Erster gegen Letzter, Absteiger gegen Aufsteiger, da konnte eigentlich nichts schief gehen. Doch im Fußball kommt es eben manches Mal anders, als man denkt.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Länderspielpausen standen beim VfB Stuttgart selten unter einem guten Stern. Zu Bundesligazeiten patzte die Mannschaft gerne dann, wenn eine zweiwöchige Spielpause anstand. Was die Niederlage umso schwerer verdaulich macht. Auch jetzt kommen wieder die Nationalspieler zusammen, die Mannen in Weiß und Rot sind erst am 20. Oktober gegen Holstein Kiel wieder am Ball. Und plagen sich bis dahin mit einem ziemlichen Völlegefühl über den Trainingsplatz.

 

1:2 gegen den SV Wehen-Wiesbaden. Als Tabellenführer zu Hause gegen den bis dahin Letzten verloren. Da lindert auch nicht der Umstand das Unwohlsein, dass es sich um die erste Saisonniederlage in der Zweiten Fußball-Bundesliga handelt, die rein tabellarisch nicht viel anrichtet. Komplett bedient waren die Stuttgarter, allen voran Trainer Tim Walter: „Heute war ein richtiger Scheißtag. So etwas gibt es manchmal.“

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Dabei hatte Walter seine Mannen gewarnt. Vor der „Galligkeit und Griffigkeit“ des Aufsteigers. Und vor Manuel Schäffler, dem besten Torschützen. Doch richtig zugehört hatte offenbar niemand. Anders lässt sich die Anfangsphase nicht erklären. 3. Minute: Nach einem langen Ball räumt Schäffler Atakan Karazor und Marc Oliver Kempf zur Seite und trifft zur Führung. Es war die berühmte kalte Dusche an einem feuchten Herbstabend, die den VfB aber nur kurz wachrüttelte. Hamadi Al Ghaddioui traf mit der ersten Chance aus der Drehung zum Ausgleich (11.).

Wer dachte, der Tabellenführer hätte seinen kleinen Betriebsunfall schnell repariert, sah sich eines Besseren belehrt. Weil sich keine sieben Minuten später die nächste Fehlerkette aufbaute. Borna Sosa leistete sich am Strafraum einen üblen Abspielfehler, Schäffler spritzte dazwischen, zog ab – durch die Beine von Gregor Kobel flutschte die Kugel zur erneuten Führung ins Tor (18.). „Wir haben uns die Tore ein Stück weit selbst eingeschenkt“, klagte der Torhüter.

Es war reichlich was geboten in der Anfangsphase. In der Walter auch noch früh zum Wechseln gezwungen wurde. Daniel Didavi zog sich eine Wadenverletzung zu, Orel Mangala ersetzte ihn. Der Mittelfeldspieler konnte seiner Mannschaft aber nicht die Impulse geben, die gegen das mit einer doppelten Verteidigungslinie angetretene Schlusslicht nötig gewesen wäre. Der Tabellenführer agierte behäbig, langsam im Kopf wie in den Beinen, ohne Kreativität im Spiel nach vorn. Oder wie Sportdirektor Sven Mislintat sagte: „Wir waren nicht scharf.“

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Zudem leistete sich die Mannschaft immer wieder haarsträubende Abwehrfehler, die nach zwei Spielen ohne Gegentor eigentlich überwunden schienen. Am Freitagabend konnte der VfB hingegen froh sein, nur mit 1:2 (und unter Pfiffen des Publikums) in die Pause zu marschieren.

Mit Wut im Bauch kehrte die Elf zurück. Und rückte in den zweiten 45 Minuten den schlechten Eindruck wenigstens ein Stück weit zurecht. Der VfB kam zu Chancen. Und das nicht zu knapp. Philipp Förster und Mario Gomez trafen jeweils nur den Pfosten. Plötzlich ging es nur noch in eine Richtung. Höhepunkt des Chancenwucher gegen am Ende dezimierte Gäste (Daniel-Kofi Kyereh sah nach grobem Foul Rot/77.): Eine Minute vor Abpfiff traf Mangala den Pfosten, anschließend klärten nacheinander zwei Wiesbadener auf der Torlinie. Wenig zuvor hatte Roberto Massimo statt ins Tor in die Beine von Mitspieler Al Ghaddioui geschossen, der klärte – es waren teils bizarre Szenen, die sich vor dem Tor von Wiesbadens Torhüter Heinz Lindner abspielten. Der auch noch einen überragenden Tag erwischte.

85 Prozent Ballbesitz, 30:6 Torschüsse

So stand am Ende die kaum fassbare Bilanz von 85 Prozent Ballbesitz und 30 zu sechs Torschüssen. Aber in der Ergebnisspalte ein 1:2, was angesichts des Duells Absteiger gegen Aufsteiger genauso unglaublich anmutet. „Wir hätten noch ewig weiterspielen können und hätten kein Tor geschossen“, befand Walter am Ende fatalistisch. Für die VfB-Fans bleibt nur zu hoffen, dass er mit seiner Einschätzung recht behält: „Das war ein Ausrutscher.“