Dem VfB Stuttgart gelingt zum Rückrundenauftakt ein überzeugender 3:1-Sieg in Köln. Dabei erinnert der Fußball-Bundesligist an die starke Endphase der Vorsaison.

Stuttgart - Draußen singen die euphorisierten Fans auch noch lange nach dem Schlusspfiff ihre Lieder, drinnen fällt der Teambetreuer Günther Schäfer jedem um den Hals, den der ausgewiesene Spaßvogel zu fassen bekommt. Nur Christian Gentner widersetzt sich dem Überschwang, der VfB-Kapitän sagt mit ernster Miene: „Wir dürfen uns nichts vormachen. Es gibt noch einiges zu verbessern.“

 

Es ist ein ganz neues Bild, das sich nach dem Stuttgarter 3:1-Auswärtssieg beim 1. FC Köln bietet – das exakte Gegenteil dessen, was üblicherweise nicht nur in dieser Saison zu sehen war: Regelmäßig rollten frustrierte Fans ihre Fahnen ein, während sich die Spieler viel Mühe gaben, aus der erneuten Niederlage irgendwelche positiven Erkenntnisse zu gewinnen. Und jetzt: sucht Gentner mit noch mehr Mühe nach ein paar Haaren in der Suppe, obwohl es nach einer sehr überzeugenden Leistung endlich Grund zum Jubeln gibt. Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist der VfB wieder mit einem Sieg in die Rückrunde gestartet.

Es ist nicht so, dass es jetzt keine Sorgen mehr gäbe, auch wenn die Stuttgarter wettbewerbs- und jahresübergreifend seit inzwischen fünf Spielen ungeschlagen sind. Streng verweist Christian Gentner auf die letzten fünf Spielminuten in Köln, in denen der Gegner zu mehr Torchancen kam als in den 85 Minuten zuvor. In dieser Phase kehrte es wieder zurück, das alte VfB-Kopfproblem, das darin besteht, dass es die Mannschaft gerne gemütlich auslaufen lässt, wenn sie glaubt, schon etwas erreicht zu haben. „Das darf uns nicht passieren“, sagt der Kapitän, „da dürfen wir uns nicht so hinten reindrängen lassen.“

Anhaltspunkte für den Aufwärtstrend

Ansonsten aber lieferte der VfB-Auftritt bei keineswegs schwachen Rheinländern jede Menge Anhaltspunkte, die darauf hoffen lassen, dass der Aufwärtstrend unter dem Trainer Jürgen Kramny anhält. Wie die Mannschaft den Rückstand wegsteckte, wie sie die Auswärtspartie mit spielerischen Mitteln umbog und Mitte der zweiten Hälfte auch kämpferisch voll dagegenhielt – all das spricht für ein zunehmendes Maß an Stabilität. „Es war eine ehrliche Leistung“, sagt der VfB-Manager Robin Dutt, ein „seriöser Auftritt“, wie Jürgen Kramny findet.

Zwei Thesen untermauerte das Spiel in Köln: dass es erstens möglich sein muss, mit dieser Mannschaft in der Bundesliga eine ordentliche Rolle zu spielen, und dass der VfB zweitens wohl nicht bis auf den letzten Tabellenplatz durchgereicht worden wäre, hätte man zu Beginn dieser Saison so weitergemacht, wie die alte zu Ende gegangen war. Keine Wunder musste Kramny bewirken, es hat gereicht die Spielweise an den vorhandenen Kader anzupassen. „Wir spielen jetzt keinen Wildwest-Fußball mehr“, sagt der Trainer, mit dessen Pragmatik der Erfolg zurückgekommen ist.

Auch unter Kramny sind Daniel Schwaab und Georg Niedermeier nicht zu Innenverteidigern von Weltklasseformat geworden. Doch fallen ihre Schwächen nicht mehr so sehr ins Gewicht, wenn die ganze Mannschaft mehr Wert auf eine kompakte Defensive legt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt dadurch maßgeblich, weil das Team dank der individuellen Klasse seiner Offensivkräfte auch weiterhin genügend Möglichkeiten hat, ein Spiel zu entscheiden.

Neue Perspektiven eröffnen sich

Weit überdurchschnittlich ist der VfB in der Offensive besetzt. Dort gibt es die unwiderstehliche Dynamik von Filip Kostic auf links, die herausragenden Fähigkeiten von Daniel Didavi auf der Spielmacherposition, die Schnelligkeit von Timo Werner, der immer besser die Rolle der einzigen Spitze ausfüllt, die eigentlich dem verletzten Daniel Ginczek zugedacht ist. Hinzu kommt neuerdings die Spielintelligenz von Lukas Rupp, der in Köln auf ebenso selbstlose wie großartige Weise das 3:1 vorbereitete. In der Summe ergibt dies eine Mannschaft, von der man sich, bei aller Vorsicht, nur schwer vorstellen kann, dass sie bis Saisonende gegen den Abstieg kämpfen muss. Selbst wenn hinten auch weiter gelegentlich selbst verschuldete Gegentore fallen.

Der VfB, nach 16 Spieltagen noch Letzter, hat inzwischen vier Punkte Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze – und am nächsten Wochenende die große Chance, sich noch weiter abzusetzen. Dann müssen Hoffenheim und Hannover in München und Leverkusen antreten, während der VfB im Heimspiel gegen Hamburg bis auf einen Punkt an den Tabellenelften heranrücken kann. Es sind ganz neue Perspektiven, die sich vor den Stuttgartern auftun.

So weit will Jürgen Kramny nicht denken. „Es kann in jede Richtung gehen“, sagt der Trainer. Das wird er diese Woche auch seinen Spielern mitteilen und ihnen bei Bedarf die letzten fünf Minuten des Köln-Spiels zeigen. Geärgert hat auch er sich – und war insgeheim trotzdem „nicht traurig, dass ich ein paar Anhaltspunkte habe“.