Am Sonntag wurden sie angekündigt, am Montag vorgestellt – und am Dienstag ist trotz allem nicht alles gut rund um den VfB Stuttgart. Denn: Die Verpflichtungen von Sami Khedira und Philipp Lahm als sportliche Berater des AG-Vorstandes sowie von Christian Gentner als künftigem Leiter der Lizenzspielerabteilung wurden zwar von zahlreichen Anhängern des Fußball-Bundesligisten honoriert. Mindestens ebensoviele beschleichen seitdem aber Zweifel, ob diese Personalien nicht ein anderes Ansinnen konterkarieren: die angepeilte Vertragsverlängerung mit dem Sportdirektor Sven Mislintat.
Die Aufregung ist groß, werden die jüngsten Schritte des Vorstandsvorsitzenden Alexander Wehrle doch auch dahingehend interpretiert, dass er vor den anstehenden Verhandlungen mit dem Kaderplaner Hürden aufbaut, die auf dem Weg zu einer Einigung über die Zusammenarbeit über den Sommer des kommenden Jahres hinaus kaum zu überwinden sein werden.
Der neue Weg des VfB begann 2019
Darauf kann man durchaus kommen, schließlich blieb von den vergangenen beiden Tagen mit Mitgliederversammlung und prominent besetzter Pressekonferenz auch hängen, dass Sven Mislintat wohl eher kurzfristig von einer Erweiterung seines Tätigkeitsbereiches ab dem 1. Januar 2023 durch Christian Gentner erfahren hat. Und mancher Fan befürchtet, beim VfB schmücke man sich fortan wieder gerne mit großen Namen – ganz egal, ob das zum vor rund drei Jahren eingeschlagenen Weg passt oder nicht.
Wer sich umhört an der Mercedesstraße 109 in Stuttgart-Bad Cannstatt, den erreichen allerdings andere Signale als jene einer angestrebten Demission des Sportdirektors. Nämlich jene, dass es nach wie vor auch in der Führungsetage kein anderes Ansinnen gibt, als den Kontrakt mit Sven Mislintat zu verlängern. Argumente hat der Kaderplaner schließlich einige gesammelt seit seinem Amtsantritt im Mai 2019.
Jahr für Jahr wurde in den Transferperioden ein Überschuss erwirtschaftet, der großen Anteil hat an der im Vergleich zu anderen Vereinen recht gesunden wirtschaftlichen Lage der VfB AG. Der Traditionsclub steht wieder für Kontinuität in sportlichen Führungspositionen und eine nachvollziehbare Philosophie. Am einheitlichen Bild, das der VfB in Summe wieder abgibt, hat auch Mislintat seinen Anteil – und mancher seiner Transfers kann im Nachhinein als echtes Schnäppchen gewertet werden.
Zwei Berater, ein Neuer im Hauptamt
Weil der VfB sportlich aber noch auf der Rasierklinge reitet, zuletzt zahlreiche von Mislintat geholte Spieler ausgeliehen oder verkauft werden mussten, um den Kader klein zu bekommen, und sein öffentliches Auftreten nicht von allen im Club goutiert wird, ist der Sportdirektor nicht gänzlich unumstritten im roten Haus. Generell bleibt es aber bei der Grundhaltung, dass er dem VfB noch möglichst lange erhalten bleiben soll. „Wir haben ein funktionierendes Sportteam“, betonte Claus Vogt, der Präsident und AG-Aufsichtsratschef, am Montag, „dieses Konstrukt wollen wir nicht stören.“ Und Alexander Wehrle meinte: „Kontinuität und Kompetenz von Persönlichkeiten spielen eine große Rolle für den Erfolg.“
Als Votum für den Weg mit Sven Mislintat und dessen Team – Markus Rüdt, der Direktor Sportorganisation, ist sein wichtigster Vertrauter, auch Nachwuchschef Thomas Krücken zählt dazu – wird im engeren VfB-Zirkel die Tatsache gewertet, dass der AG-Vorstand nach dem Ausscheiden von Thomas Hitzlsperger nicht um einen externen Sportvorstand erweitert wurde. Alexander Wehrle hat das Amt zusätzlich inne, lässt sich nun lediglich beraten von Sami Khedira und Philipp Lahm. Die Idee des ehemaligen Geschäftsführers des 1. FC Köln war es jedoch, den hauptamtlichen Sportbereich um eine Person zu erweitern, die nahe an der Mannschaft fungiert und das bisher fehlende Element des Ex-Bundesligaprofis mit einbringt. Wird sich an dieser Position und Person (Christian Gentner) nun die Zukunft von Mislintat beim VfB Stuttgart entscheiden?
Der Poker hat bereits begonnen
Wohl eher nein. Allerdings muss im Rahmen der anstehenden „intensiven Gespräche“ (Wehrle) nun auch noch geklärt werden, wie das Aufgabenprofil für den ehemaligen VfB-Spielführer genau aussehen soll. Klar ist: Christian Gentner wird unter Mislintat und Rüdt arbeiten, soll an beide berichten und auch von ihnen lernen.
Mislintat, so hört man immer wieder (auch von ihm selbst), liegt der VfB mittlerweile sehr am Herzen, er fühlt sich wohl in der Stadt, auch seine Familie ist hier längst angekommen. Zu den neuesten Entwicklungen wollte er sich abseits eines Instagram-Posts, in dem er die neuen Mitstreiter willkommen hieß, öffentlich noch nicht äußern. Dass auch er Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit hat, ließ er deutlich anklingen in den vergangenen Tagen. So würde er gerne früher als später die generierten Transfererlöse auch wieder einsetzen dürfen. Wehrle seinerseits meinte, es gebe „ein paar Dinge“ zu besprechen. Der branchenübliche Poker um Vergütung, Vertragslaufzeit und Kompetenzen scheint damit noch vor dem ersten Gespräch eröffnet. Wohin er führt?
Manch einer meint schon jetzt zu wissen: zu nichts. Viel mehr VfB-Anhänger hoffen nach wie vor auf das Gegenteil.