Vor einem Jahr zogen die VfB-Anhänger in Madrid in einem Fanmarsch zum Stadion – diese Bilder dürften sich nun am Donnerstag in ähnlicher Form wiederholen. Foto: IMAGO/Eibner
Die Euphorie rund um die internationalen Auftritte der Stuttgarter ist ungebrochen. Mit wie vielen Anhängern der VfB in Basel rechnet – und wie das Team die Unterstützung wahrnimmt.
Christian Gentner kennt den Schweizer Fußball bestens. Bis 2022 war der Sportdirektor des VfB Stuttgart für den FC Luzern am Ball, wo er auf der letzten Station seiner aktiven Profikarriere nochmals eine neue Liga kennenlernte, Erfahrungen und Eindrücke sammelte. Die lassen ihn jetzt drei Jahre später vorfreudig auf das erste Auswärtsspiel in dieser Europa-League-Saison blicken, das den VfB am Donnerstag (21 Uhr/RTL) zum FC Basel in den Sankt-Jakob-Park führt. „Ein echt schönes Stadion“, wie Gentner betont, „vielleicht das schönste in der Schweiz.“
Mindestens genauso gut kennt der 40-Jährige aber auch die VfB-Fans – weshalb für ihn feststeht, dass die attraktive Kulisse auch mit viel Leben gefüllt werden wird: „Es ist unglaublich, was wir auswärts an Zuspruch haben und was die Fans an Reisen auf sich nehmen, um uns zu unterstützen.“ Das wisse man im Verein und in der Mannschaft zu schätzen. „Es ist ein absolutes Faustpfand, was wir da haben.“
Der heutige VfB-Sportdirektor Christian Gentner spielte zum Ende seiner Karriere eineinhalb Jahre für den FC Luzern. Foto: IMAGO/Geisser
Dass das Gästekontingent in Basel mit 1800 Plätzen schnell vergriffen war, überraschte daher nicht wirklich. Nur: Dabei wird es nicht bleiben, was auch mit den Vorverkaufsmodalitäten des Schweizer Meisters zu tun hat. Der bietet seit vergangener Woche nämlich einen freien Ticket-Verkauf für das VfB-Spiel an. Ohne Hürden in puncto Vereinsmitgliedschaft oder Nationalität. Einzig der Hinweis, dass in der heimischen Muttenzerkurve auswärtige Fans nicht erwünscht seien und ein Stadionverweis möglich sei, erfolgt während des Kaufprozesses. Für die anderen Bereiche des Stadions gilt das nicht – keine besonderen Herausforderungen also beim Kartenkauf. Das kannten die Stuttgarter Fans aus der Vorsaison in der Champions League anders, beim FC Basel aber ist ein solcher Ticket-Verkauf an der Tagesordnung: Längst nicht immer sind alle 38.500 Plätze im Sankt-Jakob-Park belegt, in dieser Saison liegt der bisherige Höchstwert bei rund 30.000.
Ermedin Demirovic: „Dieser Verein verdient Europa“
Die Gunst der Stunde nutzten nun die VfB-Fans. Mit dem Start des freien Verkaufs waren vor allem die Plätze in unmittelbarer Nähe des Gästebereichs binnen kurzer Zeit vergriffen, was auf etliche Käufer aus dem Schwabenland schließen lässt. Eine genaue Größenordnung lässt sich zwar nicht verlässlich beziffern – der VfB teilt aber auf Nachfrage mit, dass man von mehreren Tausend Stuttgarter Anhängen außerhalb des Gästebereichs ausgeht.
Nun ist es natürlich nach Basel nicht der weiteste Weg – die rund 250 Kilometer und drei Stunden Anreisezeit bilden im Vergleich zu vielen Bundesliga-Spielen sogar eine überschaubare Größenordnung. Aber: Zum einen sind die Preise für die Karten außerhalb des Gästebereichs mit 70 bis 145 Schweizer Franken durchaus stattlich, zum anderen beschränkt sich die Reiselust mitnichten auf das Basel-Spiel: Für die Partie bei Fenerbahce Istanbul Ende Oktober musste der VfB vielen Ticket-Interessenten eine Absage erteilen – die zugewiesenen 2500 Karten reichten schlicht nicht aus, um der Nachfrage nachzukommen.
Die Europa-Euphorie rund um den VfB, das lässt sich also festhalten, ist auch im zweiten internationalen Jahr in Folge ungebrochen – nach zuvor zehn Jahren europäischer Abstinenz in den Niederungen des Bundesliga-Abstiegskampfs. Das gilt im Übrigen auch für die Mannschaft. „Du hast als Kind davon geträumt, in Europa zu spielen“, sagt etwa Stürmer Ermedin Demirovic. Da sei es letztlich auch egal, ob in der Champions League wie in der Vorsaison oder in der Europa League. Auch der Stuttgarter Cheftrainer Sebastian Hoeneß betont: „Die Teilnahme am Europapokal ist auch im zweiten Jahr noch etwas ganz Besonders. Ich hoffe nicht, dass das für irgendjemanden hier normal ist.“
Dazu gehören auch eigene Reize und spezielle Abläufe, die sich von den Partien in der Bundesliga abheben. So gibt es zum Beispiel in Basel wieder einen Fantreffpunkt vor dem Spiel, die Kantonspolizei hat hierfür den Barfüsserplatz im Zentrum unweit des Rheinufers ausgewiesen. Dort werden sich die VfB-Anhänger im Laufe des Donnerstags einfinden, einstimmen und einsingen – und dann in einem Fanmarsch gemeinsam ins drei Kilometer entfernte Stadion ziehen. „Unsere Fans werden wahrscheinlich wieder was abreißen“, sagt Demirovic. „Ich glaube, dass der Verein Europa verdient.“
In sportlicher Hinsicht ist der Auftakt ebenfalls gemacht, nach dem 2:1-Sieg in der Vorwoche gegen Celta Vigo will die Mannschaft nun nachlegen. Schweiz-Experte Gentner warnt dabei vor dem amtierenden Meister: „Sie haben sich gut entwickelt in den vergangenen eineinhalb Jahren, das ist eine intensiv spielende Mannschaft.“ Gegenwehr wird also gefragt sein vom VfB – der bei dieser Aufgabe auf Rückenwind von den Rängen zählen kann.