Der VfB Stuttgart verliert auch am Wochenende wieder und zeigt einmal mehr, dass es an vielen Dingen fehlt – nicht zuletzt an der Aggressivität. Die Mannschaft von Thomas Schneider ist einfach zu brav.

Stuttgart - Abends um halb zehn biegt der Mannschaftsbus an der Anschlussstelle Gelsenkirchen-Buer auf die A 2 Richtung Oberhausen. An Bord gibt es alles, was für eine kurzweilige Reise benötigt wird: einen Farbfernseher, jede Menge sonstige Unterhaltungselektronik, belegte Brote, frische Getränke. Sogar das Telefonieren ist unterwegs erlaubt – was nichts daran ändert, dass der VfB-Verteidiger Georg Niedermeier schon vor der Abreise eines genau wusste: „Das wird eine lange und frustrierende Busfahrt.“

 

Als klare Verlierer machen sich die Stuttgarter auf die fünfstündige Heimreise und müssen nach dem 0:3 (0:1) auf Schalke wieder einmal erkennen, dass sie den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterherhinken. Sieben Punkte beträgt der Rückstand auf die angestrebten Europapokalplätze, nur noch fünf der Vorsprung auf die Abstiegszone. Der VfB ist momentan gefangen in einer Besorgnis erregenden Abwärtsspirale.

Mit etwas Glück hätte das Spiel auf Schalke auch einen anderen Verlauf nehmen können. Kurz vor dem 0:1 vergab Timo Werner die große Chance, den VfB in Führung zu bringen. Und eine Abseitsstellung ging dem Elfmeter zum 0:2 voraus, das zu Beginn der zweiten Hälfte jene Hoffnung im Keim erstickte, die der VfB-Trainer Thomas Schneider noch in der Pause gespürt hatte: „Da war große Spannung in der Kabine, jeder war topmotiviert.“ Die Umstände mögen also widrig gewesen sein – doch stand am Ende außer Frage: Schalke war die klar bessere Mannschaft, das Ergebnis spiegelte das tatsächliche Kräfteverhältnis ziemlich korrekt wider.

Es bedurfte einer dunkelroten Brille, um der erneuten Niederlage, der dritten in vier Spielen, Positives abzugewinnen. „Einige gute Aktionen“ hatte der Manager Fredi Bobic registriert; ein zumindest in der ersten Hälfte „recht gutes Auswärtsspiel meiner Mannschaft“ wollte Schneider gesehen haben. Er könne den Spielern keinen Vorwurf machen, sagte der Trainer, denn „auch wenn es sich nach so einem Resultat wahnsinnig anhört: wir sind hier absolut ordentlich aufgetreten.“ Als „Schritt nach vorne“ wertete Schneider den Auftritt im Vergleich zum 0:2 gegen Gladbach.

Die Ziele scheinen unerreichbar zu sein

Sich vor die Spieler stellen und Ruhe bewahren, das ist die Devise der sportlichen Leitung – was sollen sie auch sonst tun? Bis zur Winterpause bleiben nur diese Spieler, die gegen Hannover und in Wolfsburg zumindest noch den einen oder anderen Punkt holen sollen. Bei ungeschminkter Betrachtung aber dürften auch Bobic und Schneider längst erkannt haben, dass sie für eine Mannschaft verantwortlich sind, mit der die Ziele unerreichbar scheinen.

Das hat zum einen mit der rein fußballerischen Qualität zu tun. Der VfB hat zwei neue Außenverteidiger, von denen der eine (Daniel Schwaab, rechts) keinerlei Impulse nach vorne setzt und der andere (Konstantin Rausch, links) in der Defensive ein Sicherheitsrisiko ist. In Christian Gentner und William Kvist gibt es zudem zwei zentrale Mittelfeldspieler, die als Gespann zu wenig Tempo mitbringen. Und ganz vorne steht als einzige Spitze Vedad Ibisevic, der ein guter Torjäger ist, das Offensivspiel aber statisch und berechenbar macht.

Andererseits stellt sich wieder einmal die Frage nach der Mentalität der Mannschaft. Es gibt beim VfB keine Stinkstiefel; es gibt auch keinen, dem man den Siegeswillen absprechen könnte. Aber es gibt, vom jungen Abwehrspieler Antonio Rüdiger abgesehen, auch niemanden, der sich sichtbar aufbäumen würde, wenn das Schiff unterzugehen droht. Null gelbe Karten gab es bei den drei klaren Niederlagen gegen Dortmund, Gladbach und Schalke, obwohl der VfB phasenweise vorgeführt wurde. Punkte gibt es dafür aber nur in der Fairnesstabelle.

Die Spieler gehen zu brav zu Werke

Auf Schalke war es besonders auffällig, wie brav und bieder die Spieler zu Werke gehen. Wie die Lämmer wirkten sie neben Leuten wie Jermaine Jones oder Kevin-Prince Boateng. Man muss diese Spieler, beide volltätowiert und mit Kriegerattitüde, nicht sympathisch finden. Die Aggressivität, die sie ausstrahlen, kann im Fußball aber sehr hilfreich sein. „Das ist eine Grundtugend. Jedes Team braucht solche Spieler“, sagt auch Schneider: „Im Mittelfeld muss man auch mal dazwischenfegen.“

Die Frage ist nur: wer soll das beim VfB tun? Die Willensschulung, mit der Schneider in den nächsten Monaten einen neuen Geist in die Mannschaft bringen will, dürfte die Probleme kaum lösen. Und es macht die Sache wohl auch nicht leichter, dass auch der Trainer selbst kein Mensch ist, der die ganz großen Emotionen verkörpern würde.

Das Feuer reicht beim VfB offenbar immer nur für kurze Zeit. Zehn Punkte hat das Team in den ersten vier Spielen nach der Trennung von Bruno Labbadia geholt – und ließ in den folgenden sieben nur noch sechs weitere Zähler folgen. Thomas Schneider sagt: „Es ist für mich eine besondere Herausforderung, die Mannschaft wieder in die Spur zu bekommen.“

VfB-App