Viele Personalsorgen plagen den VfB: Von 24 Feldspielern sind 13 verletzt oder angeschlagen. „Das ist eine Sondersituation“, sagt Fredi Bobic.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Dem kantigen Bayern Georg Niedermeier, von Kollegen „der Niederstrecker“ genannt, kommt beim VfB dieser Tage eine neue Rolle zu. Schließlich weist der Stuttgarter Verein für Bewegungsspiele im aktuellen Kader neun Abwehrspieler aus – und Niedermeier ist im Kreise dieser Defensivspezialisten der einzige, den es an seinem Körper gerade nirgendwo zwickt. „Ich habe dem Georg gestern Morgen die Hand geschüttelt“, erzählt der VfB-Teamarzt Raymond Best, „und er hat mir gesagt: ,Ich fühle mich gut.‘“

 

Das dürfte Doktor Best gerne gehört haben, denn Niedermeiers Mitstreiter im Defensivbereich machen dem Spezialisten für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin wesentlich mehr Arbeit. Als der Trainer Bruno Labbadia gestern um 15 Uhr nach den Länderspielreisen auch die meisten Nationalspieler (Shinji Okazaki und Martin Harnik werden heute erwartet) um sich scharen konnte, waren zwar auch einige andere Abwehrstrategen mit von der Partie – schmerzfrei war drei Tage vor dem Gastspiel in Bremen aber kaum einer.

So plagten Serdar Tasci (Bauchmuskel), Khalid Boulahrouz (Adduktoren), Cristian Molinaro (Knie) und Stefano Celozzi (leichte Adduktorenprobleme) Verletzungen, während sich Arthur Boka sowie Patrick Funk nach Innenbandrissen im Knie erst im Aufbautraining befinden und Philipp Degen (Adduktoren) wie auch Ermin Bikacic (Muskelfaserriss) fehlten. „Wir erleben mit den vielen Verletzten eine nicht alltägliche Sondersituation“, sagt der VfB-Manager Fredi Bobic, „solche Negativserien kommen immer mal vor. Man muss sich der Situation stellen, darf sich nicht unterwerfen. Das tun unsere Spieler auch.“

Teamarzt: Wir haben gigantisches Pech gehabt

Tatsächlich schleppen viele ihre Blessuren ohne die eigentlich nötige Auszeit seit Wochen mit. „Wir stecken im Abstiegskampf. Da willst du nicht pausieren, sondern helfen“, sagt Serdar Tasci, der sich gegen seine schmerzhafte Bauchmuskelzerrung („Diese Muskeln spürst du bei fast jeder Bewegung“), die er sich im Training vor dem Nürnberg-Spiel am 12. Februar zugezogen hat, seit Wochen vor den Spielen eine Spritze geben lässt.

Mögliche Kritik am VfB-Ärztestab lässt Raymond Best nicht gelten: „Wir haben gigantisches Pech gehabt“, sagt der Teamarzt und nennt Zahlen aus der Fachliteratur: Danach kommt es in 1000 Trainingsstunden – was bei einem 25-köpfigen Kader wie dem des VfB vier Trainingswochen entspricht – statistisch gesehen zu drei bis fünf Verletzungen. „Da liegen wir weit drüber“, sagt Best, dessen sportive Patienten auch im Wettkampf nicht ungeschoren davonkommen: So musste der VfB laut Best bisher überproportional viele sogenannte Kontaktverletzungen (etwa nach Fouls) einstecken, die im Normalfall bei rund 30 Prozent liegen.

Angesichts der anhaltenden Misere bekommt sogar eine Rote Karte einen positiven Nebeneffekt. Denn der Kapitän Matthieu Delpierre, der seit Saisonbeginn mit Knie- und Fußbeschwerden zu kämpfen hat, erhielt so die Möglichkeit, sich wenigstens ein bisschen auszukurieren. „Normalerweise müssten wir einige Spieler ja komplett rausnehmen“, sagt Fredi Bobic – und denkt dabei auch an den Stürmer Cacau, der seit Monaten an einer sogenannten weichen Leiste laboriert. Eine Operation scheint unumgänglich. Da sich die Verletzung aber nicht mehr verschlechtern kann, soll Cacau bis Saisonende auf die Zähne beißen und spielen, wann immer es geht. „Für Bremen sieht es gar nicht schlecht aus“, sagt der Teamarzt Best. Fraglich ist allerdings der Einsatz von Tamás Hajnal, der bereits gegen Wolfsburg mit Oberschenkelproblemen ausfiel. Doch anstatt in Stuttgart bleiben zu können, musste Hajnal zur ungarischen Nationalelf reisen, die das Recht auf eine Abstellung hat. Gebracht hat das keinem etwas. Denn der Mittelfeldmann reiste nach der ersten Partie der Ungarn gegen die Niederlande, in der er nicht spielte, wieder ab.

Zurück in Stuttgart traf Hajnal dann auch wieder auf Timo Gebhart, der beim VfB so etwas wie das Maskottchen im Club der Angeschlagenen ist. Denn der Memminger hat wegen einer hartnäckigen Verstauchung des Handgelenks den rechten Arm bandagiert und spielt nach seinem zweiten mehrfachen Bänderriss am rechten Sprunggelenk mit einem Spezialschuh mit integrierter Stützmanschette. Im Dienstagstraining bekam Gebhart aber einen Schlag auf den geschundenen Knöchel – und humpelte gestützt von einem Physiotherapeuten von dannen.