VfB Stuttgart im Abstiegskampf Die neue Realität heißt Relegation
Für den VfB Stuttgart ist der 16. Tabellenplatz plötzlich das Maß der Dinge – lesen Sie hier, warum mehr nach dem 1:1 gegen den VfL Wolfsburg nicht mehr möglich erscheint.
Für den VfB Stuttgart ist der 16. Tabellenplatz plötzlich das Maß der Dinge – lesen Sie hier, warum mehr nach dem 1:1 gegen den VfL Wolfsburg nicht mehr möglich erscheint.
Die Erinnerung an den 27. Mai 2019 schmerzt die Fans des VfB Stuttgart noch immer. Ein Montagabend in Berlin-Köpenick. Der Fußball-Bundesligist kommt im Stadion an der Alten Försterei gegen den 1. FC Union nicht über ein 0:0 hinaus – und beweist, dass man selbst ohne Niederlage (das Hinspiel endete 2:2) in den Entscheidungsspielen gegen den Zweitligadritten zum Saisonende als der große Verlierer dastehen kann. Als Absteiger mit einer erfahrenen Mannschaft, der ständig mehr Qualität zugeschrieben wurde.
Drei Jahre später könnte sich der Albtraum für den VfB wiederholen. Diesmal nur mit einem jungen Team, dem großes Potenzial bescheinigt wird. Die Relegation droht. Oder müsste man es nach dem 1:1 gegen den VfL Wolfsburg gar anders formulieren? Den Stuttgartern winkt eine letzte Chance, den Klassenverbleib zu sichern. „Das, was wir in der Hand haben, ist die Relegation“, sagt der Trainer Pellegrino Matarazzo.
In der momentanen Verfassung scheinen die mit dem anfangs ungeliebten 16. Tabellenplatz verbundenen Zusatzpartien für den VfB kein Reizwort mehr zu sein, sondern das neue Maß der Dinge. „Es ist unsere Zielsetzung, das abzusichern“, sagt der Sportdirektor Sven Mislintat. Zwar hat sich die Konstellation nach dem 32. Spieltag nicht verändert, da sich sich die Konkurrenten Arminia Bielefeld und Hertha BSC ebenfalls 1:1 trennten, doch die Befürchtung, von den Bielefeldern noch überholt zu werden, sie vergrößert sich – und die Hoffnung, die Berliner vom rettenden Rang zu verdrängen, sie schwindet.
Dem VfB mangelt es an Mut, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit, um Spiele zu gewinnen. Angst ist bei vielen Pässen und Aktionen zu spüren. Der Fuß zittert, wenn der Ball scharf und präzise in einen gewinnbringenden Raum gespielt werden soll. Die Knie schlottern, wenn sich die Möglichkeit auftut, sich Mann gegen Mann durchzusetzen, um eine verheißungsvolle Situation zu schaffen.
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„Wir haben Zeit gebraucht, um mutiger und zielstrebiger zu werden. Was unsere Höhe und die Positionierung auf dem Platz betrifft, ebenso was den ersten Kontakt im Vorwärtsgang und die tiefen Laufwege angeht“, sagt Matarazzo. Das sind Merkmale des Stuttgarter Spiels, die im März noch vorhanden waren. Im April sind sie allerdings nur in Ansätzen zu erkennen gewesen, und im Mai sollten sie das Tun der VfB-Elf wieder kennzeichnen, um Tore zu erzielen.
Wie beim späten Ausgleichstreffer gegen die Wolfsburger durch Chris Führich (89.). Der eingewechselte Enzo Millot bewies bei der Vorarbeit, dass er über einen feinen linken Fuß verfügt. Der ebenfalls eingewechselte Führich zeigte, dass er das Spielgerät – nach vergebenen Großchancen in den Partien zuvor – doch sicher im gegnerischen Tor unterbringen kann. „Die Wechsel haben etwas bewirkt“, sagt Matarazzo.
Andere Trainermaßnahmen greifen jedoch nicht. Das zieht sich schon die Saison über durch, weshalb die Kritik an Matarazzo und der Bilanz unter seiner Verantwortung zunimmt. Auf fünf Heimsiege bringt es der VfB bei vier Unentschieden und sieben Niederlagen nur. Dabei sollten die Auftritte in der Mercedes-Benz-Arena die Basis für den Erstligaverbleib bilden. Und: Die Rückrunde verläuft mit bislang zwölf Zählern schwach. Trotz verkürzter Ausfallliste. Nur Hertha BSC (12/schlechtere Tordifferenz als der VfB) und Arminia Bielefeld (11) stehen in diesem Ranking hinter den Stuttgartern.
Doch die Zeit für die große Saisonanalyse ist beim VfB noch nicht angebrochen. Um vorwärtszukommen, versuchte es Matarazzo gegen die Niedersachsen mit frischem Personal: Die zuletzt schwächelnden Orel Mangala und Chris Führich saßen auf der Ersatzbank, Pascal Stenzel fehlte verletzungsbedingt. Dafür rückten Atakan Karazor, Omar Marmoush und Erik Thommy im Vergleich zur Vorwoche in die Startformation. Der durchschlagende Effekt blieb jedoch aus.
Wieder hieß es, einem frühen Rückstand hinterherzulaufen. John Anthony Brooks traf per Kopf (13.). „Wie eine Woche zuvor in Berlin haben wir dadurch dem Gegner extrem in die Karten gespielt“, sagt Mislintat. Die Wolfsburger hatten lange die Kontrolle. Ohne jedoch an ihre Leistungsgrenze gehen zu müssen. Denn die Stuttgarter weichen zurück, wenn sie attackieren sollen. Ein Problem, das die mangelnde Selbstsicherheit dokumentiert. Ausgerechnet jetzt geht es zum FC Bayern. Die weiße Flagge will der VfB in München dennoch nicht hissen. „Es liegt auch an uns, konkurrenzfähig zu sein. Unsere Leistung entscheidet, ob wir punkten können oder nicht“, sagt Matarazzo zur bitteren Realität, die da lautet: Relegation sichern.