Angelo Stiller beim Eckstoß. Was beim VfB Stuttgart nur selten für Gefahr sorgt. Foto: Baumann
Der VfB Stuttgart holt die drittmeisten Ecken in der Fußball-Bundesliga heraus, erzielt daraus seit Saisonbeginn aber nur noch wenig Torgefahr. Was sagt Trainer Sebastian Hoeneß?
Gut 30 Minuten lang brannte der VfB Stuttgart in der Partie beim FC Augsburg (1:0) ein fußballerisches Feuerwerk ab. Das Spiel fand praktisch nur in der Hälfte der Gastgeber statt, denen die spielstarken Stuttgarter mit 80 Prozent Ballbesitz in allen Belangen überlegen waren. Was sich auch in der Eckballstatistik niederschlug: 5:0 hieß es nach einem Drittel der Spielzeit. Auf der Anzeigentafel stand aber auf beiden Seiten die Null. Was nicht nur, aber eben auch mit dem Thema Eckbälle zu tun hatte. Denn dort offenbart der Vizemeister viel Harmlosigkeit. Nicht nur in Augsburg, sondern genau genommen schon seit Monaten.
91 Mal traten die Schützen in Weiß und Rot im Verlauf der vergangenen 16 Bundesligaspiele den ruhenden Ball von der Eckfahne Richtung gegnerisches Tor. 61 Mal von links, 30 Mal von rechts. Im Schnitt 5,7 Mal pro Spiel. Ein hoher Wert. Nur der FC Bayern München und Bayer Leverkusen erarbeiteten sich mehr der aussichtsreichen Standardgelegenheiten. Heraus sprangen beim VfB im gesamten Saisonverlauf aber nur drei direkt verwandelte Tore.
Am ersten Spieltag in Freiburg (1:3), am dritten gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) sowie am vierten beim 5:1-Sieg gegen Borussia Dortmund. Danach riss die Serie – und hält auf verwunderliche Weise bis zum heutigen Tag an. Zigmal probiert, zigmal ist nichts passiert.
In der Winterpause wurde an Standards gearbeitet
Woran das liegt? Kann sich Sebastian Hoeneß vor dem bevorstehenden Duell mit RB Leipzig an diesem Mittwoch (20.30 Uhr) auch nicht vollumfänglich erklären. Der Trainer des VfB verweist auf andere Datensätze und die „zweite Welle“, also Tore, die nicht unmittelbar nach einem Eckstoß, sondern in deren weiterer Folge fielen. In der Statistik Ecken pro Tor steht der VfB im Ligavergleich mit Platz neun insgesamt solide da. Zehn Standardtore insgesamt bedeuten sogar Platz drei. Doch die letzten Treffer nach einem Eckball liegen eben schon lange zurück. Weshalb auch Hoeneß sagt: „Es ist wunderbar, wenn man mal wieder einen direkt verwandelt.“
Man könnte den 42-Jährigen ja als fußballerischen Schöngeist abtun. Als Trainer, dem das präzise Spiel mit Ball und gekonnte Stafetten mehr am Herzen liegen als schnöde Standards. Auf den ersten Blick mag das stimmen, in Summe greift es aber zu kurz. Hoeneß ist sich der Thematik ungeachtet aller Statistiken durchaus bewusst: „Das ist ein wichtiger Faktor fürs Spiel, keine Frage.“ Und der Stuttgarter Coach beteuert: „Wir beschäftigen uns intensiv damit.“ In weiten Teilen der Hinrunde habe man durch die Dauerbelastung des Spielbetriebs allerdings „nicht die Zeiträume“ für gezieltes Spezialtraining gehabt.
Hoeneß: „Wir beschäftigen uns intensiv damit“
In der Winterpause wurde dafür nachgearbeitet und noch einmal intensiver an Eckball- und Freistoßvarianten gearbeitet. In Assistenztrainer Malik Fathi beschäftigt der Club eigens einen Spezialisten für Standardsituationen. Schließlich weiß man auch im Trainerteam des VfB: Im Zweifel ist der Weg des Balles von der Eckfahne ins gegnerische Tor kurz. Und das Prinzip einfach: Ecke-Kopfball-Tor. Was auch Joachim Löws Team 2014 erkannt hat. Statt die Schönheit des Spiels über alles zu stellen, befassten sich die Fachmänner vor der WM intensiv mit dem Thema Eckball- und Freistoßvarianten. Sechs Standardtore im Turnierverlauf brachten Deutschland schließlich den WM-Titel.
Ecke-Kopfball-Tor: Eigentlich ist es ganz einfach. Nicht so aktuell beim VfB. Foto: Baumann
Doch zurück zum VfB, dem man in Augsburg eines nicht nachsagen konnte: Dass er vom Eckpunkt nicht alles probiert hat. Verschiedene einstudierte Varianten waren durchaus erkennbar. Kurze Ecke, lange Ecke, erster Pfosten, zweiter Pfosten. Enzo Millot drosch den Ball einmal sogar direkt aufs Tor. Manch missratener Versuch auf Kniehöhe bei insgesamt neun Versuchen war auch darunter. Das Ergebnis stets dasselbe: wenig bis keine Torgefahr.
Was daraus folgt? Wird sich vielleicht schon an diesem Mittwoch gegen RB Leipzig weisen. Zum Hinrundenabschluss bietet sich den Kickern mit dem Brustring die nächste Chance, die vermaledeite Serie zu brechen. „Gerne können wir am Mittwoch wieder ein Standardtor machen, um den Eindruck zu widerlegen“, sagt Hoeneß.
Hoffnung besteht: Das Verteidigen gegnerischer Ecken zählt nicht zu den Stärken der Sachsen.