Die Elf von Trainer Tayfun Korkut ist künftig häufiger als Spielgestalter gefragt, weil einige Gegner defensiver stehen werden. Im Pokal in Rostock zeigte sich aber, dass aller Anfang schwer ist.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Das grün-weiße Blatt Papier mit der Überschrift „DFB-Pokal 2018/19“ lieferte Tayfun Korkut Erkenntnisse von zuvor selten erlebter Natur. „Jetzt hatten wir mal eine Statistik, in der wir in allen Kategorien überlegen waren – Torabschlüsse, Ballbesitz, Flanken. Das gab es letzte Saison ja nicht so oft“, sagte der VfB-Chetrainer nach dem Blick auf die Spieldaten der Partie in Rostock. Mit 72 Prozent Ballbesitz, 26:4 Torschüssen, 11:1 Ecken, 29:6 Flanken und einer Quote von 88 Prozent angekommener Pässe stimmt die Statistik. Dumm nur, dass es in der Torbilanz unterm Strich 0:2 hieß.

 

Der VfB ist mit seinem jähen Pokal-Aus beim Drittligisten Hansa Rostock also in eine verkehrte Welt eingetaucht. Schließlich waren die Meister der Effektivität in Deutschlands höchster Spielklasse in der Vorsaison ja in Stuttgart zu finden. 51 Punkte hat der VfB letzte Runde mit nur 36 geschossenen Toren geholt: Sechsmal ging die Korkut-Elf mit einem 1:0-Sieg vom Platz, weil das simple Prinzip des Hannes-Wolf-Nachfolgers in der abgelaufenen Rückrunde fast optimal griff. Tief stehen, vorne in gnadenloser Kaltschnäuzigkeit ein Tor erzielen, dann hinten im Fünferriegel effektiv verteidigen. Dies war die Taktik, in der es die Stuttgarter nahe an die Perfektion brachten.

Das Fußballerlebnis blieb häufiger auf der Strecke

Allerdings hatte die Sache einen Beigeschmack, denn bei aller Ergebniskultur blieb das Fußballerlebnis bei den Spielen der Brustringkicker allzu häufig auf der Strecke. Das soll jetzt anders werden, auch wenn der Kapitän Christian Gentner sagt: „Es wäre fatal, wenn wir von unserer Spielweise abrücken würden.“ Ein sperriger, unbequemer, laufbereiter Gegner will der VfB seinen Rivalen in der Defensive also weiterhin sein. Auch mit deutlich aggressiver ausgerichteten Offensiv-Strategien wie dem einstigen Dortmunder Gegenpressing zu Zeiten des Jürgen Klopp oder dem beim VfB böse gescheiterten „Balljagen“ der Ära Alexander Zorniger hat der eher konservativ denkende Korkut wenig am Hut.

Allerdings: Ein wenig mehr Eigeninitiative, mehr Spielkontrolle, die wird vom VfB künftig schon erwartet. Man ist nicht mehr der Aufsteiger, sondern steigt als Tabellen-Siebter der Vorsaison in den Bundesliga-Ring. Erst kommen die Bayern, dann die internationalen Kräfte wie Dortmund, Schalke, Leipzig, Leverkusen und Hoffenheim – doch zum Club der Ambitionierten auf den Folgeplätzen zählt auch der VfB.

„Wir müssen im Ballbesitz aufmerksamer sein. Diese Saison werden wir wohl häufiger den Ball haben“, sagt Tayfun Korkut, der seinerseits die Zeichen der Zeit erkannt hat. Viele Gegner dürften dem VfB künftig also ein wenig defensiver begegnen als noch in der Vorsaison. Mehr konstruktive Tatkraft, mehr eigene Spielgestaltung wird von Korkuts Elf wohl bereits in den ersten beiden Liga-Auswärtsspielen in Mainz sowie in Freiburg abverlangt. Eine Anforderung, die der mit sieben Neuzugängen verstärkte Kader auch erfüllen kann, denn beim VfB gibt es etwa in dem Kapitän Christian Gentner, in Gonzalo Castro, Dennis Aogo, Holger Badstuber oder Daniel Didavi genügend erfahrene Recken, die wissen, wie man ein eigenes Spiel aufzieht.

Effektiv war diesmal nur der FC Hansa

Ein Beispiel dafür allerdings, wie es nicht geht, lieferte die neu formierte Stuttgarter Mannschaft in der Pokalpartie in Rostock. „Das Ballbesitzspiel gibt dir immer die Möglichkeit, dem Gegner wehzutun“, sagt Tayfun Korkut: „Aber dann muss die Absicherung nach hinten stimmen.“ Und das tat sie an der Ostsee häufig nicht. So verlor Holger Badstuber vor Hansas 1:0 zwar den Zweikampf, war aber auch auf sich allein gestellt. „Wir machen in 80 Minuten nur einen einzigen Fehler – und liegen hinten“, klagte Mario Gomez, denn gnadenlos effektiv waren diesmal nur die anderen.

Der VfB hingegen tut sich mit dem Gestalten noch schwer. „Wir haben zu Beginn nur quer und zurück gespielt“, mahnte Mario Gomez. Was auch daran lag, dass Gomez, Erik Thommy sowie Nicolas Gonzalez nicht als Anspielstationen glänzten. Überdies hat der Regisseur Daniel Didavi seine Rolle noch nicht gefunden. Auf dem Flügel kommt der Wolfsburg-Rückkehrer nicht recht zur Geltung. Dann rückte Didavi ins Zentrum, fand aber auch dort keine Bindung zum Spiel.