Der VfB Stuttgart tut sich beim Pokalspiel in Kiel schwer. Dennoch siegt er mit 2:1 und gewinnt auch weitere Erkenntnisse für den Start in der Fußball-Bundesliga gegen Köln.

Kiel - Nicht weniger als sechs Weingläser stehen am Ende des Abends vor Alexander Zorniger, doch der Trainer des VfB Stuttgart begnügt sich mit stillem Wasser. Keinen Grund für überschäumenden Jubel sieht er nach seinem ersten Sieg im ersten Pflichtspiel – aber auch keinen Anlass, angesichts der eher kargen Leistung seiner Elf Trübsal zu blasen. Von zwei Mannschaften, die sich „fast schon englisch bekämpft haben“, spricht er und von einem Ergebnis, das ihm „hochgradig gefallen“ habe: „Denn jetzt fliegen wir wieder heim und sind in der nächsten Runde – der Auftrag ist erledigt.“

 

Mit einem 2:1-Sieg bei Holstein Kiel ist der VfB am Samstagabend in die zweite Runde des DFB-Pokals eingezogen. Es war ein glanzloser Erfolg, mühsam errungen gegen einen Drittligisten, der den großen Favoriten aus der Bundesliga vor erhebliche Probleme gestellt hat. Noch in der Nachspielzeit vergaben die Kieler die ganz große Chance, zumindest eine Verlängerung zu erzwingen. Der Kopfball von Rafael Czichos flog vorbei – es ist für die Stuttgarter also gerade noch einmal gutgegangen.

Zornigers Konzept funktioniert nicht immer

Dass es so eng war, das war durchaus im Sinne der VfB-Verantwortlichen. Denn als Vorbereitung auf den Bundesligastart am nächsten Sonntag gegen den 1. FC Köln haben die Spieler nun binnen einer Woche zwei Extreme erlebt und festgestellt: sie sind noch mittendrin im Lernprozess. Erst das berauschende 4:2 im Testspiel gegen die Millionentruppe von Manchester City, als auf fast wundersame Weise bereits sehr vieles von dem funktionierte, was sich Zorniger vorgenommen hat. Und nun der Arbeitssieg an der Ostsee, der gezeigt hat, dass dem VfB noch eine Menge Arbeit bleibt. „Es kann sein, dass das Spiel gegen Manchester zu gut lief“, sagt der Stürmer Daniel Ginczek.

Die wichtigste Erkenntnis des Auftritts im Holstein-Stadion war: nicht immer führt das Konzept des Pressing und Gegenpressing, das Zorniger seinen Spielern seit Beginn der Vorbereitung näherzubringen versucht, zum gewünschten Erfolg. Das gelang gegen Manchester, weil der Gegner munter nach vorne spielte und dem VfB die Kontergelegenheiten „auf dem Silbertablett“ servierte, wie Zorniger sagt. Das klappt aber nur sehr eingeschränkt gegen spielerisch limitierte Mannschaften wie Kiel, die gar nicht erst zu kombinieren versuchen, sondern die Bälle hoch und weit nach vorne schlagen. „Das gibt uns Aufschlüsse über die Art und Weise, wie gegen uns gespielt wird“, sagt Zorniger, „nämlich manchmal auch sehr rustikal.“

Wieder Probleme bei Standardsituationen

Keine Frage, es gab in Kiel manches, was dem Trainer nicht gefallen konnte. Die Körpersprache in der Anfangsphase zum Beispiel, als dem VfB die Leidenschaft fehlte und das 0:1 durch Czichos (37.) die verdiente Folge war. Oder die Probleme bei Standardsituationen des Gegners, die den VfB auch in den Testspielen begleitet hatten. „Da müssen die Spieler gnadenlos Verantwortung übernehmen“, sagt Zorniger. Dass der polnische Torhüter Przemyslaw Tyton beim Gegentor nicht die beste Figur abgab und Carlos Gruezo im defensiven Mittelfeld (noch) kein gleichwertiger Ersatz für den verletzten Serey Dié ist – auch das dürfte dem Trainer nicht entgangen sein.

Doch fand Zorniger auch einige Anhaltspunkte, die ihn sehr zuversichtlich nach vorne blicken lassen. Am Fernsehen hatte er vor einem Jahr verfolgt, wie der VfB in Bochum quasi widerstandslos in der ersten Pokalrunde ausgeschieden war. Diesmal fügte sich die Mannschaft nicht ihrem Schicksal, obwohl es durchaus kompliziert werden kann, wenn man bei einem unterklassigen Verein in Rückstand gerät und das gegnerische Publikum jeden gewonnenen Zweikampf bejubelt. Nur vier Minuten dauerte es, bis Daniel Didavi den Ausgleich erzielte, dem Daniel Ginczek in der zweiten Hälfte den Siegtreffer folgen ließ. Es war der identische Spielverlauf mit den gleichen Torschützen wie Anfang Juni in Paderborn, als die Stuttgarter dem Abstieg gerade noch entkommen waren.

„Natürlich beruhigend“ findet es Zorniger, diese individuelle Qualität in seinem Kader zu wissen. Speziell Didavi ist auf dem besten Weg, sich zur großen, prägenden Figur im VfB-Spiel zu entwickeln. Ein Manndecker wurde ihm in Kiel auf die Füße gestellt, „ich dachte, der geht auch noch in der Pause mit in unsere Kabine“. Einschüchtern ließ sich Didavi dadurch nicht und wies seiner Mannschaft den Weg zum Sieg, den Ginczek schließlich sicherstellte. „Das war ein Spiel aus der Kategorie ,Augen zu und durch‘“, sagt der Torjäger.

Nach Manchester und Kiel folgt nun also Köln, das erste Bundesligaspiel, auf das die gesamte Vorbereitung ausgerichtet war. Irgendwo zwischen den beiden Extremen dürfte sich die Spielweise der Rheinländer bewegen, und Alexander Zorniger sagt: „Wir sind gut gerüstet.“