Es kommt auf jeden Punkt an. Der VfB (v.l. Finn Jeltsch, Enzo Millot und Fabian Rieder) ist im Kampf um den Europapokal am Sonntag bei der TSG Hoffenheim gefordert. Foto: Pressefoto Baumann/Volker Mueller
Das Gedränge um die internationalen Startplätze ist dicht wie lange nicht. Für die Champions League genügen wohl weniger Punkte als üblich, während für die Europa und Conference League mehr nötig sind. Ein Blick auf die Zahlen – und die Chancen des VfB.
Frust und Zuversicht liegen eng beieinander, wenn sich beim VfB Stuttgart in diesen Tagen der Blick auf die Bundesliga-Tabelle richtet. Auf der einen Seite ist da einiges an Enttäuschung über die verpassten Gelegenheiten im Kampf um die Europapokal-Plätze, die beiden jüngsten 1:2-Heimniederlagen gegen den VfL Wolfsburg und Borussia Mönchengladbach schmerzen. Auch bei Nick Woltemade. „Es ist natürlich bitter, dass wir diese Chancen nicht genutzt haben“, sagt der Stürmer – weist aber im selben Atemzug und mit gutem Recht darauf hin, dass man ja immer noch mittendrin ist im Gerangel um die reizvollen Ränge: „Wichtig ist, dass wir in der Position sind, immer auf einen Champions-League-Platz zu springen.“
Das ist seit Wochen der Fall. Auch jetzt, nach 22 Spieltagen. Nur zwei Punkte fehlen den siebtplatzierten Stuttgartern auf RB Leipzig und Rang vier, der zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt. So nah dran an der Qualifikation für den wichtigsten europäischen Club-Wettbewerb war der VfB zu diesem Saisonzeitpunkt – das vergangene Fabeljahr mal ausgenommen – seit der Meisterschaft 2007 nicht. Insgesamt also eine spezielle Konstellation.
In der Vorsaison waren 65 Punkte für Platz vier nötig
Nun steht zunächst außer Frage, dass die Stuttgarter Ausbeute trotz besagter Schwankungen immer noch Europa-tauglich ist. 35 Punkte zum jetzigen Zeitpunkt bedeuten 1,6 Zähler pro Spiel – und hochgerechnet 54 am Saisonende. Aber: Dass man damit unmittelbare Tuchfühlung zur Champions-League-Region hat, liegt auch an der Konkurrenz. Rang vier nehmen derzeit die Leipziger ein, die 37 Zähler auf dem Konto haben und damit auf eine 57-Punkte-Saison zusteuern – ungewöhnlich wenig für die Königsklasse. Zum Vergleich: In der Vorsaison waren satte 65 Punkte für Platz vier nötig, in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt immerhin 60,2.
Nick Woltemade traf per Solo zum 1:0 gegen den VfL Wolfsburg – am Ende setzte es für den VfB beim 1:2 einen Rückschlag im Kampf um die internationalen Plätze. Foto: Pressefoto Baumann/Volker Mueller
Woher also kommt die diesjährige Abweichung nach unten? Unter anderem durch zwei hoch ambitionierte Teams, die den eigenen Erwartungen hinterherlaufen: Die Leipziger (schon sieben Remis und fünf Niederlagen) sind mit ihrer Bilanz nicht wunschlos glücklich, Borussia Dortmund als Elfter erst recht nicht. In diese Lücke ist mit dem derzeitigen Dritten Eintracht Frankfurt nur eine Mannschaft gestoßen, was zu einem dichten Gedränge dahinter führt: RB Leipzig (Platz vier) rennen gerade einmal vier Zähler vom Neunten Wolfsburg, so viele Teams wie lange nicht spielen um den vierten Platz – dazwischen befinden sich der SC Freiburg, der FSV Mainz 05, der VfB Stuttgart und Borussia Mönchengladbach.
Das Ganze hat auch eine Kehrseite: Für die Plätze direkt dahinter sind aller Voraussicht nach deutlich mehr Punkte als üblich nötig. Ein Beispiel: Um Sechster oder Siebter zu werden, braucht es in dieser Saison auf Grundlage des derzeitigen Schnitts jeweils 54 Zähler, in den vergangenen zehn Jahren reichten hierfür 51,1 respektive 49,6 Punkte.
Für den VfB ist damit in den verbleibenden zwölf Spielen das komplette Spektrum drin – von einer erneuten Qualifikation für die Champions League bis hin zum kompletten Verpassen der europäischen Ränge. Das Restprogramm bietet dabei Chancen und Risiken. Einerseits spielen die Stuttgarter noch gegen fast jedes Team aus der unteren Tabellenhälfte – einzig Borussia Dortmund ausgenommen. Andererseits stehen noch sieben Auswärtsspiele an, unter anderem am letzten Spieltag das womöglich direkte Duell in Leipzig. 36 Punkte sind insgesamt noch zu holen in dieser Saison, rund 20 wird das Team von Sebastian Hoeneß für die Qualifikation zum Europapokal wohl in jedem Fall holen müssen.
Platz sieben kann zur Teilnahme an der Conference League berechtigen
Bleibt noch die Frage, welcher Platz am Ende für welchen Wettbewerb reicht. Die Grundkonstellation ist dabei klar: Die ersten vier Mannschaften spielen Champions League, der Fünfte und der DFB-Pokalsieger qualifizieren sich für die Europa League, der Sechste nimmt an den Play-offs zur Conference League teil. Das Ganze kann sich aber noch verschieben. Zwar ist ein fünfter Champions-League-Platz wie in dieser Saison für die Bundesliga unwahrscheinlich, dafür waren die Ergebnisse der deutschen Teams auf internationaler Bühne zu schwankend. Gut möglich ist aber, dass der Pokalgewinner in der Liga unter den Top fünf landet – dann würde der Europa-League-Startplatz an den Sechsten gehen und der Siebte an der Conference League teilnehmen.
Auch über einen Pokalerfolg also könnte der Weg des VfB nach Europa führen, der am 1. oder 2. April im Halbfinale antritt. Klar ist aber auch: Liebend gerne würden die Stuttgarter schon vorher über die Liga-Platzierung die Teilnahme am internationalen Geschäft klarmachen und auf die dafür nötigen Plätze klettern. „Wir haben auf jeden Fall noch genug Spiele, um das zu erreichen“, sagt Woltemade. Das nächste wartet am Sonntag (19.30 Uhr) in Hoffenheim, wo der VfB zurück in die Erfolgsspur will.