Mit drei Rückrundensiegen und nur einem Gegentor hat sich der VfB an die Spitze der zweiten Liga gesetzt. Nun geht es am Freitag (18.30 Uhr) zum 1. FC Heidenheim. Ein heißes Derby – und Anlass, die Stärken und Schwächen zu beleuchten.

Stuttgart - Der Blick auf die Tabelle wird dem VfB-Fan gefallen: Da führt sein Herzensclub als aktueller Spitzenreiter das Feld in der zweiten Fußball-Bundesliga an, liegt also wie gewünscht auf Aufstiegskurs. Mit drei Zählern Vorsprung auf Hannover 96 fällt das Punktepolster zwar nicht üppig aus, und doch ist es nach 20 von 34 Partien größer denn je in dieser so bedeutenden Spielzeit. Letztlich sind es ja die vielen kleinen Verbesserungen, die den VfB stetig nach vorne gebracht haben.

 

„Der Trend stimmt“, das hat auch der Manager Jan Schindelmeiser zufrieden bemerkt. Immerhin haben seine Stuttgarter Ballkünstler mit dem 1:0 beim FC St. Pauli sowie den Heimsiegen gegen Düsseldorf (2:0) und Sandhausen (2:1) zuletzt drei Siege hintereinander eingefahren, ehe man am Freitag (18.30 Uhr) in Heidenheim Revanche für die 1:2-Niederlage im Hinspiel nehmen möchte.

Gerade mal ein Gegentor musste die Hintermannschaft der Roten um ihren zwar 20 Jahre jungen Abwehrchef Timo Baumgartl seit der Winterpause hinnehmen (die fünf Testspiele in der Vorbereitung inklusive), was auch Trainer Hannes Wolf freut: „Wir haben in unser gesamtes Defensivverhalten wesentlich mehr Stabilität hineinbekommen.“ Das war auch bitter nötig, denn mit 21 Gegentoren war sein Team hin und wieder (Dresden 0:5, Würzburg 0:3) gar zur Schießbude verkommen.

Fast alle Positionen sind doppelt besetzt

Der Aufschwung liegt auch daran, dass sich Spieler wie Marcin Kaminski oder Anto Grgic gesteigert haben. Dazu hat man beim Frühstarter VfB an der Ausdauer gearbeitet. Wo dem Team noch in der Vorrunde nach zwei Dritteln der Spielzeit gerne mal die Luft ausging, war Hannes Wolf nach dem Sandhausen-Sieg „stolz auf die Mannschaft, weil wir die Substanz hatten, dass Spiel in der Schlussphase noch zu gewinnen“. Das sieht Manager Schindelmeiser genauso: „Es ist gut, dass die Mannschaft inzwischen mit Widerständen umgehen kann – das war in der Hinserie noch nicht so“, sagt der einstige Defensivspieler des Oberligisten 1. SC Göttingen 08.

Mit sieben Neuzugängen, davon drei im Sommer, vier im Winter, von denen noch keiner seinen 22. Geburtstag gefeiert hat, darf sich Schindelmeiser obendrein als Vater des neuen Stuttgarter Jugendstils fühlen.

Der VfB besitzt gerade mit den Franzosen Benjamin Pavard und Jérôme Onguéné, mit Julian Green oder Josip Brekalo genug Optionen für die Zukunft – aber schon jetzt ist jede Position mit Ausnahme der des linken Verteidigers doppelt besetzt. Das schafft Alternativen. Mit Simon Terodde und Carlos Mané verfügt der VfB zudem über zwei bemerkenswerte Einzelkönner, nämlich den Toptorjäger und den Zauberfuß der Liga.

Der VfB kämpft noch um die nötige Konstanz

Natürlich kennt auch Hannes Wolf diesen Trainertraum vom perfekten Spiel. Er hat ihn ja schon vom FC Barcelona mit seiner unfassbaren Passsicherheit vor Augen geführt bekommen. Oder vom FC Bayern unter Pep Guardiola mit einer nicht enden wollenden Variabilität. Doch der junge Coach des VfB Stuttgart hält selbst ein paar Stufen darunter das Übertragen einer solchen fußballerischen Dominanz für illusorisch. Das geht nicht in dieser zweiten Liga und nicht mit dieser Mannschaft. Weshalb sich Wolf am Machbaren orientiert – und das ist der Kampf um Konstanz. Zunächst über 90 Minuten und von da aus über mehrere Spiele hinweg.

Das ist der Anspruch, dem sich die Wirklichkeit in den drei Rückrundenpartien angenähert hat. Die Stuttgarter schaffen es jetzt, Spiele wie gegen schwache Düsseldorfer gut aussehen zu lassen, oder Spiele wie gegen starke Sandhäuser nach dem vorübergehenden Ausgleich nicht ganz aus der Hand zu geben. Sie schaffen es aber noch nicht, die Intensität durchweg so hoch zu halten, dass der Gegner nur einen Eindruck gewinnen kann: Hier und heute ist nichts zu holen.

„Wir haben zu viele Zweikämpfe verloren“, sagt Wolf zur Sandhausen-Partie. Doch der VfB braucht Balleroberungen, um in sein Umschaltspiel zu kommen. Gerade gegen Teams, die hinten gut organisiert und vorne mutig genug sind, um den Favoriten zu piesacken. Begegnen die Stuttgarter ihren Gegnern dabei nicht mit der Einstellung, dass wirklich in jedem Zweikampf der Sieg auf dem Spiel stehen könnte, dann laufen sie noch immer Gefahr, die Spielkontrolle zu verlieren.

Die Außenverteidiger Großkreutz und Insua müssen sich steigern

Wie in Dresden und Würzburg, als die Systeme in sich zusammenbrachen – und wie es am Freitag in Heidenheim passieren könnte. Gut genug ist der schwäbische Rivale jedenfalls. „Wir haben gemerkt, dass der Gegner sofort gefährlich wird, sobald wir nachlassen“, sagt Timo Baumgartl, an dessen Abwehrkollegen Emiliano Insua und Kevin Großkreutz sich die Problematik auch zeigt: Der eine ist ein guter Flankengeber, aber ebenso ein zu Stellungsfehler neigender Linksverteidiger, der nicht den Konkurrenzdruck spürt, immer alles geben zu müssen. Der andere ist ein Weltmeister, der sich reinkämpft, aber sich noch lange nicht auf dem alten Niveau befindet.

Nicht allzu schnell sind beide, was mit Blick auf die Flügelflitzer in der Bundesliga keine beruhigende Aussicht darstellt. Und die erste Liga ist ja der Maßstab, an dem sich der Zweitliga-Spitzenreiter indirekt auch messen lassen muss. Doch um den Traum von der Rückkehr erst einmal wahr werden zu lassen, muss Wolf noch an einigen Defiziten seine Trainerhand anlegen.