Der Aufsichtsrat Hansi Müller hat mit einem Fernsehauftritt mächtig Ärger beim VfB Stuttgart verursacht. Nun droht sogar die Trennung von dem langjährigen Spieler.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Diesen Arbeitstag hatte sich Robin Dutt ganz anders vorgestellt. Einfacher, harmonischer. Obwohl der Sportvorstand des VfB Stuttgart ja wusste, dass er mit Schmerzen beginnen würde. Dutt hatte am Dienstagvormittag einen Zahnarzttermin. Anschließend kam kurzfristig noch ein Geschäftstermin dazu, der den Tagesablauf durcheinanderwirbelte. Doch die wirklich schlechte Nachricht traf den 50-jährigen Manager dazwischen – und völlig unvermittelt. Zumal sie aus dem eigenen Lager kam. Denn das VfB-Aufsichtsratsmitglied Hansi Müller hatte beim österreichischen Sender Servus TV gesagt, was er besser nicht hätte sagen sollen.

 

„Der Alexander Zorniger wird in der neuen Saison den VfB trainieren“, meinte Müller in der Sendung „Sport und Talk aus dem Hangar 7“. Dieser Satz entwickelte im Clubhaus unterm roten Dach in der Stuttgarter Mercedesstraße innerhalb kürzester Zeit so viel Wucht, dass ein Krisengespräch dem nächsten folgte und die Telefone zwischen den Vereinsgranden heißliefen.

Was um Himmels Willen hatte den früheren VfB-Profi geritten, so etwas zu behaupten? Dutt, der seinen immensen Ärger öffentlich weitestgehend unterdrückte, sah sich jedenfalls dazu genötigt, eine Erklärung abzugeben: „Wir haben mit keinem Trainer über die laufende Saison hinaus einen Vertrag geschlossen.“

Manager Dutt ist verärgert

Das ist die Faktenlage beim VfB, und was die Sache für Müller so heikel macht, ist der Umstand, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat sich in der Trainerfrage absolute Zurückhaltung auferlegt hatten. Weder der Präsident Bernd Wahler noch die Herren A,B oder C sollten sich zu den sportlichen Belangen äußern. Alles sollte dem Klassenverbleib untergeordnet werden – mit einer Geschlossenheit, die sich in den heißen Wochen des Abstiegskampfes durch nichts auseinanderreißen lässt und den Coach Huub Stevens in seinen Bemühungen stärkt.

Das war die Strategie. Theoretisch. Praktisch hat Müller mit seinen Aussagen nicht nur bei Dutt Kopfschütteln ausgelöst. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Schmidt war zunächst überrascht, als er am Morgen von Müllers Alleingang erfuhr, und dann verärgert über das Fehlverhalten seines medienerfahrenen Funktionärskollegen. „Solche Spekulationen sind kontraproduktiv und entsprechen nicht unserem Selbstverständnis“, sagt Schmidt. Das ist Hansi Müller sowohl vom Aufsichtsratschef als auch vom Manager noch einmal in aller Deutlichkeit mitgeteilt worden.

Müller kann nicht geschasst werden

Offen bleibt, ob sein Fernsehauftritt, über den der VfB nicht Bescheid wusste, für den 57-jährigen Ex-Nationalspieler Folgen nach sich zieht. Rein formal hat weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat die Möglichkeit, Müller des Amtes zu entheben. Das ist eine Angelegenheit für die Mitgliederversammlung und bedürfte im nächsten Herbst einer Dreiviertelmehrheit. Oder Müller müsste zurücktreten beziehungsweise nach einer Schamfrist zum Rücktritt bewegt werden.

Klar ist allerdings, dass sich Hansi Müller, der den Verein seit vielen Jahren repräsentiert, ins Abseits gestellt hat. Müller gilt seit seiner aktiven Zeit zwischen 1975 und 1982 auf dem Wasen als ein Gesicht des VfB – und ist jetzt nicht mehr vertrauenswürdig. „Bisher war alles in Ordnung. Es gab einen konstruktiven Austausch“, sagt Dutt über sein Verhältnis zu Müller und den anderen fünf Aufsichtsratsmitgliedern. Nun wird Dutt den inneren Zirkel noch enger halten, weil es zuletzt immer wieder Indiskretionen gab. Vertrauen setzt Dutt deshalb vor allem in Stevens: „Huub und ich haben ein sehr enges Verhältnis und ich bin sehr froh, dass auch er sich von äußeren Einflüssen nicht aus dem Konzept bringen lässt.“ Äußeren Einflüssen wie jenem, dass Müller in Servus TV auch erklärt hatte, „aus Respekt gegenüber Huub Stevens“ müsse das Trainerthema beim VfB beiseite geschoben werden – eine Absprache, die vor allem Müller selbst allzu sehr vergessen hat.

Allerdings will sich auch der Sportvorstand Dutt nicht zu lange mit dem Störfeuer aus den eigenen Reihen befassen. Und am liebsten weiter in Ruhe den VfB auf die Zukunft vorbereiten. Damit sich das Team nach den Trainerdiskussionen um eine vorzeitige Ablösung von Stevens vor wenigen Wochen möglichst ungestört auf die verbleibenden vier Spiele in der Bundesliga konzentrieren kann. Denn am Samstag geht es nach Schalke.