Hektik, Spannung, Moral – das 3:3 in Ingolstadt fasst die Stuttgarter Spielzeit in 90 Minuten ziemlich genau zusammen. Und so könnte die Saison für den VfB auch enden wie die Partie am Samstag: versöhnlich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Ingolstadt - Gleich hinter dem Audi-Sportpark ist der städtische Tierschutzverein beheimatet. Das allein wäre nicht erwähnenswert, wenn nicht in direkter Nachbarschaft auch noch der Schlachthof Ingolstadt seinen Standort hätte. Das passt irgendwie nicht so recht zusammen. Dies gilt dann auch für den Auftritt des VfB, dem mit dem 5:1-Heimsieg gegen Hoffenheim im Rücken der nächste selbstbewusste Auftritt zugetraut worden war.

 

Diese Erwartung erfüllten die Stuttgarter beim 3:3 allerdings nur in der Anfangsphase, als die Mannschaft auf den frühen Führungstreffer der Gastgeber völlig unbeeindruckt reagierte und Filip Kostic umgehend den Ausgleichstreffer folgen ließ. „Danach haben wir uns leider von der Hektik anstecken lassen“, analysiert der Trainer Jürgen Kramny.

Irgendetwas kommt dem VfB immer dazwischen. Diesmal war es die ungewohnte Atmosphäre in einem engen Stadion, wo man auf jedem Sitzplatz den Rasen riechen kann und jeder Zuschauerzwischenruf von den Spielern zu hören ist. In Verbindung mit dem körperbetonten Ingolstädter Spiel brachte dies den VfB nach der Pause von seinem Weg ab. Dass die Gäste irgendwann mit 1:3 in Rückstand lagen, hat aber auch viel mit der Auswechslung des gelb-rot-gefährdeten Georg Niedermeier zu tun. Mit ihm ging die Sicherheit in der Abwehr. Es kam Toni Sunjic – und das Durcheinander.

Moralischer Punktsieger

Aber am Ende zeigte der VfB Moral und kam in der aufregenden Schlussphase durch das Tor von Lukas Rupp und den von Daniel Didavi verwandelten Foulelfmeter zum 3:3 und zu einem Ergebnis, mit dem am Ende alle ganz gut leben konnten.

Dieses Spektakel beim starken Aufsteiger, dessen Trainer Ralph Hasenhüttl vom „besten Heimspiel“ seiner Mannschaft sprach, steht schon fast beispielhaft für die gesamte Stuttgarter Saison. Sehr ambitioniert gestartet, folgt der Sturz in ein tiefes Loch, ehe man sich am Ende doch aus der misslichen Lage befreien kann. „Das war ein Punktgewinn der Moral“, sagt Kramny.

Langweilig wird es einem mit dem VfB jedenfalls nicht. Das gilt sowohl für die Partie in Ingolstadt wie auch für die gesamte Saison. Das ist schon etwas Besonderes bei einer Mannschaft, die zurzeit im Niemandsland der Tabelle steht. Dieser Zwischenstand ist nämlich nicht durch eine mittelmäßige Spielweise zustande gekommen, sondern durch den ständigen Wechsel der Extreme. Die Stuttgarter Mannschaft spielt extrem gut oder extrem schlecht. So folgte zuletzt nach der desolaten 0:4-Vorstellung in Mönchengladbach sofort danach das begeisternde Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim.

Eklatante Leistungsschwankungen

Seine zwei Gesichter kann der VfB mittlerweile aber auch in einem einzigen Spiel zeigen. Siehe Ingolstadt. Siehe Timo Werner, um das Phänomen zu personifizieren. Der 20-Jährige spielte in der ersten Halbzeit richtig gut, hatte in der zweiten Halbzeit bis zu seiner Auswechslung dann aber gefühlte null Ballkontakte. Wie Timo Werner fehlt dem VfB immer noch die Konstanz. Es gibt aber auch noch andere Spieler, die für einen unsteten VfB stehen. Zum Beispiel Przemysław Tytonń. Nach zuletzt reihenweise souveränen Auftritten war der Torhüter in Ingolstadt plötzlich wieder der Unsicherheitsfaktor vom Saisonbeginn. Aufgrund von solchen eklatanten Leistungsschwankungen ist der VfB auch noch nicht alle Abstiegsängste los. Jürgen Kramny jedenfalls ist ziemlich drin in der Thematik. Sein Rechenmodell sieht so aus: „Man braucht in dieser Saison wahrscheinlich 38 Punkte, um drin zu bleiben.“

Seinen 32. Punkt hat der VfB jetzt in Ingolstadt geholt – und das hat auch sehr viel mit der Leistung von Filip Kostic zu tun. Der Linksaußen spielte nicht nur diese 90 Minuten auf konstant hohem Niveau. Seit Jürgen Kramny im Amt ist, gehört der Serbe eigentlich immer zu den besten Stuttgarter Spielern. Ebenso zieht sich die Tatsache, dass der VfB kein Spiel verloren gibt, wie ein roter Faden durch die Saison. Und so deutet viel darauf hin, dass diese turbulente Stuttgarter Spielzeit endet wie die Partie in Ingolstadt: versöhnlich.