Wer wird neuer Trainer des VfB Stuttgart? Nach dem Aus von Jürgen Kramny gibt es viele Kandidaten – aber alles hängt davon ab, wer Sportchef ist.

Stuttgart - Die letzte Dienstreise von Jürgen Kramny (44) endet mit einer Frage, die der Trainer des VfB nicht nur als banal empfindet, sondern auch als völlig unangemessen. Was er am Abend denn noch unternehmen werde, will ein Reporter wissen, der vier Stunden nach der 1:3-Niederlage beim VfL Wolfsburg am Stuttgarter Flughafen steht, um die Delegation mit der Mannschaft abzupassen. Kramny schüttelt kurz den Kopf und erwidert anschließend nur knapp, dass er jetzt nur noch eines will – heim zur Familie. Nichts wie weg, heißt das. Schließlich ist seine Ära mit dem Abstieg in die zweite Liga vorbei. Aber wie geht es beim VfB weiter?

 

Das Problem ist erstens, dass darauf momentan keiner im Verein eine Antwort parat hat – und das zweite Dilemma lautet, dass sich an diesem Zustand auch nichts ändern wird, solange nicht geklärt ist, ob der Sportvorstand Robin Dutt weitermachen darf oder vom Aufsichtsrat entlassen wird. Ein Beispiel: fest steht, dass Markus Gisdol (46) unter Dutt kein Kandidat ist, weil die Chemie zwischen ihm und dem Ex-Trainer aus Hoffenheim nicht stimmt. Aber wenn ein anderer Manager beim VfB das Ruder übernimmt, würden diese Animositäten keine Rolle mehr spielen – und Gisdol wäre womöglich im Rennen.

Das Stuttgarter Anforderungsprofil

So präsentiert sich der VfB gerade in seiner sportlichen Abteilung, obwohl eigentlich dringend die Weichen für die neue Saison gestellt werden müssten. Wie sieht der Spielerkader aus? Und wer betreut diesen Spielerkader dann? Klar sind nur zwei markante Punkte in dem Anforderungsprofil, das der Club mal ganz theoretisch erstellt hat. Die wichtigste Bedingung ist, dass sich der Mann in der zweiten Liga auskennen muss, weil sich der VfB bei seiner Suche nach Neuzugängen auf dieser Ebene orientiert. Zudem wäre wichtig, dass der künftige Trainer bereits nachgewiesen hat, dass er ein Team in die Bundesliga führen kann. Denn der Wiederaufstieg ist naturgemäß das Ziel.

Wegen dieser Kriterien ist der Kreis der potenziellen Anwärter auf den Job beim VfB für Dutt oder dann alternativ für seinen Nachfolger nicht groß. Über Alois Schwartz (49) vom SV Sandhausen wird in den Gremien nachgedacht, doch er genügt dem zweiten Aspekt des Profils nicht – im Gegensatz zu André Breitenreiter (42). Er hat mit dem SC Paderborn vor zwei Jahren den Sprung nach oben geschafft, ehe er im vergangenen Sommer zum FC Schalke wechselte. Dort wurde er trotz Platz fünf jetzt gefeuert. Deshalb hofft der VfB auf seine Chance, aber aus dem unmittelbaren Umfeld von Breitenreiter verlautet, dass er dazu tendiert, auf ein Erstliga-Angebot zu warten.

Einfacher zu verwirklichen wäre die Verpflichtung von Jos Luhukay (52), der schon drei Vereine in die Bundesliga gebracht hat: Borussia Mönchengladbach, den FC Augsburg und Hertha BSC. Demnach weiß er also, wie es funktioniert. Weiter spricht für den Niederländer, dass er Routine in diesem Geschäft besitzt – was für den VfB nach der Talfahrt mit dem auf dieser Stufe unerfahrenen Kramny ebenfalls nicht unwesentlich ist. Und zudem arbeitet Luhukay mit dem Ludwigsburger Sportanwalt Christoph Schickhardt zusammen, der im Clubhaus auf dem Wasen in der Vergangenheit recht viel Einfluss auf handelnde Personen hatte.

Was für und was gegen Jos Luhukay spricht

Das sind die Pluspunkte, denen aber gegenübersteht, dass es Luhukay bei allen Erfolgen bisher an keinem Ort geschafft hat, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen und die Fans auf seinem Weg mitzunehmen. Das verhindert schon seine unterkühlte und distanzierte Art.

Mit ihm sind die Kontakte des VfB allem Anschein nach am intensivsten – so weit dies bei dem Schwebezustand auf dem Managerposten eben möglich ist. Das ist der Stand, wobei Luhukay vermutlich auch kommen würde – trotz des Vakuums und nicht ahnend, wer demnächst sein Chef ist. Denn viele Optionen hat er nicht. Den meisten Spielern geht es im Augenblick ähnlich. Beim VfB hängen alle in der Luft.

So gelten die kürzlich verlängerten Verträge von Christian Gentner und Daniel Ginczek zwar für die zweite Liga, aber sie werden die Entwicklung in den nächsten Tagen beobachten. Ob sie tatsächlich bleiben, dürfte einerseits dann davon abhängen, ob es gute Angebote für sie gibt – und zum anderen wird den Ausschlag geben, wie die offenen Stellen beim Trainer und beim Manager besetzt werden. Letzteres gilt auch für Serey Dié, Kevin Großkreutz und Mitchell Langerak, die dem VfB mündlich für die nächste Saison zugesagt haben, ohne dass sie es wie Gentner und Ginczek schriftlich bekräftigt hätten. Ihr Treuebekenntnis erfolgte unter Dutt und Kramny. Insofern hat sich ihre Entscheidungsgrundlage jetzt verändert – und damit auch die Entscheidung an sich?

In solchen Zusammenhängen denken Filip Kostic und Timo Werner nicht. Beide wollen den Verein verlassen – und beide werden sicher auch Abnehmer finden, Kostic eventuell beim VfL Wolfsburg und Werner bei Borussia Dortmund oder RB Leipzig, das der Favorit ist. Gehen werden voraussichtlich auch Martin Harnik, Emiliano Insúa und Lukas Rupp. Überhaupt dürften nahezu alle Spieler verkauft werden (müssen), für die es eine einigermaßen stattliche Ablösesumme gibt. Umgekehrt sucht Dutt oder sein Nachfolger dafür zwei neue Stürmer, einen defensiven Mittelfeldspieler, einen Linksverteidiger und mindestens einen Innenverteidiger.

So oder so war Wolfsburg nicht nur für Kramny der letzte Bundesligaauftritt beim VfB. Sein alter Vertrag als U-23-Trainer läuft zwar noch ein Jahr, aber die zweite Mannschaft soll Holger Bachthaler (41) vom FV Illertissen übernehmen. Vielleicht wird Kramny ein anderer Job im Club angeboten – aber ist er daran interessiert? Spannend wäre gewesen, was er am Samstag auf diese Frage geantwortet hätte.