Beim VfB Stuttgart positioniert sich die Interimslösung Jochen Schneider in der Managerfrage selbstbewusst. Der 44-Jährige will den Job dauerhaft. Aber es gibt auch Zweifel daran, ob er mit seiner ruhigen Art der Richtige ist.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Jochen Seitz weiß gar nicht so recht, wie ihm geschieht. Leicht irritiert blickt er durch seine dicken Brillengläser, als er über das Vereinsgelände des VfB Stuttgart schlendert und seinen Namen hört. „Jochen“, ruft Jochen Schneider noch einmal, „was ist das für eine Jacke?“

 

Es ist die falsche Jacke, weil der falsche Ausrüster – drei Streifen zieren sie anstatt einer Raubkatze. Entschuldigend zuckt Seitz also mit den Schultern. Was soll er machen? Die Jacke sei eben noch gut – was zweierlei verdeutlicht. Erstens: der eine Jochen, der jahrelang die Ausrüstungen der VfB-Fußballer wie einen Schatz gehütet hat und mit Sicherheit den Titel Ehrenzeugwart verdient hätte, geht auch im Rentendasein noch eigenwillig mit dem Material um. Zweitens: der andere Jochen, der sich anschickt, VfB-Manager zu werden, achtet mehr denn je auf Kleinigkeiten, um den Blick für das große Ganze zu schärfen.

Seit zwei Wochen bewegt sich Jochen Schneider nun in seinem erweiterten Betätigungsfeld. „Mehr Termine – mit dem Cheftrainer, dem Vorstand und den Journalisten“ – so beschreibt der 44-jährige Direktor Sport seinen neuen Arbeitsalltag. Ein Arbeitsalltag, der ihn aus dem Hintergrund verstärkt ins Rampenlicht rückt. Nicht, weil er das will oder gar genießt. Aber seit der Trennung von Fredi Bobic vor dem Spiel in Dortmund verfügt der VfB über kein Gesicht mehr in der Öffentlichkeit. Schneider versucht deshalb, die Leere zu füllen und dabei an Profil zu gewinnen.

Mit solider Arbeit überzeugen

Er macht das selbstbewusst. „Wenn ich mir die Aufgabe nicht dauerhaft zutrauen würde, dann würde ich es auch nicht übergangsweise machen“, sagt Schneider, „das wäre dem Verein gegenüber verantwortungslos.“ So oder so ähnlich hat es Schneider in den vergangenen Tagen oft gesagt. Es ist seine Botschaft – und es sagt einiges aus über sein Selbstverständnis.

Schneider geht es darum, das Beste für seinen Club hinzukriegen – und in der Managerfrage am besten mit ihm vornedran. „Ich will nicht über Fußball philosophieren, ich will mich auch nicht auf Kosten anderer profilieren“, sagt Schneider. Er will überzeugen. Mit klarem Kopf die nahende Transferperiode im Winter vorbereiten, mit sicherem Gespür eine Kaderplanung vorlegen, die Entwicklungen verspricht.

Verträgt Schneider den rauen Wind beim VfB?

Dazu sucht Schneider nicht nur den Austausch mit dem Trainer Armin Veh und dem Präsidenten Bernd Wahler. Er intensiviert den Kontakt zur Mannschaft. Zeigt Präsenz während der Trainingseinheiten, spricht mit den Spielern. Alles, um besser zu verstehen, wie es im Team aussieht und zugeht. „Das hatte ich vorher nicht, aber das ist jetzt unabdingbar“, sagt Schneider.

Was er vorher hatte, war vor allem: der Kampf im Vertrags- und Formaliendschungel des VfB. „Da gab es eine klare Aufgabenstellung, und da wäre es falsch gewesen, an Fredi Bobic oder zuvor Horst Heldt vorbeizupreschen“, sagt Jochen Schneider über die jahrelange Zusammenarbeit mit den früheren Fußballgrößen.

Und nun ist es diese praktizierte Zurückhaltung, welche die Zweifel nährt, ob er diesen Job dauerhaft gut erledigen kann. Ob er in einem gläsernen Geschäft mit den Sammers, Völlers, Allofs dieser Liga auf Augenhöhe spielen kann. Auch im Verein zweifeln sie ein bisschen daran, ob der ruhige Jochen den rauen Wind überhaupt verträgt, der zurzeit um den Wasen weht.

Vehs Vorliebe

Veh hat schon durchblicken lassen, dass er sich eine längere Zusammenarbeit mit Schneider durchaus vorstellen könne. Doch dieser müsse für sich klären, ob er überhaupt vorne stehen wolle. Schneider will. „Ich sehe das klar als Chance, die ich ohne Wenn und Aber nutzen will“, sagt er.

Dabei scheint die Zeit für ihn zu laufen. Denn immer deutlicher wird, dass der VfB auf die plötzliche Freistellung von Bobic nicht konkret vorbereitet war. Die Realität hat sich einfach nicht an die Planungen der Stuttgarter gehalten, und nun fahndet der Bundesligist früher, als ihm lieb sein konnte, nach einem geeigneten Mann.

Nichts überstürzen, so lautet beim Managercasting die eine Devise – nichts ausschließen die andere. Man müsse auch das scheinbar Undenkbare durchdenken, heißt es aus der VfB-Zentrale. Was Großkaliber wie Ralf Rangnick (Sportdirektor Red Bull Salzburg und RB Leipzig) in die Gedankenspiele ebenso einschließt wie einen potenziellen Berufsanfänger wie den früheren Nationalspieler Christoph Metzelder – im Tandem zum Beispiel mit Jochen Schneider.

Schneider: „Schweigen kann ich am besten“

Eine klar favorisierte Lösung gibt es jedoch noch nicht – zumindest nicht in einem Stadium, dass es schon an die Konkretisierung gehen könnte. Ein riskanter Umstand für die Clubführung. Die könnte irgendwann so dastehen, als ob sie nicht richtig weiß, was beziehungsweise wen sie eigentlich will. Beim VfB kennen sie diese Gefahr – und wollen sich dennoch nicht treiben lassen.

„Die Managersuche ist nicht mein Thema und belastet mich deshalb auch nicht“, sagt Schneider zu dem Schatten, der über seinem Tun hängt. Es ist wieder einer dieser Sätze, die der Interimsmanager zurzeit ziemlich oft sagt. Denn er hat sich in einer geschwätzigen Branche in dieser Frage größte Zurückhaltung auferlegt. Getreu seiner – natürlich auch ironisch gemeinten – Überzeugung: „Schweigen – das ist doch das, was ich am besten kann.“