In der Vorrunde hat der VfB in Leverkusen 3:1 geführt und 3:4 verloren. Vor dem Wiedersehen mit Bayer herrscht viel mehr Stabilität im Stuttgarter Spiel – denn Trainer Jürgen Kramny hat seine Grundordnung gefunden.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Der Stolz des Fußballkriegers ist nicht zu unterschätzen. Auch wenn Serey Dié vor und nach Spielen nicht gerne redet. Doch auf dem Platz spricht der Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart viel, sein Wort hat im Mannschaftskreis Gewicht. Da kann eine frühe Auswechslung wehtun. Weil sie auf einen Schlag das Klima im Team ebenso zu verändern vermag wie schleichend die Hierarchie. Und Serey Dié wurde in den vergangenen Wochen mehrfach ausgewechselt.

 

Sechsmal in den elf Ligaspielen, die der 31-jährige Ivorer unter Jürgen Kramny bestritten hat. Das ist häufig für einen, der den Anspruch erhebt, ein Anführer zu sein. Dennoch konnte sich Serey Dié einer Sache sicher sein: Seine Bedeutung für den Bundesligisten hat nicht abgenommen. In mehreren Gesprächen hat ihm der Trainer klar gemacht, wie wertvoll er für das Stuttgarter Spiel ist, weil der Mann mit der auffälligen Frisur ihm eine Mitte gibt – im Verbund mit Christian Gentner und Lukas Rupp.

Im Trainingslager hat Kramny an der Balance getüftelt

Das liegt auch daran, dass Kramny für den VfB eine Grundordnung gefunden hat, die das Team im Gleichgewicht hält: 4-1-4-1. „Die Ausgewogenheit hat auch viel mit den Abständen zwischen den Spielern zu tun“, sagt der Chefcoach. Während des Trainingslagers in der Türkei haben Kramny und seine Assistenten an der Balance getüftelt. Immer unter der Vorgabe: die Konteranfälligkeit nach Ballverlusten zu minimieren und gleichzeitig die Offensivabteilung ihre Wucht entfalten zu lassen.

„Mit Ausnahme des Spiels in Gladbach ist uns das zuletzt ganz gut gelungen“, sagt Kramny. 0:4 ging die Partie verloren. Allerdings mit dem Erkenntnisgewinn, dass die VfB-Elf in ihrem unsymmetrischen System stabiler agiert, als es ihr bei einer symmetrischen Anordnung gelang. Denn in Mönchengladbach versuchten es die Stuttgarter mit den Flügelspielern Filip Kostic und Martin Harnik gleichzeitig – und wurden im Borussia-Park auseinandergenommen.

Nur ein ganz kurzer Rückfall in alte Zeiten

Wie ein Rückfall in alte Zeiten wirkte das, als die Spieler nicht so recht wussten, ob sie den Gegner früh attackieren oder sich besser zurückziehen sollten. Doch Kramny ist in diesem kritischen Moment Kramny geblieben: Er hat keine Systemdebatte geführt. Er hat intern an Details gedreht, um den VfB nach außen hin wahrnehmbar wieder in die Spur zu bringen.

Rupp kehrte zurück ins Team, und Harnik musste dafür raus. Damit ergab sich wieder die Gesamtsituation, dass Serey Dié zwar als alleinige Sechs spielte, er sich auf seiner zentralen Position vor der Abwehr aber nicht einsam fühlen musste. Denn in Rupp und Gentner rücken ihm Spieler zur Seite, die Sechser-Aufgaben erfüllen – ohne ihre Torgefährlichkeit einzubüßen.

„Es braucht mehr Fußballer als Sprinter“

Das entspricht auch der grundsätzlichen VfB-Ausrichtung: nach vorne. Und es entspricht der grundsätzlichen Überzeugung des Trainers, „dass es auf dem Platz mehr Fußballer als Sprinter braucht, um spielerische Lösungen zu finden“. In einer 4-1-4-1-Formation sieht Kramny das Ganze besser austariert, weil sich die Mitte bei eigenen Angriffen auch besser sichern lässt. Was in der Begegnung an diesem Sonntag (15.30 Uhr) mit Bayer Leverkusen wichtig sein wird. Wie auch ein Blick zurück auf den 24. Oktober 2015 zeigt. Eine Stunde lang machte der VfB da in Leverkusen so gut wie alles richtig, führte 2:0 und 3:1 – und ging doch als Verlierer vom Platz. 3:4 hieß es am Ende eines spektakulären Fußballnachmittags, weil das Stuttgarter Spiel erst aus dem Gleichgewicht und in den letzten Minuten sogar aus den Fugen geraten war.

Dennoch erhielt der damalige Trainer Alexander Zorniger für seinen Powerstil einige Anerkennung. Doch sein dogmatischer Ansatz des frühen Gegenpressings und hohen Verteidigens kostete den Fußballlehrer wenig später den Job. Kramny pflegt da von Anfang an mehr Pragmatismus. „Es wird auch wieder Phasen geben, in denen es mit einer Doppelsechs besser funktioniert“, sagt Kramny, der sein Team so flexibel haben will, dass es auf Anhieb auf ein 4-2-3-1 oder ein 4-4-2 umstellen kann.

Zur Not müssen zwei Kraftprotze ran

Ähnlich wie es zuletzt in Ingolstadt lief, als der VfB-Coach nach dem 1:3-Rückstand die Notwendigkeit sah, zwei körperlich starke Offensivkräfte zu bringen: Artem Kravets und Boris Tashchy. „Auch wenn es seltsam klingt: Serey Dié war dort eigentlich unser bester Mittelfeldspieler, aber ich habe andere Spielertypen gebraucht“, sagt Kramny über die Auswechslung, die den Stolz des Fußballkriegers nach dem 3:3 einmal mehr nicht gebrochen hat.