Mit seiner Roten Karte ist der Stuttgarter Vedad Ibisevic beim 1:4 gegen Augsburg aus der Rolle gefallen. Das ist nur ein Beleg dafür, dass beim VfB Stuttgart gerade sehr vieles aus dem Ruder läuft.

Stuttgart - Der Sünder will auch am Tag danach nicht sprechen. Vedad Ibisevic verabschiedet sich nach dem Auslaufen so wortlos, wie er auch am Sonntag nach seinem Platzverweis beim 1:4 gegen Augsburg das Stuttgarter Stadion verlassen hat. Was sollte er auch sagen? Die Bilder von seinem Schlag ins Gesicht des Gegenspielers Jan-Ingwer Callsen-Bracker sind eindeutig – und belegen, dass nun auch der erfahrene Ibisevic dabei ist, im Abstiegskampf völlig die Nerven zu verlieren.

 

Ausgiebig spricht dafür Thomas Schneider über seinen Stürmer, den er im Wintertrainingslager in Südafrika zum stellvertretenden Kapitän ernannt hat. Ibisevic habe „Vorbildfunktion“, er sei „als Führungsspieler wahnsinnig wichtig“, sagt der VfB-Trainer; daher sei sein Fehlverhalten „nicht zu entschuldigen“. Eine „deftige Geldstrafe“ werde der Bosnier bekommen, sie soll bei 20 000 Euro liegen.

Sechster Platzverweis in seiner Karriere

Noch viel schwerer aber wiegt, dass der mit zehn Saisontreffern beste Torschütze fünf Spiele zuschauen muss. Mit dieser drakonischen Strafe belegte das DFB-Sportgericht den Wiederholungstäter, der im Laufe seiner Profikarriere bereits sechsmal mit einer glatten Roten Karte vom Platz geflogen ist. Der VfB nahm das Urteil an.

Ibisevic’ Tätlichkeit mag töricht und unentschuldbar gewesen sein – das größte Problem des VfB jedoch ist diese Personalie nicht. Vielmehr illustrierte der Platzverweis eindrucksvoll, dass bei den Stuttgartern gerade sehr vieles aus dem Ruder läuft. Wer die Mannschaft beim Debakel gegen Augsburg von der 35. Minute an hat spielen sehen, kann sich nicht vorstellen, dass es in der Bundesliga drei Teams geben soll, die noch schlechter sind. „Wir sind nach dem 0:1-Rückstand komplett auseinander gefallen“, sagt Schneider und mag kaum glauben, was er da miterleben musste: „Wir haben uns selbst zerschossen.“

Tiefe Gräben innerhalb der Mannschaft

Die stümperhaften Fehler in der Abwehr und die Unzulänglichkeiten im Spiel nach vorne sind das eine. Ebenso bedenklich aber stimmt, dass die Mannschaft nicht als solche aufgetreten ist. Nicht nur der lächerliche Richtungsstreit zwischen Sven Ulreich und Moritz Leitner über die Ausführung eines Abschlags hatte Kreisliganiveau und zeigt: innerhalb der Mannschaft tun sich offensichtlich einige Gräben auf. Leitner ist mit seiner nassforschen Art eine Reizfigur. Mit ihm war unter der Woche auch Martin Harnik aneinandergeraten, der gegen Augsburg nur auf der Tribüne saß.

Interne Reibereien im Training, sagt Schneider, seien durchaus erwünscht. Im Spiel jedoch sind sie ein Alarmsignal – und für den Trainer der Beleg dafür, dass seine Spieler „noch keine Topprofis“ seien. Gute Spieler diskutieren und lamentieren nicht auf dem Platz, weil das für den Gegner ein Zeichen der Schwäche ist. „Es funktioniert nur als Mannschaft“, sagt Schneider, „wir müssen daher enger zusammenrücken.“

„Jetzt kommen Spiele in Extremsituationen“

Sehr fraglich allerdings, ob ein gemeinsamer Mannschaftsabend mit offener Aussprache die vielen Probleme lösen kann. Die Situation spitzt sich mit jeder Niederlage weiter zu – für Schneider und die vielen jungen Spieler, die ebenso wie ihr Trainer keinerlei Erfahrung im Abstiegskampf besitzen. „Der Druck baut sich auf, es kommen jetzt Spiele in Extremsituationen“, sagt Schneider – und rätselt, ob er künftig wieder lieber „den einen oder anderen erfahrenen Spieler“ ins Gefecht schicken soll. Allerdings ist William Kvist verliehen; und neben Martin Harnik hat der Trainer gegen Augsburg auch den Abwehrspieler Georg Niedermeier auf die Tribüne verbannt. „Er wird jetzt sauer sein – und das ist auch sein gutes Recht“, sagt Schneider.

Eine erste Sofortmaßnahme ist bereits getroffen worden. Den trainingsfreien Tag in dieser Woche hat der VfB-Trainer ersatzlos gestrichen.