Stuttgart - Montags ist dem Trainer die Idee gekommen, mittwochs sprach er mit dem Spieler darüber, und samstags entstand dann dieses Bild, das viel aussagt über das Arbeitsverhältnis zwischen Nico Willig und Andreas Beck. Nach einer halben Stunde im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach stand der Interimscoach des VfB Stuttgart an der Seitenlinie – und bei ihm sein Kapitän. Sie diskutierten und justierten nach. In diesem Augenblick wurde nach außen sichtbar, was nach innen unstrittig ist: Beck hat in der Mannschaft eine wichtige Rolle. Und jetzt nimmt er auch auf dem Rasen eine zentrale Position ein – im Mittelfeld.
Beck ist nach dieser Versetzung der Chef auf dem Platz, der verlängerte Arm des Trainers würde es in der klassischen Fußballersprache heißen. Doch da Willig ein moderner Coach ist, benutzt er ganz andere Begriffe. „Andreas Beck ist ein Signalspieler. Deshalb habe ich mir gedacht, dass er in der Mitte besser aufgehoben ist als außen“, sagt der 38-Jährige. Beck ist im Abstiegskampf sein Mann für die Kommunikation. Ein Spieler, dessen Wort bei den anderen gilt und dessen Leistung so stabil ist, dass er Führungsaufgaben übernehmen kann. Und über viele andere Profis dieses Typus verfügt der Stuttgarter Kader in der aktuellen Verfassung nicht.
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„Der Trainer will mich auf einer Position haben, auf der ich mehr Einfluss nehmen kann als bisher“, sagt Beck über das Vertrauen, das Willig ihm entgegenbringt. Der Fußballlehrer weiß aber auch, dass er Spieler braucht, die seine Vorstellungen mittragen. Nur so kann der eigentliche U-19-Coach in kurzer Zeit auf eine Mannschaft einwirken, die er mit Blick auf die Relegation weiter kennenlernen muss, um sie ans rettende Ufer zu bringen.
Bei Beck ging es ganz schnell
Durch viele Gespräche versucht der Bundesliganovize nun ein Gefühl dafür zu bekommen, wie er wem was vermittelt. Bei Beck ging das alles sehr schnell: Willig erzählte ihm von seinem Vorhaben, ihn von rechts hinten ins Zentrum zu beordern. Beck schaute kurz verblüfft, weil er das ja noch nie gespielt hatte, signalisierte aber gleich: Ich bin bereit Trainer, sag mir nur, was ich zu tun habe.
Genau diese Bereitschaft, sich ohne Wenn und Aber auf Veränderungen einzulassen, ist es nun, die als ein Zeichen an die Mitspieler gedeutet wird: Der unerfahrene Trainer nimmt vor allem die erfahrenen Spieler in die Pflicht, um die Statik im Team zu korrigieren. Die neue Mitte, die Willig installiert, ist dabei eine alte Achse – zumindest wenn man auf die Lebensjahre und Erstligaeinsätze schaut.
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Neben Andreas Beck (32/341) bildeten Gonzalo Castro (31/380), Dennis Aogo (32/254) und Daniel Didavi (29/148) die Raute, die im Stuttgarter Fall taktisch speziell austariert ist und eher einem Dreieck entspricht. Denn drei der vier Mittelfeldspieler agierten als Sechser und damit defensiv – und Didavi war in vielen Situationen mehr ein falscher Neuner als ein echter Zehner. Aber eines verbindet das Quartett: ihre Ballsicherheit. Wobei auch klar ist, dass es dieser Reihe zwar nicht an Technik mangelt, aber dafür an Tempo.
„Nico Willig ist experimentierfreudig“
Doch Willig verzichtet an dieser Stelle lieber auf schnellere Beine und ein paar flotte Vertikalpässe nach vorne. Ihm ist es wichtiger, dem Stuttgarter Spiel wieder Struktur zu verleihen und dem Team in kritischen Phasen Halt. Der Plan ist mit dem nötigen Glück beim wichtigen 1:0-Sieg gegen Gladbach aufgegangen, und es ist davon auszugehen, dass der Trainer für die Begegnung am Samstag (15.30 Uhr) bei Hertha BSC bereits an einer neuen Taktik tüftelt. Zumal der routinierte Christian Gentner (33/374) nach einer Wadenverletzung ins Mittelfeld zurückkehren könnte.
„Nico Willig ist experimentierfreudig“, sagt der Manager Thomas Hitzlsperger, „er weiß aber, was er tut.“ Beck ist nun derjenige, der den Rhythmus in einem System vorgibt, in dem der VfB gegen die Fohlenelf vom Niederrhein hoch attackiert hat, wenn es möglich war, und tief verteidigt, wenn nötig. Ein Ziehharmonikaprinzip, das den Berlinern ebenfalls Schwierigkeiten bereiten könnte – sofern sich Willig nicht wieder etwas Überraschendes einfallen lässt. „Er war heiß zu zeigen, dass er eine eigene Idee entwickelt hat“, sagt Hitzlsperger über den Austausch mit dem Trainer vor dem Gladbach-Spiel. Auf alle Nachfragen des Sportchefs hatte er dann eine passende Antwort. Und die weiteren Argumente müssen ohnehin wieder die Spieler liefern.