Am Donnerstag um 15.30 Uhr müssen die Lizenzunterlagen des VfB in Frankfurt sein. Der Finanzvorstand Ulrich Ruf schickt daher ein 510-seitiges Dokument los.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Weil der VfB-Finanzvorstand Ulrich Ruf für Drahtseilnummern in luftiger Höhe nicht zu haben ist, hat sich seine Mitarbeiterin von der Geschäftsstelle am Mittwoch Vormittag mit dem Zug auf den Weg nach Frankfurt gemacht. Im Gepäck hat sie ein 510 Seiten starkes Dokument, das sich auf zwei dicke Leitz-Ordner verteilt. Darin befindet sich „unser Lebensnerv“, wie Ulrich Ruf die Lizenzunterlagen des VfB Stuttgart nennt.

 

Da Ruf „mit Netz und doppeltem Boden“ operiert, wird er der Botin auch ein dickes Bündel an Geldscheinen mitgeben. „Für den Fall der Fälle. Dann könnte sie sich bei einem Zugausfall auch ein Taxi nehmen“, sagt Ruf. Sicher ist sicher: Erreichen die Lizenzunterlagen des VfB den Sitz der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in der Frankfurter Guiolettstraße nicht bis am Donnerstag um 15.30 Uhr, ist es definitiv zu spät. Dann wäre die Lizenz für den VfB verloren – und der Verein wäre am Ende.

Weil die Stuttgarter aber ausreichend Kopien gezogen haben, werden die Lizenzunterlagen auch im Fall der Fälle Frankfurt rechtzeitig erreichen. Dort wird dann in den nächsten Wochen die DFL-Lizenzierungskommission ans Werk gehen und das Zahlenmaterial eingehend prüfen. Aus 89 Einzeldokumenten und 45 Anlagen besteht die Lizenzakte VfB, für die allein die beiden Vorstände, Ulrich Ruf und der Präsident Gerd Mäuser, jeweils 89 Unterschriften zu leisten hatten. Zwischen dem 20. und 25. April wird der VfB letztlich Post aus Frankfurt bekommen. Sein Ziel ist, die Lizenz für die Bundesligasaison 2012/13 zu erhalten – und zwar wie in den vergangenen drei Jahren ohne jegliche Auflagen.

Gefordert ist ein Stadion für mindestens 15 000 Fans

Zuvor wird allerdings seitens der DFL anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs genau hingeschaut. Dieser erstreckt sich vom sportlichen Bereich – mit dem Klassenverbleib als Grundvoraussetzung – über sicherheitsrelevante und infrastrukturelle Themen bis hin zum Finanziellen. Gefordert sind etwa ein Stadion für mindestens 15 000 Fans, eine Rasenheizung, aber auch eine vereinseigene Jugendakademie, ein Cheftrainer mit Fußballlehrerlizenz, eine Vereinssatzung, eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie die wirtschaftlichen Planzahlen für die nächste Spielzeit. „Alles, was wir nicht belegen können, wird in Frankfurt nicht akzeptiert“, sagt Ulrich Ruf zur deutschen Lizenzierungsordnung, die weltweit das Maß aller Dinge ist.

Dabei sind die Standards, die bis hin zu den Mindestausmaßen der Grünfläche rings um den Rasenplatz oder der Anzahl der ISDN-Anschlüsse für die Medien reichen, über die Jahre immer umfassender geworden. „In den Achtzigern“, sagt Ruf, der seit April 1980 beim VfB ist, „war die Lizenzierung vor allem eine wirtschaftliche Geschichte.“ Inzwischen wird weitaus mehr verlangt, wobei der wirtschaftliche Aspekt weiterhin der Hauptbestandteil ist.

Also mussten Ruf, sein Finanzdirektor Markus Schmidt und der Stabsdirektor Stefan Heim, der die Lizenzierung inzwischen federführend leitet, in den vergangenen Tagen auch die finanziellen Planzahlen für die nächste Saison zusammenstellen. Dies hat durchaus seine Tücken: Spielt der VfB in der nächsten Saison in der Europa League, oder sollte er lieber ohne internationale Einnahmen kalkulieren? Wieweit kommt die Mannschaft in der nächsten Saison im DFB-Pokal? Diese und mehrere andere Variablen müssen ins Zahlenwerk eingearbeitet sein.

Die Personalkosten sollen auf 40 Millionen Euro runter

Über die Größe seiner Planzahlen, etwa die zu erwartenden Personalkosten für den VfB-Profikader, den Jahresumsatz, das Vereinsvermögen und den Schuldenstand, schweigt Ulrich Ruf allerdings beharrlich. „Unser oberster Souverän ist die Mitgliederversammlung“, sagt der gelernte Banker, „dort bekommen die Mitglieder die Jahresbilanz als Erste vorgestellt.“ Dass beim VfB, der weiterhin als Verein und nicht als Kapitalgesellschaft geführt wird, dabei nur das Nötigste publiziert werde, ist ein Vorwurf, den Ruf nicht zum ersten Mal hört. Dennoch ist durchgesickert, dass der Club, der nach der Meisterschaft 2007 seine Kosten für das kickende Personal zwischenzeitlich auf über 65 Millionen Euro pro Jahr hochgefahren hat, die Kosten weiter senken muss: die 50-Millionen-Euro-Marke ist bereits unterschritten, 40 Millionen sind das Ziel.

„Wir müssen eben alles, was wir ausgeben, auch selbst erwirtschaften“, sagt Ulrich Ruf. Das ist in Wolfsburg (VW-Werk), in Leverkusen (Bayer-Werke) und in Hoffenheim (durch die Millionen des Mäzens Dietmar Hopp) nicht so. Daher setzt man beim VfB auf das Financial-Fairplay der Uefa, das nach dem Vorbild der deutschen Lizenzierung europaweit von der Saison 2013/2014 an gelten soll. „Die deutsche Lizenzierung ist ein effektives Sicherungssystem, das für einen ausgeglichenen und interessanten Wettbewerb sorgt“, lobt der VfB-Stabsdirektor Stefan Heim. Denn seit der Einführung der Lizenzierung ist kein deutscher Erstligist im Verlauf einer Spielzeit insolvent gegangen.

VfB bangt um Harnik und Tasci

Der VfB Stuttgart bangt vor dem Südwest-Derby bei 1899 Hoffenheim um den Einsatz von Torjäger Martin Harnik und Kapitän Serdar Tasci. Harnik musste am Mittwoch das Training des Fußball-Bundesligisten wegen muskulärer Probleme abbrechen. Tasci klagt bereits seit Wochen über „latente Probleme oberhalb des Adduktoren-Bereichs. Da sitzt eine leichte Entzündung. Aber wir hoffen, dass wir das noch hinkriegen“, erklärte VfB-Trainer Bruno Labbadia zwei Tage vor dem Spiel am Freitagabend.

Der Stuttgarter Coach warnte ausdrücklich vor den Hoffenheimern, die zuletzt mit 1:7 beim FC Bayern München verloren haben. „Jetzt ist für sie die Möglichkeit da, etwas wettzumachen“, sagte Labbadia.