Profifußball ist ein Millionen-Geschäft – an der Berufsschule in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) erzählten Größen des VfB Stuttgart, wie es ihnen damit geht.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Ein schriller Pfiff – und es herrscht Ruhe unter den etwa 350 Gästen im Berufsschulzentrum. Der Schulleiter Stefan Ranzinger hatte am Dienstagabend leichtes Spiel, denn Prominenz des VfB Stuttgart war gekommen. Der Ex-Nationalspieler Cacau und der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle boten bei der jährlichen Reihe „Schule trifft Wirtschaft“ spannende Einblicke in das Millionengeschäft Profifußball.

 

Bereits der PR-Film des VfB zu Beginn führte in das Spannungsfeld des Abends ein. Sätze wie „Im Leben kommt es weniger auf Banknoten an, sondern auf Herz und Haltung“ wirken zwiespältig. Wie glaubwürdig ist der VfB Stuttgart, wenn Spieler Millionengehälter einheimsen? Der Moderator Stefan Ranzinger versprach, auch „auf die Schattenseiten der stetigen Kommerzialisierung“ zu schauen.

Cacau im Jahr 2012, als er von Nationaltrainer Joachim Löw eingewechselt wird. Foto: dapd/Torsten Silz

Der Profifußball gebe Werte weiter, die auch im Berufsleben eine zentrale Rolle spielen, erklärte Dietmar Allgaier. Der Landrat des Kreises Ludwigsburg fungiert auch als Präsident des VfB Stuttgart und begrüßte in beiden Eigenschaften die Gäste. „Erfolg ist Teamarbeit“, sagte Allgaier und nannte Disziplin, Engagement, Vielfalt und Respekt als wichtige Bausteine in der Bildung. Die Menschen müssten heute eine hohe Flexibilität und Bereitschaft mitbringen, um sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen.

Ein Heimspiel war der Abend für Alexander Wehrle, der im Bietigheimer Krankenhaus das Licht erblickte, in Möglingen aufwuchs und als Rechtsaußen sogar einmal ein Probetraining beim VfB Stuttgart absolvierte. „Ich wäre kein Profifußballer geworden“, sagt er heute und ist froh, studiert und seine Diplom-Arbeit über das Fallbeispiel VfB Stuttgart geschrieben zu haben, denn sie und ein Praktikum öffneten ihm die Tür ins Management des Vereins.

Wehrle sieht den VfB als Teil einer Unterhaltungsindustrie: „Wir produzieren Emotionen – es ist People Business.“ Zu den Kunden zählten reiche Porschefahrer bis zum einfachen Arbeiter. Alle Anspruchsgruppen müssten bedient werden. „Jeder spricht über uns: Wenn einer unserer Spieler einen Schnürsenkel verliert, wird mehr berichtet als über Wirtschaftsunternehmen, über die vielleicht nur eine Notiz in der Zeitung erscheint.“

Der VfB bezieht 30 Prozent der Einnahmen aus TV-Geldern

Sportlicher Erfolg und Finanzen sollten in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen, betonte der Vorstandsvorsitzende. „Die Mischung muss stimmen.“ Etwa, wenn man sich mit dem Trainer über teure Spielereinkäufe Gedanken mache. Rund 30 Prozent der Erlöse generiere der VfB aus Fernsehgeldern. Platz 7 im Ranking könne die Mannschaft in der Fünf-Jahres-Tabelle erreichen – sollte der FSV Mainz nicht mindestens drei Plätze vor dem VfB in der Bundesligatabelle landen: Das würde die Schwaben rund 2,5 Millionen Euro kosten.

Beim Gespräch mit Wehrle und Cacau fühlte Stefan Ranzinger den Großverdienern durchaus kritisch auf den Zahn. Der Bayern-Spieler Jamal Musiala verdiene 25 Millionen Euro – und damit an einem Tag so viel wie ein Lehrer mit 68 000 Euro im Jahr. Cacau hatte die Lacher auf seiner Seite, als er nach kurzem Nachdenken antwortete: „Ich spüre, da ist Spannung im Raum.“ Der 44-Jährige gönne es Ausnahmespielern, wenn sie so viel verdienten und fragte in den Raum: „Wer würde die 25 Millionen Euro nicht nehmen?“ Entscheidend sei, was man mit dem Geld mache. Viel Applaus erntete der Deutsch-Brasilianer, als er von seiner Stiftung zugunsten armer Menschen berichtete.

Cacau stammt aus ärmlichen Verhältnissen in Brasilien

Im Grunde war das auch die Antwort auf die Frage, die Stefan Ranzinger im Interview aufgeworfen hatte: „Wäre Jesus ein Fußballfan gewesen?“ Der Christ Cacau erzählte, wie ihm der Fußball den Ausweg aus ärmlichen Verhältnissen eröffnete. Der Vater litt unter Alkoholismus, die Mutter verdiente das Geld als Putzfrau. „Es ging ums Überleben.“ Als er nach Deutschland kam, habe er beim insolventen Türk Gücü München sieben Monate kein Gehalt bekommen. „Unser Herz soll nicht am Geld hängen“, sagt er, aber er habe beim VfB Stuttgart hart verhandeln müssen, weil andere, die nicht so gut spielten, mehr als er verdienten. „Nach dem Gespräch war ich glücklich.“

Beim Torwand-Schießen zeigte Cacau sein Können und landete drei Treffer bei sechs Schüssen. „Ich will immer gewinnen“, sagte er im Interview – die beiden unterlegenen Schüler erhielten Trostpreise. „Niemals aufgeben, immer wieder nach Niederlagen aufstehen und bereit sein, seine Chance zu nutzen“, gab er den jungen Zuhörern mit auf den Weg. Der Glaube habe ihm Kraft gegeben durchzuhalten.

Warum er sich für die deutsche und nicht die brasilianische Mannschaft entschieden habe, wollte ein Schüler in der Fragerunde wissen. Er habe nie eine Chance in der Seleção erhalten – im Jahr 2009, als er den deutschen Pass erhielt, habe er die Einladung für das Nationalteam bekommen. „Deutschland hat mich toll aufgenommen – es war keine Entscheidung gegen Brasilien, sondern für Deutschland.“ Heute lebe die Familie in der zweiten Generation hier. Seine drei Kinder, alle in Bad Cannstatt geboren, fühlten sich ganz klar als Deutsche, er selbst trage zwei Herzen in der Brust.