Taktik-Blogger Jonas Bischofberger analysiert das Spiel des VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund und erklärt, wieso die Stuttgarter so untergingen.

Stuttgart - Jonas Bischofberger analysiert auf seinem Blog www.vfbtaktisch.blogspot.de regelmäßig die Spiele des VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga. Für unsere Zeitung wirft er einen genauen Blick auf die Partie des VfB gegen den BVB.

 

Borussia Dortmund reiste mit einer etwas überraschenden Startformation nach Stuttgart: Nominell spielte Marco Reus als zentraler Mittelfeldspieler im 4-3-3 vor dem einzigen Sechser Julian Weigl. Gemeinsam mit dem anderen Achter Kagawa orientierte sich Reus extrem weit nach vorne und visierte meist die Schnittstellen der Stuttgarter Viererkette an. Im Gesamten bildete die Offensive des BVB damit eine flache Fünferreihe, die sich zwischen Mittelfeld und Abwehr des VfB einnistete. Die Verteidigung blieb dagegen tief, um zusammen mit Weigl den Spielaufbau zu organisieren. Manchmal streuten sie auch eine Variante ein, in der Durm etwas aufrückte und eine Dreierkette hinterließ.

Dortmund lockt Stuttgart aus der Reserve

Die Idee hinter dieser Ausrichtung war wohl, den Ball ein wenig in den eigenen Reihen laufen zu lassen und den VfB aus der Reserve zu locken, um dann das Mittelfeld schnell zu überbrücken und mit bis zu fünf Mann die gegnerische Viererkette zu attackieren. Das klappte fürs Erste ganz gut, denn der VfB ging aktiv ins Pressing und offenbarte dabei immer wieder Lücken. So schoben etwa die Flügelspieler und die Sechser nicht konsequent genug nach, wenn die beiden Spitzen versuchten Druck zu machen. Dortmund konnte sich mit einem einfachen Pass zum Nebenmann befreien.

Ein weiteres Problem war, dass Werner und Didavi, sobald die Mannschaft etwas zurückgedrängt wurde, sehr passiv verteidigten und besonders Ginter zu viel Raum für die Spieleröffnung ließen. Anschließend fiel negativ ins Gewicht, dass Rupp und Gentner ihre Gegenspieler ausgesprochen eng verfolgten. Das heißt, wenn Reus und Kagawa sich nach außen bewegten, wurden die beiden Sechser weit aus dem Zentrum herausgezogen und es öffnete sich zwischen ihnen viel Raum, in den sich zum Beispiel Adrian Ramos fallen lassen konnte. Dortmunds Mittelstürmer provozierte damit wiederum das Herausrücken eines Innenverteidigers, was für Unruhe in der letzten Linie sorgte.

Allerdings hatte die Spielweise des BVB auch ein paar Nachteile: Wenn die Borussia im Vorwärtsgang den Ball verlor, klaffte im dünn besetzten Mittelfeld erst mal ein Loch. Dieses Loch verschaffte dem VfB Zeit für die Einleitung seiner Konter. Fatalerweise hatte der VfB an diesem Nachmittag aber sehr mit den eigenen Umschaltangriffen zu kämpfen. Dortmund stand mit Weigl und den tiefen Außenverteidigern meist mit einer soliden Fünf-Mann-Absicherung da, sodass ein direkter Durchbruch nicht möglich war. Außerdem rückten die Stuttgarter extrem zögerlich nach, sodass sie sich vorne immer wieder in Unterzahlsituationen wiederfanden. So kam es, dass der VfB zwar einigermaßen am Spiel teilnahm, aber dennoch kaum einen seiner Angriffe wirklich gefährlich durchbringen konnte.

Tuchels Korrektur bringt Dortmund auf die Siegerstraße

Gästetrainer Thomas Tuchel war die Offenheit der Partie wohl trotzdem ein Dorn im Auge und so nahm er nach 20 Minuten eine spielentscheidende Umstellung vor: Die Formation des BVB blieb ein 4-3-3, aber es gab personell eine Rochade: Pulisic wechselte auf den rechten Flügel, Mkhitaryan rückte dafür ins Zentrum neben Kagawa und Reus übernahm die linke Seite. Das zentrale Mittelfeld war damit einen Tick defensiver besetzt, was sich positiv auf die Stabilität auswirkte.

Nur Stückwerk vom VfB

Wichtig war aber vor allem der Effekt auf die Offensive: Die Achter Kagawa und Mkhitaryan fielen deutlich weiter zurück als zuvor Reus. Das bedeutet, dass die immer noch sehr am Mann orientierten VfB-Sechser weiter aus der Position gezogen wurden. Kurioserweise dauerte es nach der Umstellung nur wenige Sekunden, bis daraus ein Tor entstand: Mkhitaryan forderte auf der linken Seite den Ball und lockte damit Rupp aus der Zentrale. Mit einem einfachen Doppelpass nutzte er den geöffneten Raum selbst und überlief Klein. Im Strafraum machte sich dann Dortmunds hohe Offensivpräsenz bezahlt, sodass Kagawa in der Schnittstelle zwischen Barba und Insua ohne Bedrängnis einschieben konnte. Insua war vorher von Pulisic gebunden worden und kam gegen den Japaner nicht mehr hinterher.

Vom VfB kommt nur Stückwerk

Auch nach dem Rückstand lieferte der VfB nur Stückwerk ab. Meistens versuchte man viele Spieler auf den Flügel zu schieben, um dort Überzahl zu erzeugen. Wegen der geringen Anbindung ans Zentrum ergaben sich daraus aber lediglich einige Flanken von der linken Seite. Um aus diesen zumindest ein bisschen Kapital schlagen zu können, hätte wiederum der Strafraum besser besetzt werden müssen. Didavi und auch Werner zogen aber eher auf den Flügel als in den Sechzehner, während Gentner sich im Aufrücken sehr zurückhielt. Oft stand nur Harnik konstant als Abnehmer für die Flanken bereit und das war für Bürki und die BVB-Abwehr leicht vorherzusehen.

Das 0:2 kurz vor der Pause fiel dann ein wenig aus dem Nichts, denn eigentlich hatten sich die Gäste nach der Führung eher zurückgezogen. Kramnys Halbzeitansprache schien jedoch Wirkung gezeigt zu haben, denn der VfB steckte diesen Rückschlag zunächst überraschend gut weg. Seine Mannschaft kam griffig und mit mehr Mut und Intensität aus der Pause. Außerdem gab es taktisch eine kleine aber effektive Anpassung: Harnik rückte gegen den Ball nun immer häufiger ins Mittelfeldzentrum ein, um Mkhitaryans Einfluss zu begrenzen. Dadurch erzielte der VfB einige Ballgewinne und kam besser nach vorne, blieb aber ohne die entscheidende Aktion.

Zehn Minuten dauerte dieses Aufbäumen, bis der BVB den Deckel zumachte. Zuvor waren immer mehr VfB-Spieler nach vorne gegangen, um das 1:2 zu erzwingen. Dortmund schien allerdings nur darauf gelauert zu haben und konterte schnörkellos zum 0:3. Danach war das Spiel entschieden. Zwar bemühte sich der VfB noch vorne etwas zu bewegen, aber mit fortlaufender Spieldauer wurden die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen immer größer und der BVB ließ den Ball souverän durch die Zwischenräume laufen. Ohne Schwierigkeiten brachten sie so das Ergebnis über die Zeit.

Fazit: Der VfB tritt verunsichert auf

Tuchels Plan ging nach seiner Korrektur in der ersten Halbzeit auf. Die offensiv ausgerichteten Achter sorgten dafür, dass der BVB immer wieder Löcher ins VfB-Mittelfeld reißen und seine Angriffe mit vielen Spielern im Strafraum effektiv abschließen konnte. Gleichzeitig blieb die Absicherung durch die tiefen Außenverteidiger gut genug, um einen offensiv harmlosen VfB entscheidend auszubremsen.

Hingegen zeigte sich der VfB erneut verunsichert, was sich in zahlreichen taktischen Schwachpunkten niederschlug - vor allem in Form des kaum zusammenhängenden Pressings und des fast schon ängstlichen Nachrückens im Umschalten. Diese Probleme zeugen einerseits von geringem Selbstbewusstsein, andererseits aber auch von taktischen Unzulänglichkeiten. Um dagegen anzukommen, muss sich Jürgen Kramny schleunigst etwas einfallen lassen.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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