Rund um den VfB Stuttgart dreht sich alles um die Relegation. Dabei ist vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg Platz 16 noch längst nicht in trockenen Tüchern. Die Vergangenheit liefert mahnende Beispiele.

Stuttgart - So viel Eintönigkeit war selten. Seit dem 16. Spieltag Mitte Dezemberg verharrt der VfB Stuttgart auf dem drittletzten Tabellenplatz der Fußball-Bundesliga. Kein Wunder, dass sich seit geraumer Zeit fast alles nur noch um die Relegation dreht. Die Fans studieren Woche für Woche die Spitzengruppe der zweiten Liga, Trainer Nico Willig hat den „Relegations-Pokal“ ausgerufen und der Verein teilt seinen Dauerkarteninhabern bereits die Freischaltung für das mögliche 18. Heimspiel mit.

 

Nach Lage der Dinge dürfte es auch so kommen. Fünf Punkte Vorsprung zwei Spieltage vor Schluss – was soll da schon passieren?

Nun, der Fußball schreibt bekanntlich seine eigene Geschichten. Der VfB ist selbst ein gebranntes Kind. Der letzte Abstieg 2016 erschien bei zehn Punkten Vorsprung neun Spieltage vor Schluss als undenkbar. Bis der Negativlauf einsetzte, kein Ende nahm und der VfB bis auf Platz 17 durchgereicht wurde.

Wie die Prognose der Lottozahlen

Weitere Beispiele gefällig? In der Saison 2014/15 bejubelte der SC Freiburg am vorletzten Spieltag einen 2:1-Sieg gegen Bayern München und Platz 14. Eine Woche später nach einer unglücklichen 1:2-Niederlage in Hannover stieg der Sportclub ab. Die Konkurrenz hatte allesamt dreifach gepunktet. „Grotesk“, befand Trainer Christian Streich und brach in Tränen aus.

Spiele auf der Zielgeraden einer Saison vorherzusagen, kommt der Prognose der Lottozahlen gleich, wie auch die Saison 2012/13 eindrucksvoll bewies. Fortuna Düsseldorf hatte es sich nach 22 Spieltagen und einem Polster von zwölf Punkten auf die Abstiegsränge gemütlich eingerichtet, als die abgeschlagene TSG Hoffenheim das Feld plötzlich von hinten aufrollte. Durch zwei Elfmetertore in der Schlussviertelstunde des letzten Spieltags in Dortmund retteten sich die Kraichgauer gerade noch so in die Relegation – Düsseldorf war weg.

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Oder Eintracht Frankfurt 2010/11. Sieben Zähler lagen nach 30 Spieltagen zwischen der von Christoph Daum betreuten Mannschaft und der roten Zone, ehe Borussia Mönchengladbach ungeahnte Kräfte freisetzte und die Eintracht noch überholte. Aus der bis heute größten Fallhöhe stürzte der 1. FC Nürnberg im legendären Abstiegsfinale 1998/99 (mit Eintracht Frankfurt und Jan Age Fjörtoft) ab. Von Platz zwölf auf 17 am letzten Spieltag – wegen eines Tores! Und als ob dies nicht genug wäre, gibt es für den VfB auch noch den Lokalrivalen Stuttgarter Kickers als mahnendes Beispiel. Dem damaligen Drittligisten gelang 2016 das Kunststück, an den letzten beiden Spieltagen sechs Punkte auf zwei Konkurrenten zu verspielen und in die Regionalliga abzusteigen.

Fünf Zähler Vorsprung sind es jetzt beim VfB. Weshalb die Mannschaft von Nico Willig vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg (Samstag, 15.30 Uhr) mit einem hoch motivierten Bruno Labbadia auf der Trainerbank gewarnt sein müsste. Vor den Nürnbergern, die mit zwei Siegen in den abschließenden Spielen noch am VfB vorbeiziehen könnten. Gegen das schwächelnde Borussia Mönchengladbach und am letzten Spieltag beim aller Sorgen ledigen SC Freiburg liegen sechs Punkte zumindest im vorstellbaren Bereich. Dem VfB würde dann selbst ein Unentschieden aus den beiden Duellen gegen Wolfsburg und beim FC Schalke nicht für Platz 16 reichen. Nürnberg hat die bessere Tordifferenz.

Nürnberg und Hannover geben nicht auf

Der Club, auf Grund einiger dämlicher Abstiege in der Vergangenheit von den eigenen Fans als Depp verspöttelt, könnte den VfB am Ende selbst blöd aussehen lassen. „Wir sind noch im Rennen“, kündigt Trainer Boris Schommers forsch an. Der Aufsteiger hat nichts mehr zu verlieren, Aufgeben ist keine Option. „Normalerweise hat man mit der Punktezahl keine Chance mehr,“ sagt Kapitän Hanno Behrens. Aber: „Wir brauchen zwei Siege und hoffen, dass Stuttgart Federn lässt.“

Selbst Hannover 96, gefühlt seit einem halben Jahr weg vom Fenster, hat in diesem bizarren Kampf gegen den Abstieg noch rechnerische Chancen. Weshalb auch 96-Trainer Thomas Doll eine Grußbotschaft nach Stuttgart richtet: „Noch ist alles drin für uns. Vorausgesetzt, wir machen unsere Hausaufgaben und Wolfsburg gewinnt in Stuttgart. Der VfL will schließlich international spielen.“

Noch ist nicht abzuschätzen, inwieweit das verbale Säbelrasseln der Konkurrenz beim Tabellen-16. die Nerven flattern lässt. Zuzutrauen ist der Mannschaft alles, auch zwei Niederlagen zum Abschluss. Nach Aussage von Sportvorstand Thomas Hitzlsperger beschäftigt sich zumindest die Mannschaft noch nicht mit der Relegation. „Unsere Konzentration gilt allein der Aufgabe am Samstag“, bekräftigt der 37-Jährige. „Die Spieler müssen gegen Wolfsburg liefern.“

Ein Sieg, und der VfB wäre zumindest bis zu den dann tatsächlich erreichten Entscheidungsspielen für eine Woche aus dem Schneider. So lange gilt: Die Sicherheit ist trügerisch. Sehen Sie in unserer Bildergalerie das Restprogramm der Kellerkinder.