Das Verhältnis zwischen einigen VfB-Fans und der Stuttgarter Polizei ist derzeit ziemlich belastet – und die Situation verfahren.

Stuttgart - Auf seine Fans kann sich der VfB Stuttgart im Liga-Endspurt verlassen. Am Samstag (15.30 Uhr) gegen den Hamburger SV werden 60 000 ins ausverkaufte Stadion strömen. Mit einem Zuschauerschnitt von knapp 56 000 wird der Aufsteiger am Ende der Saison wahrscheinlich den vierten Platz im Bundesliga-Ranking belegen.

 

Alles prima also? Nicht ganz. Denn zuletzt hatte der VfB auch so seine Problemchen mit einigen seiner Fans. Offen zutage trat dies vor dem jüngsten Auswärtsspiel beim SC Freiburg. Ein Großaufgebot der Polizei hinderte die organisierte Szene an der Abfahrt. Es folgte eine mehrstündige Intensivkontrolle – man könnte auch von Razzia sprechen –, an deren Ende ein paar Sturmhauben beschlagnahmt wurden. Elf Fans wurden an der Fahrt gehindert. Der Rest traf erst verspätet ein – und war entsprechend bedient.

Der aus Sicht der Anhänger unverhältnismäßige und völlig überzogene Einsatz ist seither großes Thema in der Szene. „Eine völlig übertriebene Maßnahme war das“, sagt die Rechtsanwältin Angela Furmaniak. Sie ist nah dran an der Szene und seit Jahren der Rechtsbeistand der Stuttgarter Ultras. Sie spricht von einer „erheblichen Verschlechterung“ der Situation am sonst eigentlich eher ruhigen Bundesligastandort Stuttgart. Seit Monaten wehe vonseiten der Polizei „ein anderer Wind“.

Die neue Strategie der Polizei

Wohlwissend, dass die organisierten Gruppen keine Unschuldslämmer sind und es zuletzt öfter zu Auffälligkeiten rund um Partien des VfB kam. So sollen beim Auswärtsspiel in Bremen 100 VfB-Anhänger von gegnerischen Fans erst attackiert, später dann in Auseinandersetzungen mit der Polizei verstrickt gewesen sein. Beim Heimspiel gegen den SC Freiburg soll es sich gar um eine 150-köpfige Schar gehandelt haben, die einen Fanbus der Gäste angriff. Zuletzt beim Duell mit Eintracht Frankfurt fielen die Stuttgarter Fans durch das Abbrennen von Pyrotechnik auf.

Und die Reaktion der Polizei? Was die Fans als „Daumenschrauben anziehen“ werten, bezeichnet die Ordnungsmacht nüchtern als neue Strategie. „Wir versuchen verstärkt, einzelne Übeltäter herauszupicken, die im Schutz der Gruppe agieren“, sagt Stuttgarts Polizeisprecher Stefan Keilbach. Nach seiner Ansicht sind die gewaltbereiten Täter zunehmend konspirativ unterwegs – entsprechend intensiv versuche man im Dunstkreis „mehr Beteiligte zu identifizieren und zuzuordnen“. So habe man bei der groß angelegten Durchsuchungsaktion acht Helfer ausfindig machen können, die beim Spiel gegen Frankfurt den Bengalo-Zündlern Sichtschutz gegeben haben sollen. Ihnen prophezeit die Polizei bereits vorab Bewährungsstrafen – obwohl es ein derartiges Verfahren zuvor noch nie gab.

Was sagt der VfB zu der Problematik?

Keilbach bestätigt, dass die Buskontrolle tatsächlich eine „neue Variante“ polizeilicher Taktik gewesen sei. Zugleich räumt er mit dem unter Ultras kursierenden Feindbild auf, wonach ein neuer Mann in der Einsatzleitung für die neue Gangart verantwortlich sei. Mindestens vier Beamte führten bei einem Fußballwochenende Regie. Was so auch nicht stimme, sei die Vermutung, die Razzia vor dem Freiburg-Spiel sei eine Reaktion auf die Vorfälle in der laufenden Saison gewesen. Laut Keilbach habe das Umdenken bei der Polizei schon vor drei Jahren begonnen. Damals musste ein Beamter bei einem VfB-Heimspiel gegen Hertha BSC in Richtung von Randalierern einen Schuss in die Luft abgeben – zum Selbstschutz, wie es damals hieß.

Die Argumente der Polizei werden die Ultras kaum besänftigen – zu verfahren ist die Situation. Eine Gemengelage, die sich schnell verstärken kann, fürchtet Fan-Anwältin Furmaniak. „Die derzeitige Situation dient als Nährboden für eine Radikalisierung gerade der jungen Fans.“

Doch was tun? Der zwischen den Stühlen sitzende VfB Stuttgart ist sich der Komplexität des Themas bewusst. „Wir befinden uns in engem Austausch mit den zuständigen Behörden und den entsprechenden Fangruppen“, sagt Clubsprecher Tobias Herwerth. Er legt Wert darauf, dass die Kommunikation vertraulich und nicht öffentlich stattfinden soll.

Eine neuerliche Eskalation ist gegen den HSV indes nicht zu befürchten. Von den Ultras würde jetzt niemand „beleidigt auf den Putz hauen“, prophezeit Furmaniak.