Der Andrang ist wie immer groß in der Stuttgarter Leonhardskirche im Herzen der Stadt, die wie in jedem Jahr seit 1995 in der kalten Jahreszeit zur Vesperkirche wird. Seit dem 19. Januar und noch bis zum 9. März öffnet das Gotteshaus dann täglich um 9 Uhr morgens seine Pforten. Dann gibt es für Obdachlose, ältere und gebrechliche Menschen, für Arbeitslose oder einsame Seelen zunächst Kaffee, ehe um 11.30 Uhr die Ausgabe der Mittagessen beginnt. Vorbei kommen kann jeder, der will.
Löw packt bei Vesperkirche mit an
Insgesamt 850 ehrenamtliche Kräfte packen über die sieben Wochen in der Leonhardskirche beherzt an – 5o Helfer sind es pro Tag. An diesem Mittwochmittag sind ganz spezielle helfenden Hände am Werk. Denn der Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart ist bei der Vesperkirche im Einsatz. Dazu auch Löw, der als Cheftrainer mit dem Club im Jahr 1997 letztmals den DFB-Pokal holte – und der aktuell im Kuratorium der VfB-Stiftung sitzt. Also hat sich der langjährige Bundestrainer den Vor-Ort-Termin im Leonhardsviertel nicht nehmen lassen. „Der VfB ist in vielen sozialen Bereichen wie hier engagiert – und das ist toll“, sagt Löw.
„Voller Einsatz für volle Teller“, lautet auch das Motto der Kicker vom Vizemeister, die mit den Spielern Angelo Stiller, Deniz Undav, Pascal Stenzel und Fabian Bredlow vorbei gekommen sind. Auch der gesamte Vorstand um seinen Chef Alexander Wehrle sowie der Vereinspräsident Dietmar Allgaier sind mit dabei.
Es gibt einiges zu tun, denn die Nachfrage nach diesem sozialen Angebot ist groß. Also sind die rund 300 Sitzplätze in der Leonhardskirche auch fast vollständig besetzt. Es ist ein freundschaftliches Kommen und Gehen, als sich VfB-Präsident Allgaier der Bon-Ausgabe widmet, während neben Löw auch der VfB-Cheftrainer Sebastian Hoeneß für die Verteilung der Essen auf die Teller zuständig ist. Sportvorstand Fabian Wohlgemuth und Sportdirektor Christian Gentner bringen derweil die Essen an die Tische.
„Ich genieße es, mich mit den Menschen zu unterhalten. Es ist schön, den Leuten etwas zurückzugeben“, sagt Mittelfeldspieler Angelo Stiller, der für die Ausgabe des Tees eingeteilt ist – und damit klar im Schatten seines Teamkollegen Deniz Undav steht, der den bei den Gästen deutlich begehrteren Kaffee verteilt. „Wenn wir hier angefragt werden, dann ist das doch eine Ehrensache, dass wir auch dabei sind. Das Gefühl, dass einer durch dein Mitmachen glücklich ist, ist unbeschreiblich“, sagt der Stürmer, der wie die Kollegen nebenher auch für Fotos und Autogrammwünsche zur Verfügung steht.
Seit 2016 ist der VfB in jedem Jahr an einem Mittag in der Vesperkirche mit dabei, wo die Essen den symbolischen Preis von einem Euro haben. „Das wollen auch unsere Gäste so“, sagt Kurt Klöpfer, der Diakon des Evangelischen Kirchenkreises, welcher in der Leonhardskirche als Hausherr fungiert. Neben dem Mittagessen, neben Kaffee und Tee schmieren viele fleißige Helfer auch unzählige Brote, die die Bedürftigen in Form eines Esspakets mit vier belegten Broten pro Person dann mit nach Hause nehmen können, wenn sie wollen. „Damit“, sagt Klöpfer, „ist man für einen Tag versorgt.“
Froh ist auch die Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann, dass der VfB als fester Partner über seine Stiftung mit dabei ist. „Die Unterstützung des VfB ist ganz großartig. Das reicht von einer finanziellen Spende über den Einsatz von Spielen und Funktionären hier in der Kirche. Wenn die Spieler da sind, ist das immer ein ganz besonderer Moment“, sagt Ehrmann.
Auch VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth macht gerne bei der Vesperkirche mit. Es ist bereits sein dritter Einsatz zum Wohle der Menschen, denen es nicht so gut geht wie dem überwiegenden Teil der Bevölkerung. Profifußballern inklusive. „Es ist für uns ein Eintauchen in die Welt der Schicksalsschläge und der Armut“, sagt Wohlgemuth: „Da können wir als VfB unsererseits viel mitnehmen, denn wir können unser reales Leben besser einordnen – und sehen, wie gut es uns geht.“