Sie waren Rückrunden-Vizemeister und Vizemeister der vergangenen Saison. Nun treffen der VfB Stuttgart und Schalke 04 als 16. und 14. der Bundesligatabelle aufeinander. Weil sie ganz ähnliche Probleme haben.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Was waren sie glücklich am 12. Mai 2018. Beim VfB Stuttgart, weil der Club gerade den FC Bayern 4:1 geschlagen hatte und eine grandiose Rückrunde auf Platz sieben zu Ende ging – mit dem inoffiziellen Titel: Rückrunden-Vizemeister. Und beim FC Schalke 04, weil die Knappen Eintracht Frankfurt mit 1:0 besiegt hatten und der bereits vorher feststehende Platz zwei ausgiebig gefeiert werden konnte. Oder auch: die Vizemeisterschaft.

 

An diesem Samstag (15.30 Uhr) nun empfängt der Rückrunden-Vizemeister den Vizemeister – im Duell der Enttäuschten. Der 16. der Tabelle (14 Punkte) empfängt den 14. (15 Punkte), beide Trainer treffen auf ihren Ex-Verein, es ist eine Art Krisengipfel – weil die beiden Clubs seit Wochen die gleichen Probleme plagen. Die sie auch in der kurzen Winterpause beschäftigen werden. Ein Überblick.

Der Trainer

VfB Stuttgart:Markus Weinzierl startete nach dem achten Spieltag dieser Saison ähnlich wie einst beim FC Schalke 04, für den er in der Spielzeit 2016/17 gewesen ist – mit einer Niederlagenserie. Bei den Knappen bekam der Bayer zwar noch die Kurve, musste nach einer Saison aber wieder gehen und wurde von Domenico Tedesco beerbt, auf den er nun erstmals trifft. Auch beim VfB trägt Weinzierls Arbeit nach einem schwierigen Start erste Früchte – der ganz große Umschwung ist aber noch nicht eingetreten. Dennoch sind sie im Club von der Arbeit des 43-Jährigen überzeugt, zumal er auch den Nachwuchsspielern wie Antonis Aidonis und Leon Dajaku Perspektiven aufzeigt. „Wir haben noch ein paar Schritte zu tun“, sagt Weinzierl mit Blick auf die Rückrunde. Dass er zum Abschluss der Hinserie seinen Ex-Club in noch größere Nöte stürzen könnte, ist für ihn dagegen kein Thema. Drei Punkte sind „das Einzige, was mich interessiert“.

FC Schalke 04: Dass die Königsblauen in der vergangenen Saison Zweiter wurden, war eine große Überraschung. Dass sie ausgerechnet ein sehr junger und bis dahin weit gehend unbekannter Trainer dorthin führte, eine noch größere. Der aus Aichwald im Kreis Esslingen stammende Domenico Tedesco überzeugte durch eine pragmatische Spielweise und klare Ansagen. So scheute er zu Saisonbeginn nicht davor zurück, das Schalker Urgestein Benedikt Höwedes infrage zu stellen. Umso erstaunlicher war die Serie von fünf Niederlagen zu Beginn dieser Saison. „Der schwache Start hat uns nicht nur punktemäßig wehgetan“, sagt Tedesco vor dem Duell mit dem VfB. Dadurch seien auch „Leichtigkeit und Selbstvertrauen“ verloren gegangen. Der 33-Jährige ergänzt: „Mit der aktuellen Situation kann niemand bei uns zufrieden sein.“

Der Kader und die Neuzugänge

VfB Stuttgart: Der Stuttgarter Sportvorstand Michael Reschke hat für rund 30 Millionen Euro neue Spieler verpflichtet und auf jeder Positionen zwei Alternativen geschaffen – eine jugendliche und eine erfahrene. Auf dem Papier ein passender Mix, in der Realität hat bislang wenig zusammengepasst, weshalb Trainer Markus Weinzierl mit Blick auf die Rückrunde sagt: „Wir brauchen Neuzugänge.“ Von den Neuen aus dem Sommer steckt vor allem Gonzalo Castro im Dauertief, Daniel Didavi ist permanent angeschlagen, Pablo Maffeo und Borna Sosa fehlen oder fehlten lange Zeit verletzt – wie auch etablierte Kräfte wie Benjamin Pavard, Holger Badstuber, Anastasios Donis und Dennis Aogo. Einzig Nicolas Gonzalez hat sich einen Stammplatz erarbeitet, wartet aber noch auf sein erstes Tor. Einen starken Eindruck hinterließ nach überstandenem Muskelfaserriss zuletzt Marc Oliver Kempf.

FC Schalke 04: Manager Christian Heidel hat im Sommer über 50 Millionen für neue Spieler ausgegeben, doch wie beim VfB konnten diese noch nicht überzeugen. Warum? „Das lässt sich nicht pauschal sagen“, meint Tedesco, „jeder Spieler hat seine eigene Geschichte.“ Omar Mascarell, zum Beispiel, „wurde von Verletzungen zurückgeworfen“, auch Mark Uth „verletzte sich ausgerechnet in einer Phase, in der er richtig gut in Schwung kam“. Sebastian Rudy sei zudem spät dazu gekommen. Manager Heidel kündigte trotz dieser vermeintlich mildernden Umstände an, sich den Kader in der Winterpause noch einmal ganz genau anzuschauen: „Wir werden im Januar verändert an die Situation herangehen. Wir werden auch unsere Personalpolitik hinterfragen.“

Die Probleme in der Offensive

VfB Stuttgart: Elf erzielte Tore in 16 Spielen – ungefährlicher war kein Team bislang in dieser Saison. Dem VfB gelingen im Spiel nach vorne vor allem zwei Dinge überhaupt nicht: Tempo aufzunehmen und Mario Gomez in Szene zu setzen. Das liegt zum einen an den langen Zwangspausen von Anastasios Donis und Daniel Didavi, der eine ist schnell, der andere kreativ. Aber auch daran, dass der VfB bislang keinen Plan B für das Spiel nach vorne erkennen ließ. „Das ist ein generelles Problem der Mannschaft, dass wir mehr Dominanz brauchen, dann können wir auch gefährlich werden“, sagt Weinzierl, „da müssen wir uns definitiv steigern.“ Dank der Rückkehr einiger verletzter Spieler und Neuzugängen gerade in der Offensive soll das nach der Winterpause gelingen.

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FC Schalke 04: 17 Treffer haben die Schalker in dieser Saison bislang erzielt, nur drei Teams haben einen schlechteren Wert. Wie beim VfB liegt ein Grund dafür in den zahlreichen Blessuren der Spieler. „Natürlich ist das schon brutal“, sagt Tedesco zum Verletzungspech, „vor allem, weil es fast ausschließlich die Offensive trifft.“ Breel Embolo, Guido Burgstaller, Mark Uth, Franco di Santo, Amine Harit – alle fehlen derzeit. Doch der Coach will das nicht als Ausrede gelten lassen und sagt auch: „Uns fehlt nach vorne der letzte Punch. Unsere Chancenauswertung ist nicht so, wie wir uns das vorstellen.“ Auch bei Standardsituationen, „eigentlich eine Stärke von uns“, sei das Team zu ungefährlich. In der Rückrunde soll sich die personelle Lage in der Offensive entspannen.

Die spielerische (Nicht-)Entwicklung

VfB Stuttgart: Der Auftrag an Ex-Trainer Tayfun Korkut war klar: In der Rückrunde der vergangenen Saison stimmten die Ergebnisse, nun sollten Erlebnisse dazukommen. Doch eine spielerische Entwicklung war nicht zu erkennen, als die Ergebnisse ausblieben, agierte Korkut immer vorsichtiger und defensiver – was ihn nach der Niederlage in Hannover den Job kostete. Nachfolger Markus Weinzierl schwebt ein aggressiver und aktiver Spielstil vor, den zu etablieren ist eine Mammutaufgabe für die kommenden Wochen. Die Basis scheint aber vorhanden, da nach den ersten krachenden Niederlagen die Defensive zuletzt wieder stabiler agierte – ausgenommen von individuellen Fehlern wie beim 0:2 beim VfL Wolfsburg.

FC Schalke 04: Platz zwei sorgte für Glückseligkeit und die Hoffnung, dem erfolgreichen Fußball nun noch mehr Attraktivität zufügen zu können. Dass dies nicht klappte, hängt für Tedesco vor allem mit dem missratenen Saisonstart zusammen. „Wenn du so startest wie wir“, sagt er, „fehlen automatisch Lockerheit und Selbstvertrauen – was du gerade im Offensivspiel benötigst.“ Der Coach will weiter „mutig agieren“, nach dem schwachen Saisonbeginn ging es aber erst einmal um andere Dinge als um die spielerische Entwicklung. „Dann ist es vielleicht vernünftiger, erst mal wieder einen Schritt zurück zu gehen und sich auf die Basics zu konzentrieren“, sagte sich Tedesco seinerzeit.

Der Club und sein Umfeld

VfB Stuttgart: Im Falle von Tayfun Korkut waren die Verantwortlichen des VfB mit ihrer Geduld recht schnell am Ende, der frühere türkische Nationalspieler musste schon nach sieben Spieltagen dieser Saison gehen. Umso größer sind nun die Hoffnungen, die die sportliche Leitung in Markus Weinzierl setzt – auch deshalb, weil auf der Trainerposition endlich Kontinuität Einzug halten soll. Vor allem die Ultras des Commando Cannstatt kritisieren zuletzt zwar erneut die Vereinsführung um Präsident Wolfgang Dietrich, an lautstarker Unterstützung für die Mannschaft mangelte es – abgesehen vom bundesweiten Stimmungsboykott während der ersten Halbzeit des Spiel gegen den FC Augsburg – aber auch in dieser Saison nicht.

FC Schalke 04: Nach dem 1:2 gegen Bayer Leverkusen am Mittwoch wurden die Schalker Profis mit Pfiffen verabschiedet. Tedesco hat dafür Verständnis: „Wir haben in 16 Spielen 15 Punkte geholt. Da ist es doch völlig logisch, dass Kritik aufkommt.“ Sicher sein darf er sich der Unterstützung seiner Vorgesetzten. „Der Trainer steht nicht auf dem Prüfstand“, sagte am Freitag Manager Heidel. Tedesco ist froh darüber: „Ich spüre das Vertrauen des ganzen Clubs, nicht nur von Christian Heidel und Clemens Tönnies.“ Das tue „natürlich gut“. Nun will er zusammen mit der Mannschaft dieses Vertrauen zurückzahlen.