Taktik-Blogger Jonas Bischofberger analysiert das Spiel des VfB Stuttgart beim FC Augsburg und zeigt auf, wieso der VfB gegen die variableren Fuggerstädter nichts holen konnte.

Augsburg - Jonas Bischofberger analysiert auf seinem Blog www.vfbtaktisch.blogspot.de regelmäßig die Spiele des VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga. Für unsere Zeitung wirft er einen genauen Blick auf die Partie des VfB in Augsburg und erklärt, warum der Sieg des FCA verdient ist.

 

Erst zu passiv, dann lückenhaft - gegen den FC Augsburg präsentiert sich der VfB mit schwachem Pressing und wenigen Ideen in der Offensive. Der FCA behält auch dank einer klugen taktischen Anpassung von Markus Weinzierl verdientermaßen die Oberhand.

Erste Halbzeit – Kramny muss improvisieren, Weinzierl mit taktischem Kniff

Durch die vielen Ausfälle musste VfB-Coach Jürgen Kramny im zentralen Mittelfeld erneut improvisieren. Wie schon gegen Bayern beorderte er Daniel Didavi auf die Doppelsechs - diesmal jedoch als Partner des wiedergenesenen Christian Gentner. Davor spielten Klein und Kostic als relativ klassische Flügelspieler nahe der Seitenlinie, während das Sturmduo, bestehend aus Artem Kravets und Timo Werner, hauptsächlich die Augsburger Viererkette beschäftigen sollte.

Um den Spielaufbau zu unterstützen, ließen sich Didavi und Gentner abwechselnd weit zurückfallen. Im 4-4-2 ohne einen nominellen Zehner fehlte dem VfB allerdings jemand, der das Offensivzentrum besetzte. In den zunächst sehr kurzen Stuttgarter Ballbesitzphasen ging daher immer wieder eine großes Lücke zwischen den Aufbauspielern und dem hoch und breit stehenden Offensivquartett auf. In der Folge musste der VfB dieses Mittelfeldloch immer wieder mit langen Bällen überbrücken, die von Augsburg ohne Probleme abgefangen wurden.

Durch einen taktischen Kniff von FCA-Trainer Weinzierl wurde dem VfB das Offensivspiel zudem besonders schwer gemacht: Die Augsburger wichen ein wenig von ihrem üblichen System ab und interpretierten ihr 4-2-3-1 eher wie ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute oder ein 4-3-3. Der vermeintliche Rechtsaußen Ja-Cheol Koo agierte viel tiefer als sein Pendant Caiuby und reihte sich gegen den Ball neben Baier und Kohr ins Mittelfeld ein. Altintop und Caiuby rückten dagegen in die vorderste Reihe auf und machten von der linken Seite aus Druck auf den VfB. Das hatte gleich mehrere wirkungsvolle Konsequenzen: Erstens wurde das Spiel vom aufbaustarken Schwaab weg- und eher Richtung Niedermeier und Insua gelenkt. Zweitens hatte Augsburg durch Koos Zurückfallen mehr Unterstützung gegen Kostic, während sie den anderen, weniger gefährlichen Flügel bewusst etwas offen lassen konnten. Drittens hielten Baier, Kohr und Koo bei langen Bällen des VfB engen Kontakt zur Abwehr und halfen dort Abpraller aufzusammeln.

Über diese taktischen Vorteile, sowie Intensität gegen und Geduld mit dem Ball nahmen die Gastgeber den zu passiven VfB nahezu vollkommen aus dem Spiel. Mit langen Diagonalbällen auf die weit aufrückenden Außenverteidiger wollten sie dann selbst zu Torchancen kommen. Da die beiden Viererketten des VfB aber ein bisschen breiter standen als üblich und nicht allzu kompakt auf die Seite nachschoben, war das nicht immer erfolgversprechend. Oft bekam der VfB nach den Verlagerungen schnell Zugriff und konnte die Angriffe des FCA zumindest abbremsen oder klären. Einige Male öffnete Koo mit seinem Einrücken allerdings entscheidend den Flügel für den aufrückenden Opare, welcher anschließend das Dribbling gegen Insua suchte. Auf diese Weise erspielte sich der FCA ein paar gute Szenen, obwohl sie insgesamt auch nicht wirklich zwingend waren. Und doch verhinderten sie mit ihrem Fokus auf weite Verlagerungen Ballverluste in kleinteiligen Situationen im Zentrum - gegen die konterstarken Stuttgarter wäre das natürlich riskant gewesen. Die wenigen brauchbaren Umschaltmöglichkeiten, die der VfB dennoch bekam wurden zu allem Überfluss auch noch besonders schlecht ausgespielt.

Erst nach rund einer halben Stunde versuchte der VfB mehr ins Pressing zu gehen und rückte mutiger auf. Augsburg zeigte sich davon zunächst etwas überrascht und wurde ein, zwei Mal zu Ballverlusten gezwungen. Allerdings fingen sie sich schnell wieder: Durch das weite Auffächern der Augsburger Innenverteidiger und das konsequente Zurückfallen der Sechser waren die Wege zum Anlaufen für den VfB weit und das Unterstützen untereinander schwierig. Das ist natürlich besonders problematisch, wenn man im Pressing ohnehin ein bisschen unsicher ist. In der 36. Minute wurde diese Unsicherheit bestraft: Augsburg löste das versuchte Angriffspressing des VfB auf, anschließend stand das Mittelfeld zu weit aufgerückt und die Viererkette zu tief, sodass Altintop in diesem Zwischenraum unbehelligt freigespielt werden konnte. Diese Unkompaktheit zwischen Mittelfeld und Abwehr ermöglichte erst die Flanke durch Caiuby vor dem 1:0.

Zweite Halbzeit – Der VfB stellt das System um, die Abstände bleiben zu groß

Im zweiten Durchgang reagierte Kramny dann auch personell und stellte auf ein 4-1-4-1 um. Didavi und Maxim bildeten nun eine Doppelacht vor dem einzigen Sechser Gentner, während Werner anstatt Klein auf die rechte Seite ging. Mit den beiden Achtern hatte der VfB nun viel mehr Präsenz in den Zwischenräumen von Augsburgs Formation und konnte sich häufiger in der Hälfte des mittlerweile etwas passiveren Gegners vorarbeiten. Dadurch, dass Schwaab sich im Aufrücken nach wie vor zurückhielt, blieb der VfB allerdings recht vorhersehbar auf den linken Flügel konzentriert, wo er von den kompakten Augsburgern gut zugeschoben wurde. Ab und an fanden Insua, Didavi, Kostic und Maxim auf dieser Seite zusammen, aber es fehlte oft die Anbindung ans Zentrum und die Angriffe konnten nur unter Bedrängnis mit Flanken abgeschlossen werden.

Gegen den Ball wurde aus dem 4-1-4-1 immer wieder ein aggressives 4-1-3-2, indem entweder Didavi oder Maxim neben Kravets herausrückte. Alles in allem wirkte vor allem die Raumaufteilung der drei zentralen Mittelfeldspieler aber improvisiert und schlecht abgestimmt. Ein auffälliges Beispiel dafür war die zu passive Rolle von Gentner, der es immer wieder verpasste, das Loch, das durch das Herausschieben der Achter entstand, zu schließen. Zudem waren die Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr nach wie vor zu groß. Besonders hinter Didavi ging deswegen immer wieder Raum für den einrückenden Koo auf. Von hier aus leitete Augsburg die gefährlichsten Angriffe nach der Pause ein und blieb damit auch in der zweiten Halbzeit die überlegene und letztlich siegreiche Mannschaft.

Fazit: Was muss besser werden beim VfB Stuttgart?

Mit ihrem weiträumigen Positionsspiel, geduldigem Spielaufbau und einer guten taktischen Einstellung erwiesen sich die Augsburger einmal mehr als empfindlicher Stolperstein für den VfB. Dieser hatte große Probleme, die Ausfälle der beiden etatmäßigen Sechser Lukas Rupp und Serey Die aufzufangen. Das neue 4-4-2 und später auch das 4-1-4-1 waren trotz oder gerade wegen der scheinbar offensiven Besetzung zu einseitig konzipiert und wirkten gegen den Ball wenig einstudiert oder kompakt.

Nach diesem erneuten Rückschlag ist davon auszugehen, dass Kramny sich in den kommenden Wochen wieder auf die Basics besinnt. Im kommenden Spiel gegen Borussia Dortmund wird sich der VfB vermutlich ohnehin weiter zurückziehen und das tiefe Verteidigen in den Vordergrund stellen. Damit das klappt, muss der VfB dringend wieder in eine gut funktionierende Ordnung zurückfinden. Doch ob das allein reichen wird, um gegen den BVB etwas mitzunehmen, scheint fraglich.

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