Der VfB Stuttgart hat im Abstiegskampf einen enorm wichtigen Heimsieg eingefahren. Mit 3:2 besiegte das Team von Huub Stevens Werder Bremen und hat nun die rote Laterne an den Hamburger SV abgegeben.

Stuttgart Es gibt fast nichts, was es in diesem verrückten, dramatischen Fußballspiel nicht schon gegeben hätte – doch die große Schlusspointe folgt erst in der Nachspielzeit. Serey Dié treibt den Ball durchs Mittelfeld, er spielt einen messerscharfen Pass auf Daniel Ginczek, der die Nerven behält und den Bremer Torwart Raphael Wolf mit dem Außenrist überwindet. 3:2 (1:0) für den VfB, der zu diesem Zeitpunkt nur noch zu zehnt ist und kurz vorher den Ausgleich hinnehmen musste.

 

Es ist ein großer Sieg für die Stuttgarter, die am Hamburger SV vorbeiziehen und zum ersten Mal seit mehr als zwei Monaten nicht mehr auf dem letzten Tabellenplatz stehen. Überschäumend ist der Jubel der Fans, gerade so, als wäre der Klassenverbleib bereits perfekt. Das ist er noch lange nicht – doch bedarf es im Schlussspurt wohl genau solcher Erlebnisse, um ans Ziel zu kommen. „Ich habe in meiner Karriere schon viel erlebt – so etwas aber noch nicht“, sagt der VfB-Trainer Huub Stevens.

In den Rauchschwaden der bengalischen Feuer aus der Cannstatter Kurve hatte knapp zwei Stunden vorher dieses denkwürdige Spiel begonnen, in dem der VfB wieder einmal unter enormem Druck stand. Per Videobotschaft übermittelten vor dem Anpfiff Sami Khedira und Ludovic Magnin, die Deutschen Meister von 2007, ihre besten Wünsche im Abstiegskampf. Doch auf dem Spielfeld musste es allein die aktuelle VfB-Mannschaft richten, in der Antonio Rüdiger nach viermonatiger Verletzungspause für Timo Baumgartl in die Innenverteidigung rückte.

Ein prächtiger Treffer setzte Kräfte frei

Der VfB war von Beginn an im Bilde und trat keineswegs wie ein verunsicherter Abstiegskandidat auf. Die Gäste aus Bremen hatten zwar ein Plus an Ballbesitz – die besseren Chancen erspielten sich aber die Gastgeber, die immer wieder den Weg nach vorne suchten. Ein Kopfball von Christian Gentner flog zunächst übers Tor (4.) – mit dem Fuß zeigte der Kapitän dann aber seine großen technischen Fertigkeiten: Per Direktabnahme zog Gentner aus 22 Metern ab, wie an der Schnur gezogen rauschte der Ball rechts unten zum 1:0 ins Tor (15.). Es war ein prächtiger Treffer, der weitere Kräfte freisetzte. Martin Harnik vergab nach 35 Minuten die Chance zum 2:0 – es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass der Österreicher vor dem Werder-Tor im Mittelpunkt stand (siehe „Harniks Achterbahnfahrt“).

Und die Bremer? In der ersten Hälfte deuteten sie ihr Potenzial nur an und kamen kaum zu Chancen. Nach dem Seitenwechsel aber schlugen sie eiskalt zu – auch weil der VfB mit der Devise aufs Spielfeld zurückgekehrt war, die knappe Führung irgendwie ins Ziel zu retten. Der Werder- Coach Victor Skripnik brachte den Jungstar Davie Selke, der gleich eindrucksvoll zeigte, warum RB Leipzig acht Millionen Euro für ihn bezahlt: Nach einer weiten Flanke schlich sich der 20-jährige Stürmer in Rüdigers Rücken davon und traf mit einem Kopfball unhaltbar zum 1:1-Ausgleich (50.). Den vorhergehenden Konter hatte Serey Dié mit einem Fehlpass eingeleitet – nicht die einzige Schwäche des Winterneuzugangs von der Elfenbeinküste, der in der Nachspielzeit alles wiedergutmachen sollte.

Schlagabtausch der Kontrahenten

Dazwischen lag ein offener Schlagabtausch, in dem beide Kontrahenten die Entscheidung zu erzwingen versuchten. Mit dem Kopf brachte Daniel Ginczek den VfB zum zweiten Mal in Führung (70.), doch auch diesmal hatten die Bremer die passende Antwort parat: Nur zwei Minuten nach Harniks Platzverweis köpfte der aufgerückte Innenverteidiger Jannik Vestergaard im Anschluss an einen Eckball das 2:2 (86.). Ein Punkt gegen zehn Stuttgarter war den Gästen, die bis Sonntag in der Rückrunde auswärts unbesiegt geblieben waren, nicht genug, sie spielten weiter nach vorne – und gingen dann selbst K.o., als Ginczek in der Nachspielzeit den umjubelten Lucky Punch setzte.

Auch beim 3:1-Sieg im letzten Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt hatte der Stürmer zwei Tore geschossen, nun war er erneut der große Retter. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wir haben eine Riesenpartie gemacht“, sagt Ginczek hinterher – und wirft dann den Blick nach vorne: „Sechs weitere Endspiele warten auf uns.“

Mit dieser Aufstellung hat der VfB Stuttgart gespielt: Ulreich - Klein , Rüdiger , Niedermeier , Hlousek - Serey Dié (90. Baumgartl) , Gentner - Harnik , Maxim , Kostic (79. T. Werner) - Ginczek