Am 9. Oktober sollen die Mitglieder des VfB Stuttgart einen Präsidenten wählen, dessen Geschäftsgeflecht undurchschaubar erscheint. Bisher hat die DFL dieser Personalie noch nicht ihre Zustimmung gegeben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Das Gründerzeithaus Silberburgstraße 187 hat eine interessante Geschichte. Hier lebte einst der Evangelische Landesbischof Theophil Wurm, der von den Nazis zeitweise seines Amtes enthoben worden war. Dagegen protestierten am Stuttgarter Silberbuckel 1934 mehr als 7000 Menschen, woran heute noch eine Tafel erinnert. An dem Wohn- und Bürohaus hängen aber noch mehr Schilder. Die weisen nicht in die Vergangenheit, sondern mutmaßlich in die Zukunft – in die Zukunft des VfB Stuttgart. Hier hat das Familienunternehmen von Wolfgang Dietrich und diverse seiner Tochtergesellschaften ihren Stuttgarter Sitz.

 

Am 9. Oktober soll Seniorchef Dietrich auf der Hauptversammlung des Zweitligisten zum neuen Präsidenten gewählt werden. Wenn die Mitglieder dem Vorschlag des VfB-Aufsichtsrats mehrheitlich zustimmen, würde für Dietrich also ein weiterer Geschäftsbereich dazukommen – diesmal ein ehrenamtlicher.

Wie viel Wolfgang Dietrich steckt noch in der Quattrex Sports AG?

Mit einer Ein-Mann-Rücktrittswelle versucht Wolfgang Dietrich, die Zweifel zu zerstreuen und den Verweis auf Interessenskonflikte zu entkräften. So trat er im August von seinem Aufsichtsratsposten bei der im Profifußball aktiven Quattrex Sports AG zurück, die von Tobias Schlauch als Vorstandsvorsitzender geführt wird. Tobias Schlauch, ein ehemaliger Angestellte der Deutschen Bank, und Wolfgang Dietrichs Sohn Christoph sind Dietrichs Vertrauensleute, die dieser mittlerweile in den meisten seiner Firmen zu seinen Nachfolgern in Handelsregister hat eintragen lassen.

Während Vater und Sohn Dietrich mit Tobias Schlauch die Hauptdarsteller in diesem Konglomerat sind, ist die Quattrex Sports AG ihre wichtigste Bühne. Die Firma verleiht an in finanzielle Schieflage geratene Clubs Geld, lässt sich das Darlehen gut verzinsen und partizipiert an möglicherweise steigenden Fernsehgeldern. Vor Kurzem hat die Firma einen Fonds aufgelegt, mit dem auch Privatanleger direkt in Bundesligaclubs investieren können. Zudem gibt es mit Quattrex Finance GmbH, der QLD Ballsport GmbH und der Ventric GmbH drei weitere Ableger im Dietrich-Konsortium mit demselben Feld: Finanzgeschäfte im Sport.

Auch der 1. FC Heidenheim und Union Berlin sind Quattrex-Clubs

Quattrex-Clubs in der zweiten Liga und damit Liga-Konkurrenten des VfB sind unter anderem der 1. FC Heidenheim, Union Berlin, und nach SWR-Informationen auch der 1. FC Nürnberg und der 1. FC Kaiserslautern. Wolfgang Dietrich glaubt, dass es durch seinen Rücktritt als Aufsichtsratschef der Quattrex Sports AG keinen Interessenskonflikt mehr geben kann, sollte er zum neuen VfB-Chef gewählt werden. Allerdings hält Dietrich nach StZ-Informationen knapp 20 Prozent der Quattrex-Aktien und hat schon deshalb ein Interesse daran, dass es der Firma gut geht. Außerdem räumte er im Gespräch mit dieser Zeitung ein, dass ihn sein Sohn auch weiterhin geschäftlich um Rat fragen wolle.

Was würde der Vater wohl antworten, wenn der Sohn sich in einer zwiespältigen Situation an den VfB-Präsidenten wandte? Man stelle sich vor: In der Winterpause haben sowohl der VfB als auch der Quattrex-Club Union Berlin gute Aussichten am Ende der Saison Aufstiegsplatz zwei in der zweiten Liga zu erreichen. Union Berlin fragt bei der Quattrex Sports AG um eine Erhöhung des Darlehens an, um einen Stürmer zu verpflichten, der die Chancen auf den Aufstieg deutlich verbessern würde. Was antwortet da der VfB-Präsident?

Interessenskonflikte kann Dietrich nicht leugnen

Er kann jedenfalls nicht sagen, dass hier kein Interessenskonflikt vorliegt. Dietrich wiederum verweist darauf, dass er „nicht mehr operativ bei der Quattrex Sports AG tätig“ sei. Auch weil es in der Satzung von VfB und Deutscher Fußball-Liga (DFL) heißt: „Mitarbeiter oder Mitglieder von Organen oder Unternehmen, die zu mehreren Vereinen oder Tochtergesellschaffen der Lizenzligen (…) in vertraglichen Beziehungen stehen, dürfen nicht Mitglied in Kontroll- und Geschäftsführungs- und Vertretungsorganen des Vereins sein.“

Der Aufsichtsrat des VfB sieht in den Aktivitäten von Wolfgang Dietrich jedenfalls kein Problem, sondern vielmehr einen Vorteil. „Er kennt sich im Profisport aus, er bringt Erfahrungen aus der Wirtschaft mit, und er hat Erfahrungen in gehobenen Führungspositionen“ sagt Martin Schäfer, der Chef des Kontrollgremiums, das Dietrich den Mitgliedern als einzigen Präsidentschaftskandidaten vorschlägt.

Dietrich als Präsident durchzubringen, könnte kompliziert werden

Dieser Personalie hat die DFL bisher aber noch nicht ihre Zustimmung gegeben. Ein Anfrage der StZ wurde so beantwortet: „Der VfB Stuttgart und Herr Dietrich sind in dieser Sache auf die DFL zukommen, zum Stand der noch laufenden Gespräche werden von unserer Seite zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben gemacht.“ Was so interpretiert werden könnte, dass die DFL prüft, ob ein Verstoß gegen die Statuten vorliegt. Den Wunschkandidaten durchzubringen, wird für den VfB-Aufsichtsrat möglicherweise komplizierter als erwartet.

Bei den Stuttgarter Kickers ist Wolfgang Dietrich schon bestens bekannt. Trotz eines Millionen-Darlehens aus dem Hause Quattrex spielen die Degerlocher mittlerweile in der vierten Liga. Im Aufsichtsrat des Viertligisten sitzen derzeit Christoph Dietrich und Quattrex-Mitarbeiter Fabian Gerster, vormals Kickers-Profi. Zeitweise war sogar der Quattrex-Vorstand Tobias Schlauch Finanzchef der Kickers.

Ehemaliger Kickers-Präsident: „Herr Dietrich duldet keinen Widerspruch“

Keine Überraschung also, dass die Quattrex Sports AG beziehungsweise das Tochterunternehmen QLD Ballsport GmbH im Verdacht stand und steht, massiv Vereinspolitik zu betreiben. „Das ist absoluter Quatsch. Da fragen Sie doch am besten den Präsidenten der Kickers, ob sich die Quattrex in die Vereinspolitik eingemischt hat“, sagt Dietrich. Es wurde nachgefragt – allerdings nicht beim aktuellen Präsidenten Rainer Lorz, sondern bei dessen Vorgänger. Edgar Kurz hatte den Vertrag 2010 mit der Quattrex Sports AG abgeschlossen und würde das heute nicht mehr tun. „Herr Dietrich hat sich massiv eingemischt und uns Michael Zeyer als Sportdirektor aufs Auge gedrückt“, sagt Kurz, der sein Amt Ende 2011 frustriert niederlegte. Danach mussten der gerade zum Trainer des Jahres 2016 gewählte Dirk Schuster, Geschäftsführer Jens Zimmermann sowie der Berater Guido Buchwald den Verein verlassen. „Herr Dietrich duldet keinen Widerspruch“, sagt Kurz.

Michael Zeyer durfte bleiben, er gilt als Vertrauter von Dietrich und arbeitet trotz des Abstiegs weiterhin als Sportdirektor der Kickers, neben seiner Tätigkeit als Chef des Stuttgarter Luxus-Restaurants „5“.

Am 9. Oktober will Dietrich in der Stuttgarter Schleyerhalle gewählt werden

Nach den Kickers will Wolfgang Dietrich nun auch beim VfB einstiegen – als Präsident. Möglicherweise wird er dann auch in Cannstatt Vertrauensleute um sich scharen. Neben seinem Sohn Christoph und Tobias Schlauch gehören dazu unter anderem der frühe VfB- und Hertha-Manager Dieter Hoeneß und der ehemalige Stuttgarter Torhüter Jens Lehmann.

Am 9. Oktober will sich Wolfgang Dietrich in der Schleyerhalle den VfB-Mitgliedern zur Wahl stellen. In der Satzung des Vereins steht dazu sinngemäß: Wenn der Kandidat nicht die erforderliche einfache Mehrheit erhält, kann innerhalb von drei Monaten noch einmal über ihn abgestimmt werden. Sollte er dann wieder nicht über die 50-Prozent-Marke kommen, wird der Präsident vom Aufsichtsrat bestimmt.