Mit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister von 1991 blickt Roter Stern Belgrad auf eine ruhmreiche Geschichte zurück. Doch der Club ist auch für seine in Teilen nationalistische Fanszene bekannt.
Der Tross des VfB ist inzwischen in der Stadt, da hat Vladan Milojevic in den Katakomben des 60 000 Fans fassenden Stadions Rajko Mitic auf der offiziellen Pressekonferenz ein Kompliment für seine Gäste parat. „Stuttgart hat ein tolles Team – und spielt in einer der besten Ligen Europas oben mit“, sagt der Trainer von Roter Stern Belgrad, der an diesem Mittwoch (18.45 Uhr/DAZN) gegen den VfB ein entscheidendes Spiel vor der Brust hat im heimischen „Marakana“ vom Balkan, wie die Fans ihr einst 100 000 Besucher fassendes Stadion in Anlehnung an das Original in Rio liebevoll nennen.
Geht es um den fußballerischen Alltag des FK Roter Stern Belgrad, dann leben der Trainer, seine Spieler und die Fans aktuell allerdings in zwei ganz unterschiedlichen Welten: Da ist zum einen die serbische Super League, wo das Team des Rekordmeisters nach 14 Spieltagen bei 13 Siegen und einem Unentschieden noch ohne Niederlage als Tabellenführer dasteht.
Keinen Sieg hat es für die Serben derweil bisher in der Champions League gegeben, wo man nach Niederlagen gegen Benfica Lissabon (1:2), Inter Mailand (0:4), AS Monaco (1:5) und dem FC Barcelona (2:5) ohne Pluspunkt gemeinsam mit vier weiteren Teams, darunter RB Leipzig, am Ende der Tabelle der 36 Mannschaften umfassenden Ligaphase rangiert.
Auch die Bayern müssen klein bei geben
Der große Ruhm ist also verblasst, der seinen Höhepunkt im Frühjahr 1991 erreicht hatte: Da wurde Roter Stern Belgrad Europapokalsieger der Landesmeister. Während des Siegeszuges der Jugoslawen hatte auch der FC Bayern im Halbfinale die Segel streichen müssen – und dies auf äußerst kuriose Weise: Die 1:2-Niederlage im Hinspiel im Olympiastadion hatten die Münchner in Belgrad bereits egalisiert, als Klaus Augenthaler in der Nachspielzeit eine Flanke von Sinisa Mihajlovic unglücklich ablenkte – und der Torwart Raimund Aumann die Flugkurve des Balls unterschätzte.
Der eindeutig haltbare Gegentreffer zum 2:2 bedeutete das jähe Aus für die Bayern, während sich Roter Stern mit seinem Starspieler Robert Prosinecki im Finale von Bari die Krone aufsetzte: Durch einen Erfolg im Elfmeterschießen über Olympique Marseille holte man sich den Europapokal. Es ist der bisher einzige in der Clubgeschichte, da der Jugoslawien-Krieg von 1992 nicht nur das Ende für die heimische Fußball-Liga bedeutete.
Das mit Stars gespickte Team von Crvena Zvezda (Roter Stern) holte im Anschluss an die Erfolgssaison noch den Weltpokal durch ein 3:0 über die Chilenen von Colo-Colo. Aber da war Prosinecki, geboren in Schwenningen und einst Jugendspieler der Stuttgarter Kickers, schon weg – verkauft für umgerechnet 15 Millionen Mark (rund 7,5 Millionen Euro) an Real Madrid.
Auch andere Stars, etwa Darko Pancev zu Inter Mailand, verlassen den Club, der auch nach dem Krieg finanziell wie sportlich schwierige Jahrzehnte durchmachte. Erst im Spätsommer 2018 meldete sich Roter Stern in der inzwischen längst etablierten Champions League auf der großen europäischen Fußballbühne zurück.
Ein weiteres, aus dem deutschen Fußball bekanntes Gesicht bei Roter Stern neben dem Ex-VfB-Profi Silas („Ich denke, er will sich mit einem starken Auftritt ein Ticket für eine Rückkehr nach Stuttgart erspielen“, sagt Trainer Milojevic) ist der ehemalige Bremer und Gladbacher Mittelfeldspieler Marko Marin, der aktuell Technischer Direktor bei den Belgradern ist. Marin holte mit dem Club 2019 als Spieler den nationalen Titel. Der ehemalige DFB-Nationalspieler wurde 1989 im jugoslawischen Bodanska Gradiška geboren, ist deutscher und serbischer Staatsbürger – und ist im Club als Leiter der Nachwuchsakademie das Bindeglied zum Profiteam.
Roter Sterns fanatische Fanszene
Heißblütig bis fanatisch unterstützt wird Roter Stern von seinen organisierten Anhängern, in deren Kern die Gruppierung „Delije“ (die Mutigen) den Ton angibt. Diese gilt als nationalistisch-patriotische Organisation, die politisch weit rechts steht – und die im Jugoslawien-Krieg die Politik des Serbenführers Slobodan Milosevic unterstütze. Milosevic stand später vor dem UN-Kriegsverbechertribunal, starb 2006 in Den Haag noch vor dem Urteilsspruch.