Das Vorspiel und das Spiel in Darmstadt zeigen, dass die Abstimmung beim VfB Stuttgart verbesserungswürdig ist – auf allen Ebenen.

Darmstadt - Als ein Radioreporter nach dem Schlusspfiff von Robin Dutt direkt als Allererstes wissen will, wie er das 1:1 bei Darmstadt 98 denn so bewertet, blickt der Sportvorstand des VfB Stuttgart kurz irritiert in die Runde. „Sie meinen vermutlich das 2:2?“, erwidert er dann und schmunzelt. In der Hektik dieses Tages kann man aber nicht nur als Radioreporter schon mal etwas die Übersicht verlieren. Schließlich ist das zuvor auch der Mannschaft auf dem Platz des Öfteren passiert.

 

Erst wenige Sekunden (genau 41) sind absolviert, als die wackelige Abwehr mit Toni Sunjic überlaufen wird. Nur mit sehr viel Glück gerät der VfB in dieser Szene nicht in Rückstand. Das registriert auch Dutt, der sich unter der Woche klar positioniert und öffentlich erklärt hatte, dass als Vertreter des gesperrten Innenverteidigers Georg Niedermeier alleine Sunjic in Frage kommt und nicht Timo Baumgartl oder Federico Barba. Da hat der Trainer aus ihm gesprochen, doch Dutt ist nicht mehr wie früher Trainer, sondern Sportvorstand – und in dieser Funktion gehört es sicher nicht zu seinen Aufgaben, die Aufstellung zu verkünden. Zumindest ist das bei anderen Vereinen in der Bundesliga so geregelt.

Die Spieler beobachten genau, wer der Chef ist

Trainer beim VfB ist Jürgen Kramny. Seine Autorität wird durch solche Vorfälle vermutlich nicht unbedingt gestärkt, da die Profis zwangsläufig genau beobachten, wer sich intern und extern über ihre Belange auslässt und wer der Chef ist. Demnach ist Dutt fremdgegangen – und Sunjic hat gespielt, aber lediglich 21 Minuten, ehe er wegen einer leichten Gehirnerschütterung ausgewechselt wurde. Das führt zum ersten Fazit: dieses Beispiel belegt, dass sich der VfB nach wie vor in der Findungsphase befindet, in der viele noch ihre Rolle suchen – auf dem Feld und außerhalb davon.

Doch immerhin ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Prozess in der nächsten Saison in der Bundesliga fortgesetzt werden kann, durch das Ergebnis in Darmstadt eher höher als geringer geworden. Denn obwohl dem Team in den vergangenen fünf Partien nur ein einziger Sieg gelungen ist, konnte der Vorsprung zu den hinteren Rängen in der Tabelle jetzt gehalten oder auf Frankfurt, Augsburg und Bremen sogar um einen Punkt ausgebaut werden. „Hauptsache, nicht verloren“, lautet deshalb das zweite Fazit dieses Samstages, das der Verteidigers Daniel Schwaab zieht. Aber wie geht es dann im Sommer weiter, wenn der Klassenverbleib geschafft wird? Findet der VfB dann zusammen?

Antwort: zunächst mal sieht es so aus, dass der Kader auf dem Papier schwächer wird. Daniel Didavi wechselt ablösefrei zum VfL Wolfsburg (die StZ berichtete exklusiv) – und Martin Harnik (zum Hamburger SV?) verlässt den Club wohl auch, ohne dass dafür Geld in die Kasse fließt. Dazu dürfte Filip Kostic kaum zu halten sein, für den es jedoch wenigstens eine satte Einnahme in Höhe von rund 20 Millionen Euro geben würde. Unter anderen ist der FC Schalke an ihm interessiert.

Die Mannschaft müsste verstärkt werden

Dass die Mannschaft eigentlich aber dringend verstärkt werden müsste, um nicht wie zuletzt ständig gegen den Abstieg zu kämpfen, zeigt auch die Begegnung in Darmstadt. Denn das dritte Fazit besagt, dass der VfB nicht besser ist als der nur mit bescheidenen finanziellen Mitteln und einer kaum ausreichenden Infrastruktur ausgestattete Aufsteiger aus Hessen, dessen Ambiente allerdings durchaus Charme hat – etwa wenn der Trainer Dirk Schuster am Ende seiner Ausführungen auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagt: „Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.“

Ein solcher Satz ist einmalig in dieser Branche. Oder um mit Kramny zu sprechen: „Darmstadt ist eben ein ganz spezielles Pflaster“ – auf dem wiederum sowohl die grundsätzlichen als auch die individuellen VfB-Defizite zum Vorschein kommen. Wie bei den beiden Gegentoren, die aus gravierenden Fehlern von Serey Dié beziehungsweise von Przemyslaw Tyton resultieren, der erneut erhebliche Mängel in der Strafraumbeherrschung offenbart.

„Wir hätten mehr Fußballspielen sollen“, sagt Schwaab. Aber ist das möglich angesichts der Qualität, die in der Elf steckt? „Mit dem Punkt können wir leben“, sagt Dutt als Fazit Nummer vier. Mit dieser Einschätzung kommt er seinem Trainer nicht ins Gehege – und da ist es auch relativ egal, ob die Partie nun 1:1 oder 2:2 endete.