An diesem Sonntag kommt Trainer Christian Streich mit dem SC Freiburg zum Gastspiel nach Stuttgart – dorthin also, wo er sich einst als Profi bei den Kickers nicht wohl fühlte. Warum diese Zeit dennoch charakterprägend war – auch das gehört zu Streichs vielen Facetten.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart/Freiburg - Christian Streich und Stuttgart, das war irgendwie nix. 20 Jahre jung war der Mann vom Dorf damals im Sommer 1985, als er als Profi zu den Kickers in die zweite Liga ging. Stuttgart war groß für Streich, aufgewachsen im 2000-Seelen-Dorf Eimeldingen im südbadischen Landkreis Lörrach – zu groß. „In der hektischen Großstadt habe ich mich nicht wohlgefühlt“, sagte Streich (53) kürzlich in einem Interview – und was bei anderen nicht mehr als ein normaler, ehrlicher Satz über die Zeit von anno dazumal gewesen wäre, wurde bei Streich mal wieder groß gemacht.

 

Der sagt, was er denkt, der ist, wie er ist, der liebt seine Heimat, wo er, wenn die Mikros und Kameras aus sind, noch breiteren alemannischen Dialekt als ohnehin schon redet: Stimmt ja auch alles – wird aber eben aufgrund von Streichs Kultstatus bisweilen auch überhöht. Und meist ist es ja auch so: Selbst wenn Streich über das Wetter redet, dann hören ihm die Leute gerne zu. Wenn Streich sagt, dass morgen die Sonne scheint und es übermorgen schon wieder regnen kann, dann ist das in der öffentlichen Wahrnehmung nicht weniger als der nächste philosophische Ansatz, den Streich aus Freiburg in die Republik hinaus spricht. Und gerne heißt es dann, dass dieser hochgebildete Streich ja über alles Bescheid weiß. Sogar über die Sonne und den Regen.

Der Freiburg-Coach bleibt sich stets treu

Warum das alles so herrlich überhöht wird und wirkt? Weil Streich vielleicht das Original der Bundesliga schlechthin ist. Weil er immer ganz bei sich bleibt. Weil er halt so ist, wie er ist. Weil er so spricht, wie er sich gerade fühlt. Und genau deshalb so gut ankommt. Authentisch nennt man das auf Neudeutsch.

Der drollige alemannische Dialekt und die ungekünstelte, kauzige Art sind dabei ja das eine – der breite Horizont, der nicht an der Seitenlinie endet, ist das andere. Streich, der Metzgerssohn, lernte schon im Geschäft der Eltern fürs Leben. Dort, wo die Wurst über den Tresen ging, bekam Streich, wenn man so will, die ersten Happen Fleisch an seine Bildung dran. Weil er in der Metzgerei die verschiedensten Menschenprägungen mitbekam und alles aufsaugte.

Klappe halten? Nicht Streichs Ding

Später studierte Streich Germanistik, Geschichte und Sport auf Lehramt. Er wohnte in einer WG und wurde vor knapp 30 Jahren in der Freiburger Studentenszene als politisch denkender Mensch geprägt. Klappehalten ging nicht. Man hatte eine politische Meinung. Und die äußerte man auch. Und so macht Streich es heute noch, nicht mehr und nicht weniger. „Ich würde die Fragen auch so beantworten, wenn sie mir beim Einkaufen oder im Café gestellt worden wären“, sagte er dazu mal. „Warum soll ich sie dann nicht beantworten, wenn sie von einem Journalisten kommen?“ Also redet dieser Streich, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und wenn er mal keine Lust darauf hat, alles von sich preiszugeben, dann kommt halt nix oder wenig dabei herum – ob an der Supermarktkasse oder bei Pressekonferenzen. Nimmt ihm dann aber auch keiner mehr krumm. Denn Streich ist Streich. Und damit ein Original.