Der VfB-Manager Robin Dutt muss sich momentan mit der Frage beschäftigen, wie viel Umbruch die Stutttgarter Mannschaft braucht. Eine Analyse von Carlos Ubina

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Der VfB macht es einem nicht einfach. Denn es gehört ja mittlerweile zum Markenkern, dass man diese Stuttgarter Fußballmannschaft nicht einzuschätzen vermag. Sie kann so unglaublich gut spielen wie in den letzten drei Partien der abgelaufenen Saison. Sie kann aber auch so unfassbar schlecht sein wie in den Wochen und Monaten zuvor. Was bei der Betrachtung zu zwei Perspektiven führt.

 

Da gibt es diese Sichtweise von ziemlich weit weg. Sie eröffnet sich zum Beispiel in Berlin, wo sie beim Vergleich der Personallisten immer noch feststellen, dass beim VfB mehr spielerische Substanz drinsteckt als bei der Hertha. Oder in Hannover, wo sie zu dem Schluss kommen müssen, dass einzelne Spieler beim VfB immer noch teurer und besser sind als bei den 96ern. Und auch in Hamburg, wo sie froh wären, wenn der wild zusammengestellte HSV-Kader so viel Profil hätte wie in Stuttgart.

Doch es existiert eben auch diese andere Perspektive – von ziemlich nah dran. Weshalb sie in Stuttgart sehr genau wissen, dass es dem VfB zuletzt vor allem daran fehlte, das weniger werdende Geld derart geschickt einzusetzen, dass sich daraus wieder Erfolg ergibt. Und weshalb Robin Dutt seit dem Saisonende vor drei Wochen viel unterwegs war, um sich Spiele und Spieler anzuschauen. Begleitet hat den VfB-Manager auf seinen Reisen nach Belgien und Dänemark stets die Grundsatzfrage, wie viel Umbruch die Mannschaft jetzt denn braucht. Mal ganz abgesehen davon, wie viel Umbruch aufgrund der bestehenden Verträge überhaupt möglich ist.

„Ohne Zweifel müssen wir uns im Defensivbereich umschauen“, sagt Dutt. Neue Außen- und womöglich Innenverteidiger sind gefragt. Denn Antonio Rüdiger zieht es weg. Zumindest wird die Trennung von seinem bisherigen Berater Uli Ferber beim VfB so gewertet, dass mit einem Millionentransfer gutes und schnelles Geld verdient werden soll. Der Nationalspieler wird jetzt von seinem Halbbruder und Großaspacher Stürmer Sahr Senesie vertreten.

Ein neuer Geist ist nötig

Unabhängig von Einzelspielern geht es für Dutt aber darum, in wieweit er die Struktur und Hierarchie des Kaders aufbricht, in wieweit er einen neuen Geist implantieren kann. Vor allem wenn der Sportvorstand berücksichtigt, dass sich der VfB in einem Spannungsfeld zwischen den überzeugenden Leistungen im Saisonendspurt und den mittel- bis mäßigen Darbietungen in den 31 Spielen davor bewegt.

„Die Wahrheit bei der Einordnung der Leistungsstärke liegt wohl in der Mitte“, sagt Dutt. Das klingt einerseits diplomatisch, weil der Satz weiter auf die vorhandenen Stärken im Team vertraut. Andererseits beinhaltet die Aussage auch einiges von dem, was der Manager in seiner schonungslosen Ist-Zustandsanalyse nach der Rettung in Paderborn öffentlich zum Besten gab. Von vielen Fehlern auf vielen Ebenen im VfB-Kosmos war da die Rede.

Nun kann man sich auf dem sportlichen Sektor der Mannschaft von vorne nähern: Ginczek, Kostic, Harnik – gute Qualität. Man kann sich durch die Mitte arbeiten: Serey Dié, Gentner, Didavi – ebenfalls gute Qualität. Dann kommt man zu Torwart und Abwehr: Ulreich, Schwaab, Baumgartl, Rüdiger, Klein – ausbaufähige Qualität. „Auch da wird der Umbruch nicht so groß ausfallen“, sagt Dutt mit Blick auf die Stammelf.

Das Problem mit der Personalie Harnik

Wobei sich aber schon an der Personalie Martin Harnik die Problematik zeigt. Der Österreicher erlebte zuletzt ein Hoch, weil er leidenschaftlich spielte und Tore erzielte. Monatelang steckte der Flügelstürmer davor aber im Tief, verstolperte Bälle, vergab Chancen und verkörperte damit den Wundertütenfußball des VfB. Weder Trainer noch Fans wussten wirklich, was Samstag für Samstag herauskommt.

Schon Armin Veh beklagte kurz nach seinem Dienstantritt im vergangenen Sommer, dass er ein stabiles Gerüst in der Mannschaft und damit auch die Konstanz im Spiel vermisse. Trainern vor und nach ihm erging es nicht anders. Was sich darin spiegelt, dass der VfB in den vergangenen vier Jahren die Tabellenplätze sechs, zwölf, fünfzehn und vierzehn belegte.

Dieser Niedergang ist auch das Ergebnis fehlender Kontinuität in der sportlichen Leitung. Sie zeigt aber ebenso, dass mit dem Kernteam nicht viel erreicht wurde – trotz des Anspruches, sich mit den Mitteln und Möglichkeiten oben in der Bundesliga zu verankern. Doch die Trainer Labbadia, Schneider, Stevens und Veh arbeiteten sich an den Stuttgartern ab. Jetzt will Dutt dem künftigen Coach Alexander Zorniger eine Mannschaft hinstellen, die der neuen Spielkonzeption entspricht, die aber auch bereinigt werden soll. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in der Breite besser aufstellen“, sagt der Manager.

Auch in finanzieller Hinsicht. Denn Spieler wie Vedad Ibisevic oder Georg Niedermeier erscheinen zu teuer. Und Geld kann der Verein gut brauchen. Weshalb Dutt sich auch immer wieder mit der Frage beschäftigen muss, wen kann ich für wie viel Geld losbekommen. Ein Millionenangebot für Harnik (spekuliert wird über ein Tauschgeschäft mit dem Schalker Sidney Sam) würde da den finanziellen Spielraum vergrößern, aber auch den sportlichen für ein Talent wie Timo Werner. Wie gesagt: der VfB macht es einem nicht einfach, gerade auch seinem Manager nicht.