Falls der VfB Stuttgart in die zweite Liga absteigt, müsste die Stadt Stuttgart vorübergehend wohl auf einen Teil der Stadionpacht verzichten. Der Finanzierungsvertrag ist auf 40 Jahre angelegt.

Stuttgart - Martin Rau ist ein eingefleischter Roter. Derzeit zittert er mit seinem Nachwuchs auch live bei den Spielen des VfB Stuttgart. Das liegt unter anderem daran, dass er als von der Stadt bestellter Geschäftsführer der Stadiongesellschaft von einem Abstieg in die zweite Liga zumindest mittelbar betroffen wäre.

 

Auch Ulrich Ruf beschäftigt sich von Berufs wegen mit diesem Horrorszenario. Der Finanzvorstand des Bundesligisten muss beispielsweise bis zum 1. April die Lizenzierungsunterlagen für die zweite Liga abgeben. Das gebiete „allein schon die Verantwortung für den Verein“. Die Planungen seien im Übrigen so ausgerichtet, „dass wir in der Lage sind, allen unseren Verpflichtungen in einem eventuellen Zweitligaszenario nachzukommen“.

Gleiche Prozedur wie 2011

Ein Vorteil für Ruf: er kennt die Thematik aus dem Jahr 2011. Weil er damals nicht ahnen konnte, dass Trainer Bruno Labbadia die Elf noch vor dem Abstieg retten würde, hatte er im Rathaus um einen Gesprächstermin gebeten. Der Stadionpachtvertrag sieht ausdrücklich eine Verhandlungsklausel für den Fall vor, dass der Verein Probleme bekommen könnte, die vereinbarten 6,3 Millionen Euro pro Jahr an die Stadion KG zu bezahlen. Dies ist wahrscheinlich, denn der VfB bräuchte bei einem Abstieg vor dem Hintergrund dramatisch sinkender Einnahmen jeden Euro, um eine Mannschaft zu bezahlen, die den sofortigen Wiederaufstieg schaffen kann.

Beispiel TV-Einnahmen: In der vergangenen Saison verteilten sich 560 Millionen Euro im Verhältnis 80:20 auf die erste und zweite Liga. Aber auch die Ticketeinnahmen würden wohl um ein Viertel sinken. Auch wenn der VfB von vielen Kunden, die wegen attraktiver Erstligaspiele teure Logen und Business-Sitze mieten, Signale erhalten hat, dass sie den Verein auch in die zweite Liga begleiten würden, rechnet Ulrich Ruf „mit einer Minderung der Einnahmen im zweistelligen Millionenbereich“.

Das Finanzierungskonzept ist auf 40 Jahre angelegt

Eine weitere, unabhängig von der Ligazugehörigkeit geltende Herausforderung stellt zudem das Thema „Compliance“ dar: Vor allem große Firmen untersagen Mitarbeitern mittlerweile, eine rund 200 Euro werthaltige Einladung auf die Haupttribüne anzunehmen. Es gibt Logenmieter, die deshalb ihr Engagement reduziert haben. Dennoch habe man bisher kaum Einbußen verzeichnet, sagt der Finanzvorstand.

Das zwischen Verein und Stadt abgestimmte Konzept „Finanzierung des Stadionumbaus und Steigerung der Erlöspotenziale für den VfB“ ist auf 40 Jahre ausgerichtet. Gute Jahre wohlgemerkt, denn die Stadion KG muss neben der Zahlung von 800 000 Euro Erbbauzinsen und 150 000 Euro Verwaltungsaufwand Kredite von 66 Millionen Euro bedienen, was allein rund 4,5 Millionen Euro pro Jahr verschlingt. Unterm Strich müssen jährlich 900 000 Euro erwirtschaftet werden, um auch alle Reparaturen bezahlen zu können. Laut Plan werden bis 2018 sieben Millionen Euro für ein neues Dach angespart.

VfB verzeichnet höhere Einnahmen als früher

Mit dem Recht, die Mercedes-Benz-Arena selbst vermarkten zu können, hat sich der VfB aber auch hervorragende Einnahmemöglichkeiten verschafft. Den Ausgaben für Betrieb und Refinanzierung von etwa zehn Millionen Euro hat er bei der Beschlussfassung 2008 Einnahmen von 14,3 Millionen Euro gegenüber gestellt, fast 50 Prozent mehr als bisher, weil nicht nur der Nettoerlös pro Zuschauer steigen sollte, sondern auch die Zuschauerzahlen.

Die häufig geäußerte Kritik enttäuschter Fans, wegen des Stadionumbaus könne sich der VfB nur Spieler von der Hannoveraner Ersatzbank kaufen, geht ins Leere. Richtig ist, dass der Verein deutlich höhere Einnahmen und Gewinne als früher aus dem Betrieb generiert. Ob diese auf dem Transfermarkt richtig eingesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Gegenüber früher, als das Stadion noch städtisch und der VfB nicht Partner und Betreiber war, sondern ein Mieter, der fast fünf Millionen jährlich bezahlte, hat sich die Risikolage für den Steuerzahler wenigstens nicht verschlechtert: Damals wie heute wäre ein Zweitligist ein schwieriger Partner. Der Vorteil der neuen Konstellation: wenigstens sinkt mit jeder bezahlten Tilgungsrate das Risiko für die Stadt.

Würde sich der Aufenthalt im Fußball-Unterhaus auf nur eine Saison beschränken, wäre das finanziell zu stemmen, kalkuliert Stadion-Chef Martin Rau. Immerhin hätte der VfB 2014 noch eine halbe Runde in der ersten Liga gespielt und würde 2015 das zweite Halbjahr ebenfalls wieder erstklassige Einnahmen generieren.

Auch unter Liquiditätsgesichtspunkten besteht kein Grund zur Panik: Die Stadion KG braucht laut Gemeinderatsvorlage lediglich 58 Prozent (3,6 Millionen Euro) der VfB-Pacht, um die laufenden Verpflichtungen zu erfüllen. Eine kurze Durststrecke könnte bewältigt werden.