VfB-Manager Jan Schindelmeiser spricht über die Vertragsauflösung mit Kevin Großkreutz. Der Weltmeister tritt selbst vor die Presse, zeigt Reue – und kämpft gegen die Tränen an.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Die Männer in den roten Jacken werden den Fußballer mit dem heftigen Sound bestimmt vermissen. Schließlich konnten sich die bulligen Kerle vom SDS-Sicherheitsdienst, die täglich auch über den Spielerparkplatz des VfB wachen, selten ein amüsiertes Lächeln verkneifen, wenn Kevin Großkreutz nach dem Training etwa seinen schwarzen Audi R8 anschmiss. Denn dann brüllte der Motor des mehr als 400 PS starken Sportwagens dermaßen laut, wie man das etwa in der Boxengasse der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) vermutet.

 

Nein, Kevin Großkreutz ist gewiss kein Mensch der leisen Töne. Auf dem Fußballplatz kam das lange sehr gut an, weil der kernige Junge, der schon als Kind auf der Dortmunder Südtribüne mitfieberte, den Typus des engagierten Vollblutfußballers verkörperte. Also flogen dem unverstellten Weltmeister auch im Januar 2016 nach seiner Rückkehr aus der Türkei, wo ihn nach einem verlorenen halben Jahr bei Galatasaray Istanbul das Heimweh plagte, im Kreise der VfB-Fans schnell die Herzen zu.

Die Kurve jubelte im Stadion ihrem „Fisch“ zu, wie sich der Spieler selbst getauft hatte. Und das, obwohl die sportliche Leistung des Allrounders auf dem Platz gewiss nicht immer stimmte.

Selbst wenn sich Kevin Großkreutz in seinem Anspruch, als „Fischkreutz“ auch ein Social-Media-Star sein zu wollen, auf Twitter, Facebook und Co. des Öfteren im Ton vergriff, indem er gegen Spieler und Fans etwa aus Hoffenheim oder Leipzig pöbelte – man verzieh dem Dortmunder Original immer wieder. „Der Kevin“, so lautete der allgemeine Tenor unter Stuttgarts Fußballfreunden, „das ist einer von uns.“

Die Vertragsauflösung erfolgte einvernehmlich

Als sich allerdings Jan Schindelmeiser am Freitagmittag um 13.30 Uhr im roten Clubhaus vor einen Strauß an Mikrofonen und Kameras setzte, da war Kevin Großkreutz bereits kein Spieler des VfB mehr. „Wir haben die Dinge sorgfältig und akribisch aufgearbeitet. Es waren aber auch emotionale Gespräche“, sagte der Manager. „Kevin hat großen Mist gebaut und seine Vorbildfunktion gegenüber dem Club und insbesondere den Jugendspielern verletzt.“ Daher habe man sich auf eine einvernehmliche Vertragsauflösung verständigt.

Mit seiner Schlägerei am Stuttgarter Wilhelmsplatz im Anschluss an eine Oberstufenparty in der Edeldiskothek Perkins Park an Rosenmontag hat sich der 28-Jährige also vollends verdribbelt. Lange haben die Bosse um den Präsidenten Wolfgang Dietrich überlegt, wie zu entscheiden sei. „Kevin hat sich bei uns aufrichtig entschuldigt“, sagte Schindelmeiser. Aber letztlich war das Maß voll, war man dieser Nebengeräusche überdrüssig, die der Abwehrspieler, ein überführter Döner-Werfer und Hotellobby-Pinkler, regelmäßig produzierte.

Einen nächtlichen Streifzug durch die Innenstadt, sogar eine handfeste Auseinandersetzung nachts um 2.12 Uhr im Alkoholrausch, die hätte man Kevin Großkreutz beim VfB vielleicht noch durchgehen lassen. „Wer noch nie nachts um 2 Uhr aus war, der werfe den ersten Stein“, das hat der Trainer Hannes Wolf mit einem Anflug von Verständnis am Donnerstag noch erklärt – obwohl für Fußballprofis in puncto Nachtruhe und Alkoholgenuss eigentlich andere Grundregeln gelten.

Großkreutz will mit dem Profifußball erst einmal nichts zu tun haben

Was das Fass aber zum Überlaufen brachte, war letztlich die Tatsache, dass sich Großkreutz in der Nacht zum Faschingsdienstag in Begleitung von drei U-17-Spielern des VfB befand. Als 28-jähriger Familienvater, als mit WM-Titel, deutscher Meisterschaft und DFB-Pokalsieg dekorierter Fußballer müsse sich Großkreutz, so Schindelmeiser, gerade gegenüber Nachwuchsfußballern tadellos verhalten. Dass die Teenagergruppe um Großkreutz in unmittelbarer Nähe des Stuttgarter Rotlichtviertels in die Schlägerei geriet, machte die Sache nicht besser. „Es gibt einzelne Dinge, die ich nicht artikulieren will und darf“, sagte Schindelmeiser dazu nur. Schließlich haben beide Seiten bei der Vertragsauflösung Stillschweigen in Detailfragen vereinbart. Über Sanktionen für die Jugendkicker wird noch diskutiert.

Nach Schindelmeiser trat Kevin Großkreutz selbst mit grauer Mütze auf dem Kopf und einem Veilchen unterm rechten Auge aufs Podium. Er wolle, sagte der ehemalige Nationalspieler, „nicht so einfach abhauen. Vorher möchte ich mich noch aufrichtig bei den Fans dieses tollen Vereins, bei den Mitarbeitern, meinen Mitspielern und meiner Familie entschuldigen.“ Er kämpfte gegen die Tränen.

Künftig will Kevin Großkreutz es nun erheblich ruhiger angehen lassen. „Mit dem Beruf Fußballprofi will ich erst einmal nichts mehr zu tun haben“, sagte der 28-Jährige, ehe er sich wenigstens noch von einigen Kollegen verabschieden konnte, die ihre Mittagspause im Clubhaus verbrachten. Dann setzte sich Kevin Großkreutz ins Auto und fuhr relativ geräuschlos nach Dortmund.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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