und Disziplin galt. Doch in der Abwehr steht am Samstag nach langer Verletzungspause neben Timo Baumgartl und Weltmeister Benjamin Pavard möglicherweise erstmals Neuzugang Marc Oliver Kempf. Und nicht Badstuber. Eine Überraschung wäre es nicht. Nur konsequent.