Nach dem 1:2 gegen den FC Bayern drängt sich beim VfB Stuttgart die Frage auf, warum der schwäbische Fußball-Bundesligist nicht immer so gut spielt wie gegen den Rekordmeister aus München.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Die Wut trat mit einiger Vehemenz aus der Kabinentür. Sie war frisch geduscht und sah aus wie Martin Harnik. Doch das viele Wasser hatte in der wenigen Zeit nicht gereicht, um die Enttäuschung und die Erregung nach dem bitteren 1:2 des VfB Stuttgart gegen den FC Bayern wegzuspülen. Und wo es normalerweise die sogenannten geföhnten Interviews von Fußballprofis zu hören gibt, stand jetzt Harnik und sprach gegen den Chor der plötzlichen Lobhudler an. Seine Aussagen führten zur Kernfrage, die schon während der Partie über dem Stadion hing: Warum schafft es der VfB nicht regelmäßig, so gut zu spielen wie an diesem Abend gegen den Rekordmeister aus München?

 

Ja, warum eigentlich? Es ist den Stuttgartern nicht verboten, auch gegen andere Teams mutig und leidenschaftlich aufzutreten, sich an einen taktischen Plan zu halten und entschlossen ihre Chance in der Offensive zu suchen. Doch Harnik wirkte, als habe es gar keinen Abpfiff gegeben, als müsse er sich eine Stunde nach dem Spielende immer noch gegen einen übermächtig erscheinenden Gegner in die Zweikämpfe stürzen.

„Es ist ein Armutszeugnis, dass wir es nur zweimal in der Saison schaffen, so eine gute Leistung abzurufen“, sagt der Österreicher zum Beispiel. Oder auch: „Wir dürfen uns nicht in die Tasche lügen, wie toll das hier gegen die Bayern war.“ Und: „Es bringt doch nichts, sich nach einer solchen Niederlage, gegenseitig den Hintern zu pudern.“ Um dann mit der Forderung zu enden: „Wir müssen es schaffen, 30-mal in der Saison an unsere Grenzen zu gehen.“

Gut gegen gute Gegner, schwach gegen schwächere Teams

Aus Mangel an Konstanz steht der VfB aber auf dem zwölften Tabellenplatz. Tendenz fallend. Zumindest was die Punkte angeht. Offensichtlich ist aber mit dem bisher unbefriedigenden Saisonverlauf und nach dem verpatzten Rückrundenstart gegen den FSV Mainz 05 ein Prozess in Gang gekommen, an dessen Spitze sich Harnik stellt. „Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Meinung alleine dastehe“, sagt der Rechtsaußen, „aber so oft habe ich solche kritischen Worte noch nicht aus der Mannschaft gehört.“

Während einer kleinen Zusammenkunft ist das Thema jedoch dort angekommen, wo es hingehört: im Mannschaftskreis. Es dürfe nicht mehr reichen, so der Erkenntnisgewinn nach zuletzt fünf Niederlagen in sechs Spielen, nur als ein Club mit ordentlich besetztem Kader wahrgenommen zu werden. Als ein Team, das an guten Tagen die Großen der Liga durchaus ärgern kann; das sich aber im Alltag als besonders störanfällig in der Defensive zeigt.

VfB bleibt sich selbst ein Rätsel

Auch deshalb bleibt sich der VfB selbst ein Rätsel. Er kann gegen die Guten gut spielen – und verliert. Er kann gegen die Schwächeren schwach spielen – und verliert ebenfalls. So taugt die Begegnung mit den Bayern zwar als die Nacht des wiedererwachten Stolzes, doch sie setzt vor allem einen neuen Maßstab. „Wir haben gesehen, wozu die Jungs imstande sind. Wir werden dieses Level weiter einfordern“, sagt der Trainer Thomas Schneider. Dabei bietet sich Harnik nicht nur als kritischer Geist an, sondern auch als eine Art VfB-Sinnbild: Er rennt seit Monaten seiner Form hinterher, eifrig bemüht, meist im höchsten Tempo – aber eben selten erfolgreich.

Ob das Spiel gegen die vermeintliche Übermannschaft nun der Anfang von etwas Neuem war oder nur ein Ausreißer nach oben, kann sich bereits morgen zeigen. Dann tritt der VfB nach der Partie gegen den Spitzenreiter beim Tabellenzweiten in Leverkusen an. Ein Spielepaket, das im Verein nach dem 1:2 gegen Mainz schon fast zu der Einstellung geführt hatte, dass die wirkliche Rückrunde erst danach losgeht: mit den wirklich wichtigen Spielen gegen Augsburg, Hoffenheim und Hertha.

Gedankengut eines Clubs, der sich im Abstiegskampf befindet. „Wir stecken sicher mittendrin, dürfen deshalb aber nicht in Überpanik verfallen“, sagt der Manager Fredi Bobic. Weshalb ihm die couragierte Vorstellung gegen die Münchner als Mutmacher für eine Zukunft dient, die gleich beginnen soll. „Diese Gier und Leidenschaft, die wir gegen die Bayern gezeigt haben, muss man in jedem Spiel spüren“, sagt Bobic, „dann kehrt auch das Glück zurück.“ Erst dann dürfte Harniks Wut verrauchen.