Für den Tempodribbler läuft es seit Wochen nicht rund. Sein Trainer findet klare Worte – und lobt Führich zugleich, der in seiner Karriere schon ähnliche Situationen erlebt hat.
Ist das Selbstvertrauen nicht das allergrößte, sind auch die kleinen Erfolgserlebnisse von Bedeutung. Chris Führich hatte sie zuletzt, gleich mehrfach. Im Testspiel gegen die SV Elversberg machte der Flügelstürmer des VfB Stuttgart auf der linken Seite viel Betrieb, eroberte in der eigenen Hälfte Bälle, traf zudem vorne sehenswert zum 2:0-Endstand. Ein runder Tag also – und ein ungewohntes Gefühl. Denn der Pflichtspiel-Alltag des 27-Jährigen sieht momentan anders aus.
Von seinem einstigen Stammplatz ist Führich in diesen Tagen weit entfernt, auf den Außenbahnen haben Jamie Leweling sowie die beiden Neuzugänge Badredine Bouanani und Tiago Tomas die Nase vorne. Recht deutlich sogar, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt: In der Bundesliga lief Führich in sechs Partien nur einmal von Beginn an auf, zuletzt kam er gegen den 1. FC Heidenheim überhaupt nicht zum Einsatz, auf sein erstes Saisontor in insgesamt neun Pflichtspielen wartet er noch.
Sebastian Hoeneß lobt die Einstellung von Chris Führich
Dass es für den Techniker auf außen schon mal besser lief, sieht auch sein Trainer so. „Es ist gerade eine schwere Phase. Chris hatte sicher schon Phasen, in denen er mehr Freude hatte“, sagt Sebastian Hoeneß. Dazu zählte fraglos die Vizemeister-Saison 2023/24 – Führichs bestes Jahr in Stuttgart, in dem er sich mit seinen Tempodribblings auf engem Raum bis in die deutsche Nationalmannschaft und den Fokus des FC Bayern spielte. Ob man sich denn mit ihm beschäftige, wurde der Münchner Sportvorstand Max Eberl im März 2024 gefragt. Klare Antwort: „Wir wären schlecht vorbereitet, wenn wir sehr gute und deutsche Nationalspieler nicht kennen würden.“
Inzwischen sind solche Szenarien längst kein Thema mehr, auch Führichs letztes Länderspiel liegt fast ein Jahr zurück. Was zur Frage nach den Gründen für die Entwicklung führt. Dabei steht zunächst außer Zweifel, dass viele VfB-Profis und nicht nur Führich im Jahr der Vizemeisterschaft einen Höhenflug erlebten und am Limit spielten – und danach damit zu kämpfen hatten, ihr Niveau in einer Saison mit Mehrfach-Belastung zu halten. Bei Führich, dessen Spiel in besonderem Maß von Selbstbewusstsein und Automatismen in den Abläufen lebt, zeigte sich der Kontrast dabei mit am deutlichsten. Kam er 2023/24 auf acht Tore und sieben Vorlagen, waren es 2024/25 nur noch zwei Treffer und vier Assists.
Chris Führich mit Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der EM 2024. Sein bislang letztes Länderspiel absolvierte der Stuttgarter im November des vergangenen Jahres. Foto: Pressefoto Baumann
Entsprechend selbstkritisch startete der 27-Jährige in die laufende Spielzeit, wobei er seine Ambitionen mit der Wahl der Rückennummer zehn untermauerte. „Die letzte Saison war nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagte Führich im Sommer-Trainingslager am Tegernsee. „Ich möchte alles dafür geben, diese Saison wieder bessere Zahlen zu produzieren.“ Bislang ist es nicht gelungen.
Wie Führich aus der schwierigen Phase wieder herauskommen kann? Aus Sicht seines Trainers mit der richtigen Haltung – die er ihm ohne Einschränkung attestiert: „Er hat die Situation wirklich super angenommen, deswegen kann ich da nichts Negatives sagen“, so Hoeneß. Mit dieser Einstellung komme auch wieder die gute Phase, das sei sicher: „Wenn ich mich zu lange damit aufhalte und damit hadere, wird es nur länger dauern.“
Fest steht dabei: Kämpferqualitäten hat Führich in seiner Karriere schon einige Male beweisen. In der Jugend schaffte er in den Nachwuchsleistungszentren mehrfach nicht den Sprung in die nächste Jahrgangsstufe, wechselte im Alter zwischen 15 und 19 Jahren gleich viermal den Verein. Zu regelmäßigen Profi-Einsätzen kam der Spätstarter erstmals als 22-Jähriger beim Zweitligisten SC Paderborn.
Jetzt befindet er sich als gestandener Profi mit 132 Bundesliga-Spielen erneut in einer herausfordernden Situation. Hoeneß ist sich sicher, dass nicht viel fehlt und schon eine Aktion viel bewirken kann: „Jetzt braucht er mal vielleicht einfach einen Ball, der ihm vor die Füße fällt, dass mal ein Knoten platzt und ein bisschen Last abfällt.“
Die Chance darauf könnte sich trotz der zuletzt geringen Einsatzzeiten schon im nächsten Bundesliga-Spiel beim VfL Wolfsburg am kommenden Samstag (15.30 Uhr) bieten, zumindest als Einwechselspieler. Denn: Die Personalsituation auf den Flügeln ist offen. Tomas wird womöglich im Sturmzentrum gebraucht, Leweling laboriert an Adduktorenproblemen und reiste deshalb vorzeitig vom deutschen Nationalteam ab, Bouanani ist am Dienstagabend noch mit Algerien im Einsatz und hat damit nicht allzu viel Vorbereitungszeit auf das Wolfsburg-Spiel. Öffnet sich nun eine Türe für Chris Führich? Neues Selbstvertrauen hat er jedenfalls nach dem jüngsten Testspiel.