Der VfB Stuttgart sagt „Nein“ zum Maßnahmenkatalog „Sicheres Stadionerlebnis“, den eine DFL-Kommission ausgearbeitet hat. Darin waren neben dialogorientierten Vorschlägen auch deutlich repressivere Maßnahmen vorgesehen.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Die Nachricht aus Stuttgart, die am Montag bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt einging, ist eindeutig: Der VfB Stuttgart sagt „Nein“ zum Maßnahmenkatalog „Sicheres Stadionerlebnis“, den eine DFL-Kommission ausgearbeitet hat. Man sei sich zwar im Ziel einig, den Stadionbesuch noch sicherer zu machen, sagt der VfB-Präsident Gerd Mäuser, aber nicht mit dem Weg.

 

In dem Konzept sind neben dialogorientierten Vorschlägen auch deutlich repressivere Maßnahmen vorgesehen – von längeren Stadionverboten über Einschränkungen beim Ticketverkauf für Auswärtsspiele bis hin zu Ganzkörperkontrollen. In der Fanszene hat das Papier für entsprechend viel Unmut gesorgt. Dort fürchtet man um die Fankultur und klagt, dass der Druck schon jetzt hoch sei. Auch der Fanausschuss des VfB Stuttgart, in dem gewählte Vertreter der verschiedenen Gruppierungen sitzen, hat den Katalog in aller Deutlichkeit abgelehnt. Neben Fragen der Verhältnismäßigkeit und rechtlichen Bedenken – die Arbeitsgemeinschaft Fan-anwälte etwa hält den Katalog laut einer Stellungnahme von gestern in „weiten Teilen für rechtswidrig“ – stößt den Fanvertretern sauer auf, dass sie einmal mehr nicht an der Diskussion beteiligt gewesen sind.

Geburtsfehler des Kataloges

Gerd Mäuser sagt zu diesem Geburtsfehler des Kataloges, dass dies nun dringend nachgeholt werden müsse. Allerdings nur indirekt: Der VfB hat der DFL vorgeschlagen, eine zweite Kommission zu bilden, in der Fanbeauftragte der Vereine sitzen, die ihrerseits ein Papier ausarbeiten. Dann müsse man schauen, ob man aus zwei Konzepten eines machen könne, mit dem „beide Seiten leben können“, sagt Mäuser. Die Fanszene dürfte der Vorschlag, so er denn umgesetzt wird, wohl nur bedingt befrieden: denn die Anhänger fordern, dass Vertreter der Kurven direkt in die Diskussion einbezogen werden, also etwa in Form der Fanorganisationen „Unsere Kurve“ oder „Pro Fans“. Der VfB-Präsident fordert derweil neben einer Verhältnismäßigkeit auch, dass man sich Zeit nehmen müsse, die man eben brauche, um zu einer Lösung zu kommen. Ursprünglich sollte das Konzept am 12. Dezember beschlossen werden.

Gleich 14 Vereine, darunter auch so gewichtige Vertreter wie eben der VfB, der Hamburger SV, Nürnberg und Eintracht Frankfurt, lehnen das Konzept ab. Ihre Zustimmung zu dem Katalog haben gegenüber der DFL laut „Bild“ nur Bayern München, Schalke 04, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, der SC Freiburg und der FSV Frankfurt signalisiert. Der DFL-Präsident Reinhard Rauball hatte zuvor gefordert, dass es größtmögliche Einigkeit geben solle. Die gibt es aber nicht. Die DFL hat als Reaktion nun in einem Schreiben an alle 36 Proficlubs unter anderem ein Treffen mit den Fan- und Sicherheitsbeauftragten der Vereine angeboten.

Law-and-Order und Laissez-faire

Die DFL befindet sich in einer schwierigen Situation. Irgendwo zwischen Law-and-Order und Laissez-faire. Teile der Politik fordern nach öffentlichkeitswirksamen Vorfällen wie erst am Wochenende in Dortmund endlich ein repressiveres Vorgehen, die DFL selbst sieht auch die Probleme – wenngleich nicht in dem großen Maße wie die Politik. Sie will aber auch Schaden von ihrem Hochglanzprodukt abwenden – und der droht, wenn Einzelfälle zu dem Gefühl führen, dass die Stadien unsicher sind. Unter Hochdruck sollte eine Lösung her – mit dem Ergebnis, dass das ohnehin stark angespannte Verhältnis zwischen der aktiven Fanszene und den Verbänden noch einmal massiv verschlechtert wurde.

Zu Wort gemeldet hat sich gestern auch Helmut Spahn. Der war bis 2011 Sicherheitsbeauftragter des DFB und sagt: „Die Situation ist bei weitem nicht so dramatisch, wie sie wahrgenommen wird. Man muss es mal so deutlich sagen: Es unterhalten sich teilweise Personen über Themen wie Pyrotechnik, Gewalt, Stadionverbote oder Sicherheitsrichtlinien, die von der Materie null Komma null Ahnung haben“, sagte er dem Magazin „11 Freunde“.

Die große Aufmerksamkeit führe aus seiner Sicht, befeuert von Effekthascherei, zu einer verzerrten Wahrnehmung. Laut Statistik wurden bei Spielen der ersten und zweiten Liga 2010/2011 exakt 846 Personen verletzt – bei 17,5 Millionen Besuchern.