Beim 1:0 gegen den HSV sind Sven Ulreich und Georg Niedermeier aneinander geraten. Der Streit zeigt, wie sehr der Abstiegskampf an den Nerven zehrt. Kapitän Christian Gentner musste einschreiten, um die Streithähne zu beruhigen.

Stuttgart - Um 8.30 Uhr wird im VfB-Clubheim das Frühstück serviert, es gibt für die Spieler nicht nur Müsli und frisches Obst, sondern auch viel zu besprechen. Um den fundamental wichtigen 1:0-Sieg am Vortag gegen den Hamburger SV geht es, um den nächsten Abstiegsgipfel am Mittwoch beim 1. FC Nürnberg – und um die am Samstag offen auf dem Platz ausgetragene Meinungsverschiedenheit zwischen dem Torhüter Sven Ulreich und dem Innenverteidiger Georg Niedermeier.

 

Die Sache sei ausgeräumt worden, berichtet nach dem anschließenden Training der VfB-Trainer Huub Stevens, „die Jungs haben das untereinander geklärt“.

Gentner muss als Schlichter eingreifen

Heftig waren Ulreich und Niedermeier, zwei Hünen von mehr als 1,90 Meter Körpergröße, in der Schlussphase des HSV-Spiels aneinandergeraten. Auslöser war ein missratener Eckball für den VfB mit einem Ballverlust von Moritz Leitner, der einen gefährlichen Konter für Hamburg zur Folge hatte. Die beiden Streithähne aus der Defensive schubsten sich daraufhin im Strafraum gegenseitig – mit einer Gelben Karte musste der Schiedsrichter Felix Brych Ulreich zur Räson rufen. Doch auch nach dem erlösenden Schlusspfiff war der Torhüter kaum zu bremsen und immer noch auf 180. Der Kapitän Christian Gentner sah sich gezwungen, mit deutlichen Worten einschreiten, um die Gemüter wieder einigermaßen zu beruhigen.

Ulreich habe im Grunde Recht gehabt, „doch ich war der Meinung, dass er besser ruhig geblieben wäre“, sagte Niedermeier, während der Torhüter einräumte, „ein bisschen emotional“ gewesen zu sein. Von „zwei Kids, die schon relativ erwachsen sind“, sprach Gentner. Huub Stevens wiederum, ein erklärter Freund der konstruktiven Konfrontation, betrachtete die Angelegenheit von ihrer positiven Seite: Gut findet er es, wenn sich die Spieler „ab und zu“ so deutlich die Meinung sagen – „denn dann ist Leben in der Bude“.

Streitigkeiten gehören seit jeher zum Fußball

Es wäre tatsächlich unangemessen, in die Auseinandersetzung irgendwelche tiefer liegenden Probleme innerhalb des VfB-Teams hineinzuinterpretieren. Zünftige Wortgefechte unter Männern sind seit jeher fester Bestandteil des Fußballsports, das ist in der Kreisklasse nicht anders als in der Bundesliga. Zudem gelten Ulreich und Niedermeier, Zimmernachbar im Mannschaftshotel, als ausgewiesene Mannschaftsspieler, die nicht allein an sich denken. Das Wohl des Vereins, das steht außer Frage, liegt ihnen am Herzen.

Eines aber zeigte ihre Rangelei sehr deutlich: wie sehr der Abstiegskampf an den Nerven zehrt, wie gewaltig die Anspannung ist, wenn so viel auf dem Spiel steht. Für Torhüter gilt das in besonderem Maße. Sie können kaum ins Geschehen eingreifen, sie können nicht rennen, grätschen, den Druck im Zweikampf ablassen. Stattdessen stehen sie die meiste Zeit über tatenlos in ihrem Strafraum herum – und müssen fürchten, mit einem einzigen Fehler alles zu verspielen. Jens Lehmann, Ulreichs Vorgänger im VfB-Tor, riss einst seinem Vordermann Khalid Boulahrouz wutentbrannt das Stirnband vom Kopf.

Erstes Heimspiel in dieser Saison ohne Gegentreffer

Nach den vielen späten Gegentreffern in den vergangenen Wochen war bei Ulreich die Anspannung nun besonders groß. Im eigenen Stadion hatte der VfB bis Samstag in dieser Saison noch kein einziges Heimspiel ohne Gegentor überstanden; auswärts stand die Null letztmals Ende September, beim 4:0-Sieg gegen Eintracht Braunschweig. So lange her, dass sich Ulreich gar nicht mehr daran erinnern konnte.