VfB Stuttgart Transfermarkt Leih-Abbrüche – das steckt hinter dem neuen Trend

Laurin Ulrich (li.), Frans Krätzig und Mohamed Sankoh (re.) stehen sinnbildlich für einen Trend, der auch den VfB Stuttgart erreicht hat. Foto: imago/Lucca Fundel/Pasquale Golia

Immer öfter kommt es im Fußballgeschäft zur vorzeitigen Beendigung von Leih-Geschäften. Auch beim VfB Stuttgart. Das steckt hinter dem neuen Trend.

Sport: Philipp Maisel (pma)

Leih-Geschäfte im Fußball begleiten die Branche seit vielen Jahren. Sie sind längst fester Bestandteil des Geschäfts. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Durch Leihen können sich die Vereine beispielsweise die Gehälter teurer Spieler sparen oder jungen Profis die nötige Spielpraxis verschaffen. In Zeiten des Financial Fair Play (FFP) sind sie zudem flächendeckend, auch im sehr hochpreisigen Segment des Marktes, zu einer Handhabe geworden, kurzfristig und relativ günstig die Qualität des eigenen Kaders zu steigern – ehe dann mittelfristig über die den Deal oft begleitende Kaufoption die wirkliche Transfersumme in Millionenhöhe fließt.

 

Das führte in den letzten Jahren zu diversen Trends auf dem Markt. Zum einen zu einer immensen Varietät an Klauseln, die solche Geschäfte begleiten und im Zweifel Heerscharen von Juristen beschäftigen. Zum anderen zu einem Geschäftsmodell innerhalb des Geschäftsmodells. So waren etwa der FC Chelsea oder auch Udinese Calcio dafür bekannt, ganze „Schattenkader“, auch „Loan Armys“ (Leih-Armeen) genannt, unter Vertrag zu haben, die formell zwar dem Club zugehörig sind, aber nie Spiele für ihn absolviert haben. Weil sie ständig ausgeliehen waren – um mit diesen Leihgeschäften gutes Geld zu verdienen oder zumindest den einstigen Transfer zu amortisieren.

Leih-Abbrüche sind ein neuer Trend

Ein neuer Trend auf dem Markt sind Leih-Abbrüche. Und hier kommt der VfB Stuttgart ins Spiel. Denn der Transfermarkt in diesem Winter ist gerade einmal knappe 72 Stunden offen, da hat der Club schon drei solcher Deals vollzogen. Zuerst kehrte Laurin Ulrich nach nur sechs Monaten vom SSV Ulm zurück, weil sich seine Hoffnung auf Spielzeit in der zweiten Liga nur unzureichend erfüllt hat. Dann löste der VfB eine gültige Leih-Vereinbarung bezüglich Frans Krätzig mit dem FC Bayern vorzeitig auf. Den Youngster zieht es nun wohl nach Heidenheim. Die nächste vorzeitige Beendigung einer Leihe: Mohamed Sankoh kehrt nach nur 247 Einsatzminuten in neun Teileinsätzen für Cosenza Calcio (Serie B Italien) zum VfB Stuttgart II zurück.

Der Angreifer hat schon an diesem Freitag erstmals mit der Mannschaft trainiert, wird nun mit dem Team ins Trainingslager nach Cadiz aufbrechen und soll ab dem 18. Januar (gegen Hansa Rostock) mit seinen Toren mithelfen, den VfB II in der 3. Liga zu halten. Womit sich für ihn ein Kreis schließen würde – denn sein erstes und bisher einziges Saisonspiel für Stuttgart hat Sankoh just am 1. Drittliga-Spieltag absolviert – bei Hansa Rostock. Dieser Einsatz verhindert nun eine weitere Leihe noch in diesem Winter, denn sonst käme der Stürmer womöglich auf Pflichtspiele für drei verschiedene Profimannschaften innerhalb einer Saison – und das verhindert das Uefa-Reglement.

Clubs reagieren wegen Wertverlust früher

Was man als gemeinsamen Nenner dieser Deals und somit auch als Grund für den Trend zu Leih-Abbrüchen innerhalb der Branche benennen kann, ist der Umstand, dass die Clubs nun früher reagieren, ihre Spieler zurückholen und anderweitige Einsatzmöglichkeiten schaffen, um den Wertverlust der Akteure so gering wie möglich zu halten Denn klar ist auch, wird ein Spieler verliehen und versauert beim neuen Club auf der Bank, verliert er an Wert und ist zukünftig schwerer (lies: nicht mehr so teuer) weiterzuvermitteln. Ein Trend, der aber auch den Spielern zugutekommt, weil sie so früher wieder die Möglichkeit bekommen, mit guten Leistungen auf sich aufmerksam zu machen.

Wenn auch wie im Fall von Ulrich und Sankoh „nur“ beim VfB II. Und hier landen wir bei der etwas differenzierten Betrachtung dieser beiden Transfers. Während man bei Sankoh davon ausgehen muss, dass es die wirklich allerletzte Chance für den Niederländer ist, doch noch einmal Fuß zu fassen beim VfB und die zweite Mannschaft angesichts der Sturmmisere (fünf zentrale Angreifer kommen auf nur neun Saisontore) von seiner Offensivkraft nur profitieren kann, sieht es bei Ulrich etwas positiver aus.

Der 19-Jährige, der vor Saisonbeginn beim VfB II klar als starke Nummer zehn mit Stammplatzgarantie eingeplant war, diese Rolle aber nicht wollte und ungeduldig (und wohl auch vom Umfeld getrieben) in die zweite Liga wechselte, kehrt nun reumütig zurück und wird voraussichtlich in der 3. Liga viele Einsatzminuten sehen. Eine Ausbildungs- und Entwicklungsplattform, die der VfB erst seit Saisonbeginn wieder hat (nach neun Jahren Regionalliga-Tingelei) und die jetzt schon ihre Wertigkeit mehr als unter Beweis gestellt hat, was man beispielsweise an den Bundesliga-, Pokal- und Champions-League-Einsätzen von Anrie Chase, Jarzinho Malanga und Benjamin Boakye ablesen kann. Ulrich könnte der nächste sein, der davon profitiert und so womöglich irgendwann seinen bisher fünf Bundesliga-Minuten für den VfB (12. November 2022 gegen Bayer 04 Leverkusen) weitere hinzufügen kann.

Weitere Themen