Der VfB Stuttgart kopiert sich seit einiger Zeit selbst. In Dortmund hat das jedoch nicht wieder zu einem Offensivspektakel geführt, sondern zu einer taktisch reifen Defensivleistung – so lautet die Spielanalyse der StZ.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Dortmund - Der VfB hat seine Ordnung einfach nicht aufgeben wollen. Selbst nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Felix Zwayer standen die Stuttgarter Bundesligafußballer noch so eng beieinander, als müssten sie nach den Attacken von Borussia Dortmund auch noch im Kollektiv die ersten Gratulanten abwehren. Denn trotz der Nullnummer durften sich die Gäste ein klein wenig als Gewinner fühlen. Zumindest war es so, dass sich der Meistermacher Jürgen Klopp mit seinem Meisterteam nach der hochintensiven Begegnung eher als Verlierer vorkam. Sie hatten es versäumt, ihre klaren Chancen zu nutzen.

 

„Das letzte Mal war es ein 4:4, diesmal ein 0:0, aber beides gibt eben nur einen Punkt“, sagt Klopp. Und irgendwie hat die Erinnerung an die Partie vor sieben Monaten ja auch mitgespielt. Allein schon durch die Sehnsucht des Publikums, wieder ein so denkwürdiges Spiel zu erleben. Doch diesmal gab es im Signal-Iduna-Park kein entfesseltes Offensivspektakel, das Trainer, Spieler und Fans auf beiden Seiten in einen Torrausch versetzte. Diesmal schwang sich der VfB zu seiner besten Defensivleistung in der laufenden Saison auf.

Die beiden Vorstellungen der Mannschaft von Bruno Labbadia zeigen nun eindrucksvoll, wozu der VfB im Stande ist. Er kann nach vorne mitreißend auftreten wie Ende März, und er kann wie jetzt nach hinten diszipliniert und fast fehlerfrei agieren. Das Problem dabei ist, dass die Stuttgarter beide Elemente noch zu selten in einem Spiel zueinanderbringen. So bleibt die Abmischung ihrer Fähigkeiten eine der großen Herausforderungen für den Trainer.

Seit Labbadia seine Elf jedoch wieder darauf ausgerichtet hat, erst einmal Bälle zu erobern statt Bälle verteilen zu wollen, läuft es gut – mit durchweg brauchbaren Ergebnissen. Fünf Ligaspiele in Folge hat der VfB nicht mehr verloren, was daran liegt, dass sich Labbadia nach den Einbrüchen gegen den FC Bayern (1:6) und 1899 Hoffenheim (0:3) zu mehr Kompaktheit in den eigenen Reihen gezwungen sah. Nun versucht das Team – auch aus Mangel an spielerischer Klasse – sich selbst zu kopieren und so aufzutreten wie in der vergangenen Rückrunde. „Um da die drittbeste Mannschaft zu werden, mussten wir sensationell viel richtig und die Gegner einiges falsch machen“, sagt Labbadia.

Dank der Rückbesinnung auf die alten Stärken steht der VfB nun auf dem zehnten Tabellenplatz. Ein Rang, der die Superoptimisten schon hoffnungsvoll Richtung Champions League blicken lässt, weil zum Beispiel Bayer Leverkusen als Vierter nur fünf Punkte entfernt liegt. „Wir fangen jetzt aber nicht an zu träumen, weil es nichts zu träumen gibt“, sagt Fredi Bobic. Der Manager weiß nur zu gut, dass jedes Spiel für die Mannschaft eine Gratwanderung bedeutet, jedes Spiel eine enorme Anstrengung kostet. Weshalb der Tabellenrang ebenso die Skeptiker im Spiel hält. Denn nach unten beträgt der Abstand auf den Relegationsplatz ebenfalls lediglich fünf Zähler.

Vor dem Aufeinandertreffen wies die Statistik den VfB als das laufstärkste Team der Liga aus, und den BVB als das zweitbeste in dieser Disziplin. Wobei vor allem die VfB-Profis an ihre Grenzen stoßen, wenn sie bei all dem Aufwand gegen ein Spitzenteam endlich vor dem gegnerischen Tor auftauchen. Da mangelt es an der Abgeklärtheit wie bei Martin Harnik (33.) oder an der Präzision. „Wenn es eng ist, muss der letzte Pass eben millimetergenau kommen“, sagt Labbadia, der sich bei aller Zurückhaltung auch in offensiver Rhetorik übte: „Wenn sich Vedad Ibisevic bei seiner Chance fallen lässt, dann gibt es einen Elfmeter, und wir können mit dem entsprechendem Glück gewinnen.“

Bei zwei Lattentreffern der Dortmunder und zwei glänzenden Rettungstaten von VfB-Schlussmann Sven Ulreich (gegen Mats Hummels und Julian Schieber) brauchten die Stuttgarter aber auch einiges an Glück und Geschick, damit die starken Leistungen der beiden Innen- und Außenverteidiger sowie des Torwarts nicht doch noch durch einen Gegentreffer geschmälert wurden. „Das tut uns natürlich gut“, sagt Labbadia beim Rückblick auf die Erfolgsserie und dem Ausblick auf die kommende Aufgabe am Donnerstag in der Europa League in Kopenhagen. Eine VfB-Mannschaft, die ein Offensivspektakel bietet, erwartet der Trainer auch dort nicht – aber eine VfB-Mannschaft, die weiter an Kontur gewinnt.