Der VfB Stuttgart wird seiner Rolle als Aufstiegskandidat immer mehr gerecht: Die Spieler harmonieren besser, und sie werden individuell stärker. Die Mannschaft steht in der zweiten Liga auf Platz zwei – und will einen erneuten Rückschlag gegen Bielefeld am Sonntag unbedingt vermeiden.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Aus dem Dunkeln ans Licht – total abgeschrieben, eine kostspielige Kartei-Leiche mit Vertrag bis 2019, das schien Marcin Kaminskis Schicksal in Stuttgart zu sein. Dann beförderte Hannes Wolf den 1,92-Meter-Mann, den vermeintlichen Transfer-Flop mit immerhin 158 Einsätzen für Lech Posen, aus der Versenkung geradewegs hinein in die Startelf. „Die Türen stehen offen. Er hat gut trainiert. Davor wollten wir die Augen nicht verschließen“, erklärte der Cheftrainer hinsichtlich des Polen, der beim 3:1-Derbysieg in Karlsruhe zwar keinen überragenden Eindruck hinterließ, aber doch ein starkes Debüt im VfB-Dress gab.

 

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Dies darf ruhig als eines von diversen Zeichen des Fortschritts interpretiert werden – der Kader gibt also immer mehr Alternativen frei. Als Sechser begann Kaminski, spielte in Hälfte zwei ebenso routiniert wie fehlerlos in der Innenverteidigung weiter und zeigte dabei, dass es im Stuttgarter Ensemble neben dem jungen Benjamin Pavard noch eine weitere Alternative zum ewigen Sorgenkind, dem „Schleicher“ („Bild“-Zeitung), Toni Sunjic gibt.

Schön auch, dass dies nicht der einzige Glücksmoment war, den Hannes Wolf im Karlsruher Wildpark erlebte. Da war ja auch noch der kleine Japaner Takuma Asano, der, frisch mit dem ehemaligen Dolmetscher des BVB-Profis Shinji Kagawa ausgestattet, gleich sein erstes Pflichtspieltor für den VfB erzielte. „Ich bin sehr glücklich“, ließ Asano immerhin wissen.

Zimmermann tritt immer selbstbewusster in Erscheinung

„Er hat nicht nur durch seinen Treffer das Spiel verändert“, deutete Wolf ein weiteres positives Signal, das der Schützen des 2:0 aussendete, den die Fans als Simon „TORodde!“ am liebsten haben. Weil der Ex-Bochumer Terodde (vier Tore in acht Einsätzen), in der Vorsaison noch Torschützenkönig in Liga zwei, gleich mit seiner ersten Aktion traf, und obendrein mit Alexandru Maxim noch ein weiterer Torschütze von der Bank kam, hatte Hannes Wolf in Sachen Personalrochaden alles richtig gemacht.

Begünstigt wird das neue Hochgefühl rund um den VfB allerdings auch durch die Tatsache, dass der oberste Dirigent inzwischen fast über das volle Orchester verfügt. Die erste Elf stellt sich also – siehe den Nachrücker Kaminski – nicht mehr von alleine auf. Lediglich Hajime Hosogai (Bruch des kleinen Zehs) und Tobias Werner (Schambein-Verletzung) werden beim Heimspiel am Sonntag gegen den Vorletzten Arminia Bielefeld fehlen. Daniel Ginczek tankt derweil im Training täglich zusätzliche Kraft – und dürfte schon jetzt ein Kandidat für mindestens die letzten zwanzig Spielminuten sein. Spieler wie Matthias Zimmermann zeigen überdies, dass auch die individuelle Entwicklung der Spieler beim VfB in die richtige Richtung läuft. So machte der Ex-Karlsruher gegen den alten Club an der Seite des Teamleaders und Kapitäns Christian Gentner ein starkes Spiel. Zimmermann tritt immer selbstbewusster in Erscheinung – und steht damit exemplarisch dafür, dass im VfB-Spiel die Rädchen immer besser ineinander greifen. „Wir sollten uns grundsätzlich nicht über die Qualität der Einzelnen definieren, sondern über die gemeinsame Arbeit und Einsatzbereitschaft auf dem Platz“, sagt Wolf.

„Wir stehen noch am Anfang eines Lernprozesses“

„Es ist gut, dass wir jetzt auch erfolgreich das Team umstellen können, denn die Spieler aus der zweiten Reihe machen Druck“, sagt der Manager Jan Schindelmeiser, „jetzt müssen aber alle dran bleiben“. Obwohl sich die Spieler gegenseitig pushen, da Konkurrenz gerade unter Fußballprofis das Geschäft belebt, scheint der Teamgeist nicht zu leiden. „Derbysieger!, Derbysieger!“, das sangen die Spieler in Karlsruhe nach Schlusspfiff in der Kabine; und das selbst ernannte Motivationsmonster Kevin Großkreutz, der sich diesmal tatsächlich den Titel des „aggressive Leaders“ verdiente, als er den besten Karlsruher, Moritz Stoppelkamp, einmal zur rechten Zeit weggrätschte, der stellte schöne Bilder ins Internet, die die jubelnden VfB-Spieler Arm in Arm zeigen.

Zehn Punkte hat man gemeinsam aus den vergangenen fünf Partien unter Wolf geholt. Durch die Patzer der Konkurrenten Braunschweig, Berlin und Heidenheim ist Rang zwei erreicht. Der VfB nimmt im Hinblick auf das alles überstrahlende Saisonziel, die direkte Rückkehr in die Bundesliga, also Fahrt auf. Schritt für Schritt geht es in die richtige Richtung, auch wenn Wolf warnt: „Wir stehen noch am Anfang eines Lernprozesses.“ Jan Schindelmeiser erklärt: „Ich sehe weiter 50 Punkte, die sich rund ums Team verbessern lassen.“

Zuletzt folgte auf jeden Erfolg ein Rückschlag

Dennoch: wie an den Spieltagen eins und sechs steht der Club nach rund einem Drittel der Saison wieder auf einem direkten Aufstiegsplatz. Zudem erscheint die nächste Aufgabe gegen Bielefeld lösbar, während sich zeitgleich die Konkurrenten Braunschweig und Hannover im Niedersachsen-Duell gegenseitig die Punkte wegnehmen werden.

„Unser gewonnenes Derby stellt noch keinen Automatismus dar, dass es jetzt in diesem Stil weiter geht“, sagt Wolf, „wichtig ist, dass wir uns oben festbeißen – und in Schlagdistanz bleiben.“ Dazu müssen die Rückschläge der Vergangenheit, die regelmäßigen Dellen mit den Niederlagen in Düsseldorf (0:1), gegen Heidenheim (1:2) sowie das gerade mal 17 Tage zurück liegende, peinliche 0:5 bei Dynamo Dresden, diesmal ausbleiben. Christian Gentner weiß daher: „Das wesentlich wichtigere Spiel kommt jetzt gegen Arminia Bielefeld.“