Vor fünf Jahren hat der VfB letztmals international gespielt. Doch beim Aufsteiger ist die Sehnsucht nach der Europa League nicht sonderlich ausgeprägt. „Wir wollen nicht drei Stufen auf einmal nehmen", sagt Christian Gentner.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Dass Schadenfreude auch im Bundesligabetrieb ganz offensichtlich die schönste Freude ist, dieser Verdacht wurde am Samstag beim 2:0-Sieg des VfB über die TSG Hoffenheim eindrucksvoll erhärtet. Denn als auf der Videowand der Mercedes-Benz-Arena die drei Tore von Eintracht Frankfurt in der Heimpartie gegen den Hamburger SV (Endstand 3:0) vermeldet wurden, da brach im mit knapp 59 000 Besuchern voll besetzten Stadion ein ekstatischer Jubel aus.

 

Holen die Bayern den Pokal, reicht Platz sieben

Ein wenig darf diese Szenerie schon verwundern. Schließlich liegen die Frankfurter als Tabellensiebter nur einen Punkt vor dem VfB. Bei einer Niederlage gegen den HSV wäre die Elf von Trainer Tayfun Korkut also an den Hessen vorbeigezogen. Und als Siebter könnte sich der VfB am Saisonende womöglich als Teilnehmer der zweiten Qualifikationsrunde zur Europa League fünf Jahre nach seinem letzten Auftritt auf internationaler Bühne zurückmelden. Denn dieser Platz reicht für Europa, sollte der Rekordpokalsieger Bayern München am 19. Mai die Frankfurter im Finale des DFB-Pokals besiegen. Ganz offensichtlich ist aber das Vergnügen am immer wahrscheinlicher werdenden Abstieg des Bundesliga-Dinos HSV größer als der Wunsch der eigenen Fans, ihr VfB möge es unverhofft noch nach Europa schaffen.

Vor dem letzten Spieltag ist der augenscheinlich so ungeliebte Sprung in die Europa League faktisch immer noch möglich. Weil der VfB im Vergleich zu den Frankfurtern (plus 1) die schlechtere Tordifferenz (minus 3) aufweist, müssten die Stuttgarter dazu aber ihre letzte Partie beim FC Bayern gewinnen, während die Hessen ihrerseits im Gastspiel auf Schalke nicht siegen dürften.

So hat der VfB zuletzt in München abgeschnitten:

„Es ist klar, dass wir keine Platzierung freiwillig aufgeben werden“, sagt der VfB-Sportchef Michael Reschke, der natürlich auch weiß, „dass in München für uns wohl nicht viel zu holen sein wird. Die werden sich von uns als Meister nicht ihre Saison-Abschlussfeier vermiesen lassen wollen.“ Tatsächlich bringen die Fakten im Vergleich mit den Bayern reichlich Ernüchterung: Zum letzten Mal hat der VfB am 27. März 2010 nach Toren von Christian Träsch und Ciprian Marica mit 2:1 in München gewonnen. Seither gab es in der Allianz-Arena außer der einen oder anderen Klatsche (0:4, 1:6) nichts zu holen.

Viel haben sie am Wasen bisher aber auch nicht getan, um dem Schicksal diesmal mit dem Sieg des Davids bei Goliath ein Schnippchen zu schlagen. Erstmals seit langer Zeit wurde die interne VfB-Clubfeier bereits vor dem letzten Spieltag angesetzt. Am vergangenen Samstagabend traf man sich zur gemeinsamen Party beim Nobel-Italiener Amici. Bis Mittwoch hat die Mannschaft zudem trainingsfrei.

Denn tatsächlich käme eine Teilnahme an der Europa League einer Übererfüllung der Vereinsziele gleich. Der Fünfjahresplan des Präsidenten Wolfgang Dietrich soll den Verein ja erst in drei Jahren wieder konstant ins obere Tabellendrittel der Bundesliga führen. Würde man schon jetzt wieder in Europa mitmischen, könnte dies aus Sicht der Clubbosse auch zu einer überzogenen Erwartungshaltung im Umfeld führen. „Wir dürfen nicht drei Stufen auf einmal nehmen“, sagt auch Kapitän Christian Gentner – und Cheftrainer Tayfun Korkut ergänzt: „Unsere Schritte müssen auch künftig klein und stabil bleiben.“

Köln und Freiburg als Negativbeispiele

Gerne werden in diesem Zusammenhang die Beispiele Köln und Freiburg genannt. Als Fünfter und Siebter der vorigen Saison qualifizierten sich beide für die Europa League und deren Qualifikation – für einen Wettbewerb, in dem die Uefa von dieser Runde an immerhin die Prämien erhöhen wird. Nur ein Jahr später ist Köln abgestiegen – und den Freiburgern droht theoretisch noch der drittletzte Platz und damit die Relegation.

Warum also Europa League, ein Wettbewerb mit Spielen quasi im Hinterhof der viel beachteten Champions League, in dem sich der VfB als Siebter auch noch mit Qualispielen Ende Juli, also mitten in der Sommer-Vorbereitung, in einem 94er-Feld mit unbekannten Teams wie Mladost Podgorica, FH Hafnarfjördur oder den Shamrock Rovers auseinandersetzen müsste?

Nicht jeder nimmt dieses Szenario so locker wie Mario Gomez: „Testspiele müssen wir im Sommer sowieso machen“, sagt der Torjäger. „VfB international kann man nur besoffen seh’n!“ Diesen Song sangen derweil die Fans in der Cannstatter Kurve, als der VfB am Donnerstagabend des 14. Februar 2013 unter Flutlicht vor 15 200 Augenzeugen gegen KRC Genk 1:1 spielte. Geschieht am Samstag in München kein Wunder, darf man immerhin nüchtern bleiben.