Immer mehr Bundesligisten setzen in der Defensive auf eine Dreierkette. Auch der VfB Stuttgart ist Teil des Trends. Das denken DFB-Chefausbilder Frank Wormuth und VfB-Trainer Hannes Wolf darüber.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Keine Frage: Die Welt ist unübersichtlicher geworden in den vergangenen Jahren. Für die Welt des Fußballs gilt das ebenso. Nehmen wir das Taktische. Früher, da hatten alle Teams in der Bundesliga einen Libero und zwei Manndecker. Später schickten alle Trainer eine Viererkette aufs Feld. Und heute? Die einen spielen so, die anderen so, viele spielen Dreierkette – und folgen einem Trend.

 

Neu ist das Phänomen nicht. Zum einen erinnert die taktische Variante an die früheren Libero-Zeiten. Zum anderen wurde sie schon vor Jahren auf der ganz großen Bühne vorgestellt. „Für die Öffentlichkeit ist die Dreierkette seit der WM 2014 in den Fokus gerückt“, sagt Frank Wormuth, der Chefausbilder des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), „vor allem durch die mittelamerikanischen Teams aus Chile, Mexiko und Costa Rica.“ Auf die richtete auch Bundestrainer Joachim Löw seinen Blick – und ist seitdem fleißig mit dem Ausbau seiner taktischen Möglichkeiten beschäftigt. Bestes Beispiel: der Confed-Cup in Russland.

Nach vorne verteidigen ohne Sorgen

Fünf Spiele absolvierte Löws Team dort bis zum Turniersieg – fünfmal agierte die deutsche Abwehr als Dreierformation. Schon bei der EM 2016 hatte Löw im Viertelfinale gegen Italien (mit dem Abwehrtrio Bonucci, Barzagli, Chiellini) auf diese Variante gesetzt. Nun eifert ihm die Bundesliga nach. Am vergangenen dritten Spieltag der laufenden Saison spielten gleich acht Clubs dieses System. Einer davon: der VfB Stuttgart.

Der Trainer Hannes Wolf hatte schon im Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 umgestellt, Holger Badstuber, Timo Baumgartl und Marcin Kaminski waren die drei Auserwählten in der „letzten Reihe“. Statt Badstuber gehörte auf Schalke Benjamin Pavard zum Trio, das die Vorzüge des Systems zum Tragen bringen sollte. „Der große Vorteil ist: Man kann konsequenter nach vorne verteidigen“, sagt Wolf, „attackiert ein Innenverteidiger aggressiv nach vorne, sind noch genügend Spieler dahinter.“

Genügend Absicherung

So ähnlich sieht das auch Frank Wormuth: „Für die Innenverteidiger ist die Dreierkette etwas einfacher, sie können einem Gegenspieler auch mal bis ins Mittelfeld folgen, ohne Angst haben zu müssen, dass sich hinter ihnen eine Lücke auftut.“ Die Erklärung: Bei Ballbesitz des Gegners wird aus der Dreier- meist eine Fünferkette, rückt ein Abwehrspieler aus dieser heraus, bleibt immer noch ein Quartett zur Absicherung. So ist das auch, wenn ein Außenverteidiger früh attackiert. Zudem gerät eine Abwehr nicht in Unterzahl, wenn sie sich vier offensiven Mittelfeldspielern plus Stürmer gegenübersieht.

Für die Trainer ergibt sich aber ein weiterer Vorteil: „Stellt ein Gegner von einer Spitze auf zwei Stürmer um, kann ein Trainer darauf reagieren, ohne eine Umstellung vornehmen zu müssen“, sagt Wormuth und erinnert sich an Pep Guardiola. Der Spanier kam einst vom FC Barcelona zum FC Bayern und führte dort den permanenten Systemwechsel innerhalb einer Partie ein.

Immer wieder neue Antworten

Größtmögliche taktische Flexibilität verlangt auch Hannes Wolf von seinen Profis. Wie alle anderen Trainer muss auch der Chefcoach vom Wasen auf die drei wichtigsten Fragen immer wieder die eine richtige Antwort für das jeweilige Spiel finden. Wie will ich spielen? Was kann ich mit meinen Spielern spielen? Was ist die Spielidee des Gegners? Nach Wolfs Auffassung kann die Antwort nicht per se für jede Partie die gleiche sein. Nur gut also, dass die Unterschiede zwischen Dreier- und Viererkette gar nicht so gravierend sind, zumindest nicht für die beteiligten Innenverteidiger.

„Das Basisverhalten des Abwehrspielers bleibt dasselbe“, sagt Wolf. Weil in einer Dreierkette meist drei gelernte Innenverteidiger auf dem Platz stehen, sind neben Zweikampf- und Kopfballstärke sowie Schnelligkeit und gutem Stellungsspiel vor allem auch deren Qualitäten im Spielaufbau gefragt. „Drei Spieler wie Jérôme Boateng – das wäre nahe an der Idealvorstellung, da er ein gutes Gesamtpaket verkörpert“, sagt Wormuth. Der VfB verfügt in Badstuber, Baumgartl und Pavard über drei spielstarke Innenverteidiger – und hat in Dennis Aogo und Andreas Beck zwei Außenverteidiger verpflichtet, denen in der Rolle als Außenbahnspieler vor allem körperlich einiges abverlangt wird.

Das System hat auch Nachteile

„Wenn eine Mannschaft in die Situation der Fünferkette kommt, fehlen direkt im Anschluss vorne die Spieler für das Pressing“, erklärt Wormuth, „kompensieren kann man das nur mit zwei extrem laufstarken Außenbahnspielern.“ Zudem fehlt bei drei Innenverteidigern im Aufbauspiel eine Anspielstation im Mittelfeld – was auch zeigt: Die Dreierkette ist eine taktische Variante, keine Neuerung, die sich zum ausschließlichen System entwickeln wird. „Der Trend ist da“, sagt Wormuth, „die Viererkette geht aber nicht verloren.“

Auch Hannes Wolf wird beim VfB Stuttgart wieder darauf zurückgreifen. Womöglich schon am Samstag (15.30 Uhr) im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg.

VfB Stuttgart - 1. Bundesliga

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