Der Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart hält Ausschau nach einem Technischen Direktor, der den Sportvorstand Michael Reschke bei der Kaderplanung entlasten soll. Die Suche dauert fast schon eineinhalb Jahre an, wofür es zwei Gründe gibt.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Beim VfB Stuttgart gibt es derzeit ja viel zu tun – die Arbeit ist vor allem sportlicher Natur: Am Sonntag (18 Uhr) setzt das Team den Kampf um den Klassenverbleib bei Borussia Mönchengladbach fort. Und mit Blick auf die Winterpause hat auch die Suche nach möglichen Neuzugängen längt begonnen. Doch noch eine Stelle ist vakant. Der VfB sucht einen Michael Reschke – zur Unterstützung von Michael Reschke.

 

Der 61-jährige Rheinländer ist vor seiner Zeit als Sportvorstand in der Mercedesstraße (seit Sommer 2017) bei Bayer Leverkusen und dem FC Bayern in der Fußball-Bundesliga ja zum Inbegriff des Kaderplaners geworden: Er war der erste Mann auf dieser Position, der es in die öffentliche Wahrnehmung schaffte, als die Münchner ihn 2014 holten und an der Säbener Straße zum Technischen Direktor machten. Genau diese Position ist beim VfB nicht vorhanden – und die Stuttgarter sehen Bedarf zur strukturellen Verbesserung und Professionalisierung.

Suche läuft schon seit Monaten

Deshalb soll unterhalb von Sportvorstand Michael Reschke in der Management-Hierarchie ein Technischer Direktor installiert werden, wie der VfB-Präsident Wolfgang Dietrich Anfang der Woche ankündigte. „Die Position ist geplant und budgetiert“, sagte er beim Treffpunkt Foyer der „Stuttgarter Nachrichten“. „Wir haben sie noch nicht besetzt, weil wir noch nicht die optimale Person gefunden haben. Das ist einer der Punkte, wo wir sicherlich noch ein Defizit haben.“

Das Thema ist nicht neu, die Suche läuft schon seit dem Amtsantritt von Michael Reschke, dessen expliziter Wunsch das ist. „Wir suchen eine Toplösung, es geht nicht darum, irgendjemanden zu verpflichten, nur, damit die Stelle besetzt ist“, erklärt der Sportvorstand. „Das ist für den Verein eine strategische Entscheidung auf Jahre hinaus.“ Neben Joachim Cast (als Manager Sportorganisation für administrative Dinge wie Transferabwicklung, Spielberechtigungen oder Reiseplanung zuständig) und der Scoutingabteilung um Chef Markus Lösch wäre ein Technischer Direktor „ein weiterer wichtiger Dialogpartner“ für ihn.

Transfers - die Königsdisziplin im Management

Transfers sind der schwierigste Teil des Fußballgeschäfts. Beim Scouting von Spielern gibt es eben keine Sicherheiten, sondern es geht um Wahrscheinlichkeiten. Das Ziel ist, möglichst an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeiten zu schaffen. Weshalb die erfolgreichen Schnäppchen- und Talentefinder aus der zweiten Reihe wie ein Sven Mislintat (bis vor einem Jahr Leiter Profifußball bei Borussia Dortmund, jetzt beim FC Arsenal) in den vergangenen Jahren immer geschätzter und gefragter geworden sind. Denn wenn sie die richtigen Vorschläge machen und durchbringen, erhöht ein Verein nicht nur seine Aussichten auf Erfolg, sondern darf zusätzlich auch mit hohen Transfererlösen beim Weiterverkauf eines Spielers rechnen.

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Die Planung des Kaders ist das Kerngeschäft eines Technischen Direktors, der andernorts in der Bundesliga auch als Kadermanager oder Leiter Profifußball firmiert. Er unterstützt und entlastet den Sportchef, der nahe an der Mannschaft dran ist, und ist ein Verbindungsglied zur Scoutingabteilung. Er ist jemand, der akribisch den Spielermarkt sondiert und viele Partien anderer Clubs und des eigenen Nachwuchses anschaut. Jemand, der mithin viel unterwegs ist. Jemand, der national und international gut vernetzt ist. Jemand, der ein Auge für Talente mitbringt. Jemand, der ausschließlich im Hintergrund arbeitet. Ein Zeugnis dafür: Im Archiv der Homepage des FC Bayern ist der Name Michael Reschke genau zweimal zu finden – in der Pressemitteilung vom Juni 2014 zu seinem Amtsantritt als Technischer Direktor und der Pressemitteilung vom August 2017 zu seinem Abschied Richtung Stuttgart.

Komplexes Anforderungsprofil

Auch Reschke ist die Komplexität der Anforderungen natürlich bewusst. Er weiß aber auch: Senken darf er seine Ansprüche nicht. Also fasst er die Stellenbeschreibung so zusammen: „Der Mann muss die eigenen Teams, also auch den Nachwuchs, sehr gut kennen. Er muss verstehen, wie der Trainer tickt und eng mit dem Sportvorstand, dem Coach, dem Nachwuchsleiter und dem Chefscout zusammenarbeiten können. Er benötigt internationale Marktkenntnis, muss durchsetzungsstark und klar in seiner Analyse sein. Und er muss Spaß daran haben, sehr viel unterwegs zu sein.“

Wann der VfB den gesuchten Adjutanten von Michael Reschke einstellen wird, ist noch offen. Es ist nicht zu erwarten, dass für den Posten ein Mann mit prominentem Namen kommt. Einer wie Jonas Boldt beispielsweise, der bei Bayer Leverkusen als Sportdirektor aussteigt und ein Zögling von Michael Reschke ist, ist auf seinem Karriereweg schon (zu) weit gekommen und verfolgt andere Pläne. Als Reschke im Sommer 2017 nach Stuttgart kam, wurde auch der Name Timon Pauls gehandelt, der 26-Jährige arbeitet aber nach wie vor als Jugend-Chefscout beim FC Bayern. Dort hat Reschke einst auch eng mit Marco Neppe zusammengearbeitet. Doch auch der heutige Leiter der Münchner Scoutingabteilung ist kein Kandidat für den VfB.

Namen will der VfB-Sportvorstand ohnehin nicht kommentieren, er sagt nur: „Es gibt in diesem Bereich einige sehr gute Leute, die meisten stehen aber bei anderen Clubs unter Vertrag.“ Michael Reschke darf sich seine rechte Hand für die Kaderplanung selbst aussuchen darf. Dass er bei der Auswahl sehr anspruchsvoll ist, ist nicht verwunderlich. Schließlich hat er einst in Leverkusen im Schatten von Reiner Calmund und Rudi Völler ja selbst den Goldstandard für diesen Posten definiert – und sucht jetzt den nächsten Michael Reschke.