Die VfB-Spieler setzen nach dem Trainerwechsel große Hoffnungen in Huub Stevens. Der 60 Jahre alte Trainerroutinier verkörpert nicht nur optisch den Gegenentwurf zu seinem Vorgänger: mehr als 20-jährige Erfahrung, autoritärer Führungsstil, lautstarke Ansagen.

Stuttgart - Christian Gentner hat müde Augen, er sagt, er habe in den vergangenen Nächten sehr schlecht geschlafen. Er hat sich in seinem Bett hin- und hergewälzt – und vor seinem geistigen Auge immer wieder dieses eine Bild gesehen: den Elfmeter am Samstag gegen Eintracht Braunschweig, 52. Minute, der VfB führte 2:1. „Ich weiß, dass das der Moment war, um das Spiel zu entscheiden“, sagt Gentner. Doch der Kapitän verschoss, am Ende stand es 2:2 – und auch deshalb ist beim VfB Stuttgart jetzt vieles anders.

 

Seit Montag gibt Huub Stevens auf dem Trainingsplatz die Kommandos, das dunkle Haar dünner geworden, der Bauch fülliger. Der 60 Jahre alte Trainerroutinier aus den Niederlanden ist der Nachfolger von Thomas Schneider – und er verkörpert nicht nur optisch den Gegenentwurf zu seinem Vorgänger: mehr als 20-jährige Erfahrung, autoritärer Führungsstil, lautstarke Ansagen. „Er ist eine absolute Respektsperson, und ich glaube, er ist eine gute Wahl“, erklärt Gentner.

Der Trainer als das schwächste Glied der Kette

Stevens ist bereits der dritte VfB-Trainer in dieser Saison – und auch der Kapitän weiß: „Das wirft ein schlechtes Licht auf die Mannschaft. Wir wissen, dass wir die Hauptverantwortlichen für die Trainerwechsel sind.“ Unter Bruno Labbadia hat der VfB die ersten drei Saisonspiele verloren, unter Thomas Schneider reichte es in den vergangenen neun Partien nur zu einem Punkt. Weil es nicht möglich ist, ein ganzes Team auszutauschen, und weil der Trainer das ist, was man im Fußball gerne „das schwächste Glied der Kette“ nennt, ist nun Stevens als Feuerwehrmann aus Eindhoven herbeigeeilt. Er soll in den letzten zehn Spielen retten, was noch zu retten ist, er soll den VfB vor dem Abstieg bewahren. „Wir erhoffen uns neue Impulse“, sagt Gentner. Was er soll er auch sonst sagen?

Man muss kein Fußballexperte sein, um zu erkennen, dass Huub Stevens auf dem Trainingsplatz anders arbeitet als sein Vorgänger. Eher zurückhaltend hat Thomas Schneider die Übungen verfolgt, die Hände oft in den Taschen seiner Trainingshose vergraben, die Miene nachdenklich. Viel dominanter ist das Auftreten von Stevens, viel impulsiver seine Körpersprache.

Entscheidend ist, dass ein Trainer authentisch ist

Er gestikuliert, er lacht, er schreit, er lobt, er tadelt, er korrigiert, er geht oft dazwischen – und ist jederzeit mittendrin im Geschehen. Bei den Liegestützen, bei den Spielformen, beim Aufwärmprogramm, das er positionsbezogen absolvieren lässt, weil ihm nichts wichtiger ist als eine gute Ordnung und Organisation. Es sind kürzere Einheiten als unter Schneider, intensiver scheinen sie, wie das oft so ist, wenn die bislang enttäuschten Spieler unter einem neuen Coach eine neue Chance wittern und die etablierten sich neu beweisen müssen.

Es ist bei Trainern kein Qualitätsmerkmal, ob sie eher introvertiert veranlagt sind oder aber aus sich herausgehen. Es gibt erfolgreiche ruhige Analytiker genauso wie erfolglose HB-Männchen und andersherum. Entscheidend ist nicht das Wesen – entscheidend ist, dass ein Trainer authentisch ist. Das war auf seine Art Schneider, und das ist auf eine ganz andere Art Stevens. „Es gibt keine Garantie, dass jetzt alles besser wird“, sagt Gentner. Womöglich tut es dem Team aber tatsächlich gut, dass es nun ein Alphatier alter Schule an seiner Spitze weiß, das vieles an sich reißt.

Der „Knurrer von Kerkrade“ scherzt auch mal im Training

„Man spürt: sobald man aufs Gelände kommt, ist eine andere Spannung da als zuvor“, sagt Gentner. „Sehr klar und sehr direkt“ sei die Ansprache des Trainers, „er fordert Kommunikation, das wird uns in den nächsten Wochen begleiten“. Ob das alles im Kampf um den Klassenverbleib weiterhilft, ist aber noch ungewiss. Nach dem ersten Spiel am Samstag, dem Abstiegsduell bei Werder Bremen, wird man mehr wissen.

Sicher ist schon jetzt: der neue VfB-Trainer, dem sie wegen seiner mürrischen Art vor Jahren den Beinamen „Knurrer von Kerkrade“ gegeben haben, ist auch durchaus zum Scherzen aufgelegt. Es darf gelacht werden auf dem Trainingsplatz, der Coach selbst macht es vor. Und nicht nur Gentner hat erleichtert registriert: „Ein Unmensch ist Huub Stevens nicht.“