Der VfB Stuttgart hat in den vergangenen fünf Spielen mit vier Unentschieden bewiesen, dass er eine Führung nicht lange halten kann. Doch Fredi Bobic lehnt es ab, den verschenkten Punkten nachzutrauern.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Da lag er nun auf dem Rasen. Der Körper ausgelaugt, und im Kopf immer noch die Szene, die sich unmittelbar vor dem Schlusspfiff abgespielt hatte. Wie der feine Pass von William Kvist halbrechts in den Strafraum kam, wie er versuchte, den Ball im Nürnberger Tor unterzubringen – und es eben doch nicht mehr schaffte. „Vielleicht hätte ich getroffen, wenn ich kurz zuvor keinen Krampf gehabt hätte“, sagt Alexandru Maxim.

 

Ja, vielleicht. Der VfB Stuttgart hinterlässt nach seinen Spielen gerade viele Vielleichts. Denn es hat sich in den vergangenen Wochen zwar schon einiges zum Besseren entwickelt. Aber der Fußball, den sich der Trainer Thomas Schneider vorstellt, ist noch nicht so stabil, dass sich die spielerische Hoheit auf dem Feld auch in Resultaten widerspiegeln würde.

In den vergangenen fünf Bundesligapartien gab es vier Unentschieden. Doch nach dem 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg lehnt es Fredi Bobic ab, den verschenkten Punkten gegen Frankfurt, Bremen, Hamburg und auch Nürnberg nachzutrauern. Das ist nichts für den VfB-Manager, sondern etwas für Verlierer. „Wir sind aber selbstkritisch genug, um zu wissen, dass die zweite Hälfte nicht gut war“, sagt Bobic. Im Zeitraffer erinnerte sie gar an den alten VfB-Trott aus den Heimspielen der vergangenen Saison: zäher Spielaufbau, viel Eifer, wenig Erfolg.

So wirkte das erneute Remis gegen das Kellerkind aus Franken auch nicht wie ein Teilerfolg, sondern wie ein Teilmisserfolg. Enttäuschte Gesichter, ernüchternde Analysen und Bobic’ Eingeständnis nach dem verpassten Schritt nach vorne: „Spielerisch ist einiges besser geworden, aber die Ergebnisse bereiten uns Bauchschmerzen.“

Die fünf wichtigsten Minuten

Es könnte allerdings noch ein wenig Kopfweh hinzukommen, wenn die Stuttgarter darüber nachdenken, dass sie enge Spiele nicht nur nicht gewinnen, sondern sie zudem ständig Führungen nicht lange halten können. Der Trainer hat das schon moniert, als es dem VfB beim HSV zwar gelang, dreimal in Führung zu gehen, es letztlich jedoch nicht reichte, über ein 3:3 hinauszukommen. Nun also wieder, und zuvor war es auch gegen Werder passiert.

„Wir müssen uns nach einem Tor besser reseten“, sagt Schneider in Computersprache. Also innerlich alles wieder auf Null stellen und mit der gleich hohen Konzentration und Kompaktheit in der Defensive weitermachen. Genau darin liegt aber das Problem. Die Sicherheit, die sich nach frühen Führungen einstellen soll, kommt nicht. Im Gegenteil: prompt folgen Rückschläge. „Die fünf Minuten nach einem eigenen Treffer sind immer die wichtigsten“, sagt Bobic. Entweder man legt gleich nach – oder man zeigt sich verwundbar.

Das sind Erfahrungswerte. Bobic ist sich sicher, dass es in der VfB-Elf keinen Spannungsabfall gibt, wenn wie gegen Nürnberg Vedad Ibisevic das 1:0 erzielt (3./Foulelfmeter). So nach dem Motto: jetzt haben wir etwas erreicht und können es gemütlicher angehen. Vielmehr spricht Bobic von einer extrem hohen Anspannung, die im Hochgefühl dazu verleitet, übermütig zu werden. Wie beim Verteidiger Georg Niedermeier vor dem Ausgleich durch Josip Drmic (6.).

Diese Aufmerksamkeitsstörungen gilt es zu bekämpfen. „Eine Fußballmannschaft ist aber keine Maschine, die man programmieren kann und die dann nach Plan durchspielt“, sagt Schneider. Der Faktor Mensch bleibt limitierend, weshalb sich der VfB nicht gerade als perfekt geschmierte Ergebnismaschine präsentiert. Die besten Chancen vergab Martin Harnik in einer zuletzt oft gezeigten Mischung aus fehlendem Selbstvertrauen, Pech und Unvermögen. „Ich bin mir aber sicher, dass er ein zweites und drittes Tor erzielt hätte, wenn ihm nur das erste gelungen wäre“, sagt der Trainer.

Stresstest in Dortmund

Hätte, wenn und aber bringen den VfB jedoch nicht weiter. Auch wenn es der Konkurrenz zurzeit nicht gelingt, die Stuttgarter zu besiegen. Seit sieben Ligaspielen unter Schneider sind sie ungeschlagen. Dabei ging es vor allem gegen Teams aus dem mittleren Tabellensegment. Jetzt aber kommt es zum Stresstest in Dortmund. „Gegen eine der Topmannschaften auf diesem Planeten“, wie Schneider sagt.

Eine schöne Herausforderung wird das am Freitagabend. Und als ausgewiesener Mittelfeldstratege hat Kvist schon nach der Begegnung mit Nürnberg antizipiert, was auf ihn zukommt. „Ich weiß“, lächelt der Däne, „nach so einem Heimspiel denken wieder alle, dass es für uns auswärts einfacher ist. Aber das ist überhaupt nicht so.“