In der vergangenen Saison war Mario Gomez im Kampf gegen den Abstieg ein wichtiger Faktor. Davon ist der Stürmer derzeit weit entfernt. Wird er doch noch einmal wichtig?

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Diese beiden Szenen aus dem öffentlichen Training vom Dienstagvormittag haben Symbolcharakter: Da ist zum einen der verunglückte Schuss aus halblinker Position, den Mario Gomez aus rund sieben Metern mit links nicht in die Maschen, sondern mit voller Wucht über das Fanggitter hinter dem Tor drischt. Weniger später rutscht dem VfB-Starstürmer, der sich mit 169 Bundesliga-Toren in seiner großen Karriere bereits Legendenstatus erworben hat, beim Versuch einer Volleyabnahme mit rechts der Ball derart über den Schlappen, dass der Schuss im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten losgeht.

 

Nein, es läuft aktuell nicht rund für den Stuttgarter Mittelstürmer, der mit mageren sechs Saisontreffern vor Steven Zuber (fünf Tore) noch immer der beste Torschütze beim VfB Stuttgart ist. Allein das sagt viel über das chronisch laue Lüftchen im Sturm des Tabellen-Drittletzten aus. Szenen wie die beiden tragisch-komischen Aktionen im Training gehören für einen Fußballprofi zwar auch zum Alltag, trotzdem verfestigt sich der Eindruck, den Gomez bereits zuvor bei den öffentlichen Einheiten während der Länderspielpause hinterlassen hatte. Da ist er nicht gerade als engagiertes Laufwunder aufgefallen.

Der Stürmer beschwert sich nicht

Geht es also nach den Trainingsleistungen, dann wird am Sonntag (Anpfiff 18 Uhr) im schweren Gastspiel bei Eintracht Frankfurt nicht der 33-jährige Platzhirsch, sondern der 13 Jahre jüngere Nicolas Gonzalez mit Alexander Esswein das Angriffsduo des VfB bilden.

„Die Leichtigkeit und das Selbstverständnis, das er immer hatte, sie fehlen ihm gerade“, sagt Trainer Markus Weinzierl über den Stürmer, der bereits bei den Auswärtsspielen beim FC Bayern sowie in Dortmund bei Anpfiff auf der Ersatzbank saß. Als er nach zuvor 18 Saisonspielen in Serie als Teil der VfB-Anfangsformation in München erstmals in der Startelf fehlte, hat sich Gomez nicht beschwert. „Der Trainer hat so entschieden, er macht die Aufstellungen. Ich habe es akzeptiert. Ich werde definitiv keinen Ärger machen“, sagte er da: „Denn Unruhe in der Mannschaft ist das Letzte, was ich will.“

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In der Partie gegen den SC Freiburg ist Gomez dann erstmals in seiner Laufbahn mit Gelb-Rot samt anschließendem verbalem Kabinengefecht mit Schiedsrichter Denis Aytekin vom Platz geflogen. Auch dies ist ein Beleg dafür, dass es schon mal besser lief für den Mann aus Riedlingen an der Donau.

Als Konterspieler taugen andere besser

Die einzige Weltmarke im Kader des VfB, der Häuptling im Sturm, hat mächtig Federn gelassen. Wie bei seinem dicken Kumpel und VfB-Kapitän Christian Gentner, der seinerseits inzwischen seit fünf Partien nicht mehr in der Startelf stand, hat sein Nimbus der Unantastbarkeit zuletzt böse gelitten. „Wir müssen hinten kompakt stehen – und sind vorne auf Konter aus“, so lautete nicht nur in München und Dortmund der Auswärtsschlachtplan des Trainers Weinzierl. Und ein Konterspieler – das ist Gomez aufgrund seiner inzwischen fehlenden Durchsetzungskraft in Eins-zu-eins-Sprintduellen nicht.

Lediglich in Heimspielen war er bei Markus Weinzierl zuletzt noch erste Wahl. Aber auch dieser Status wackelt. Denn längst macht der VfB-Cheftrainer kein Geheimnis mehr daraus, dass er eine Hauptursache für die Stuttgarter Krise darin sieht, dass die erfahrenen Leitwölfe Gomez und Gentner sowie die anderen Routiniers Holger Badstuber und Dennis Aogo in dieser Runde bisher schwach gespielt haben.

Macht Gomez noch einmal den Unterschied

Und so stellt sich unweigerlich die Frage, was der VfB von Mario Gomez noch zu erwarten hat. Der Stürmer, der im Juli 34 Jahre alt wird, besitzt beim VfB noch einen Vertrag bis zum Sommer 2020. Als der 78-fache Ex-Nationalspieler im vergangenen Winter vom VfL Wolfsburg kam, da konnte er mit acht Rückrunden-Treffern, seiner körperlichen Präsenz und seiner Aura die Wende zum Guten einleiten. Mit Blick auf seine aktuelle tägliche Trainingsarbeit mutet nun allein die Tatsache ein wenig befremdlich an, dass dieser Spieler vor einem Dreivierteljahr noch ein Russland-Fahrer im WM-Kader des amtierenden Weltmeisters gewesen ist.

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Viel Zeit bleibt nicht mehr, um acht Spieltage vor Saisonschluss entscheidende Akzente zu setzen. Ist Gomez, der im Mai 2018 mit Sohn Levi erstmals Vater wurde, zumindest noch der Spieler, der mit seinem Torinstinkt und seiner natürlichen Klasse im Strafraum wenigstens punktuell den Unterschied ausmachen kann?

Gerne hätte man mit Mario Gomez direkt die Frage geklärt, ob hier nun ein verdienter Spieler ins Abendrot seiner Karriere reitet – oder ob von ihm noch ein entscheidender Schub zurück zur sportlichen Führungskraft beim VfB zu erwarten ist. Doch ausführlich über seine eigene Situation will der Stürmer nicht sprechen. „Ich stelle meine persönliche Situation nicht über das Wohl der Mannschaft“ – das lässt Gomez immerhin ausrichten.