Der VfB-Trainer spricht darüber, wie er sich das Innenleben seiner Mannschaft und des Vereins vorstellt – und über die Rolle, die er selbst in diesem Prozess spielt.

Stuttgart - Beim VfB Stuttgart hat wieder einmal eine neue Zeitrechnung auf dem Trainerposten begonnen. Huub Stevens (61) ersetzt Armin Veh (53), der vor zehn Tagen von seinem Amt zurückgetreten ist. Im ersten StZ-Interview nach seiner Verpflichtung beantwortet Stevens jetzt fünf zentrale Fragen rund um die Mannschaft – ganz ähnlich gelagerte fünf Fragen, wie sie die Stuttgarter Zeitung auch Veh am 13. November bei dessen letztem Interview als VfB-Trainer gestellt hat.

 

Herr Stevens, warum sind Sie zuversichtlich, dass der VfB den Klassenverbleib schafft?

„Weil das Team die Qualität besitzt, um da unten rauszukommen. Davon bin ich fest überzeugt, sonst wäre ich gar nicht hierhergekommen. Aber dass es nicht einfach wird, ist auch klar. Das sieht man ja schon daran, welche Mannschaften momentan am Tabellenende stehen, nicht nur Dortmund. Für uns geht es in den nächsten Wochen darum, dass wir als Einheit auftreten – alle im Verein und um den Verein herum. Alle müssen verinnerlichen, dass wir auf einem harten und schwierigen Weg sind. Natürlich weiß ich, dass viele Leute enttäuscht sind, weil die Situation auch in dieser Saison schon wieder so bedrohlich ist. Aber wir dürfen deshalb den Kopf nicht hängen lassen. Vielmehr müssen wir positiv denken, auch wenn das in dieser Lage nicht so ganz leicht ist. Aber es gibt dazu keine Alternative. Das ist die einzige Chance. Wer positiv eingestellt ist, kann mehr erreichen im Leben, das ist eine alte Weisheit. Negative Energien brauchen wir nicht. Wir brauchen positive Energien. Das habe ich schon bei meinem ersten Auftritt beim VfB gesagt. Jetzt haben wir sogar mehr Zeit als damals. Das kann sicher ein Vorteil sein, doch darin steckt auch eine Gefahr. Ein Selbstläufer wird der Klassenverbleib auf keinen Fall.“

Armin Veh antwortete am 13. November auf die Frage, ob er Skepsis gegenüber seiner Arbeit verspüre: „Nein. Ich habe von Anfang an gespürt, dass es dem VfB gegenüber viele Bedenken gibt. In den vergangenen Jahren ist sportlich einfach einiges schiefgelaufen. Nun müssen wir Vertrauen zurückgewinnen. Das geht nicht von heute auf morgen.“

Herr Stevens, wie wollen Sie die Probleme in der Mannschaft lösen?

„Was ich in der vergangenen Saison gleich bei der ersten Trainingseinheit gespürt habe, war die unglaubliche Unsicherheit, die alle Spieler ergriffen hatte. Jetzt ist das ein bisschen anders. Die Verunsicherung ist nicht so groß, aber ich merke auch, dass einige Spieler anders auf bestimmte Dinge reagieren als noch vor ein paar Monaten. Aber das ist normal. Schließlich entwickeln sich Menschen weiter. Vielleicht gibt es nun Spieler, die froh sind, dass ich hier bin – und die in der vergangenen Saison darüber erst mal nicht froh waren. Aber andersherum kann das natürlich auch gelten – dass es eventuell Spieler gibt, die damals froh waren, dass ich gekommen bin, und heute darüber nicht mehr froh sind. Doch glauben Sie mir – ich habe mit keinem Spieler ein Problem.“

Armin Veh antwortete am 13. November auf die Frage, wie er die Abwehrprobleme lösen will: „Da gibt es kein Patentrezept. Wir müssen das richtige Verhalten im Training immer wieder üben. Das ist die einzige Möglichkeit. Warum sich die Spieler im Ernstfall anders verhalten als im Training, ist schwer einzuschätzen. Dafür gibt es keine schlüssige Erklärung. Das Ergebnis ist dann, dass wir jetzt Tabellenletzter sind. Und wenn wir diese Fehler nicht abstellen können, dann kommen wir da unten auch nicht heraus.“

Herr Stevens, wie gehen Sie mit Ihren Spielern um?

„Durch den Sieg am Freitag in Freiburg haben wir eine Basis gelegt. Ich hoffe, dass die Spieler aus dieser Erfahrung lernen. Fußball wird im Kopf und mit dem Herzen entschieden, nicht alleine mit den Füßen. Der Kopf muss spüren, dass wir nun den nächsten Schritt machen können. Das gelingt jedoch nicht, wenn die Spieler Angst haben – und es gelingt auch nicht, wenn sie sich selbst überschätzen. Zwischen diesen beiden Extremen müssen wir uns bewegen. Da die richtige Balance zu finden gehört zu meinen Aufgaben als Trainer. Ich habe zu den Spielern gesagt: ,Glaubt mir, was wir hier machen, ist das Allerschönste, was man überhaupt machen kann. Genießt jeden Tag – es kommen auch mal andere Zeiten, an denen ihr das nicht mehr genießen und nicht mehr Fußballspielen könnt.‘ Ich verstehe zwar, dass die Jungs frustriert sind, aber deshalb müssen wir trotzdem Spaß haben. Arjen Robben ist jetzt auch enttäuscht, weil er es verdient gehabt hätte, für die Wahl zum Weltfußballer nominiert zu werden. So gibt es viele, die aus den unterschiedlichsten Gründen enttäuscht sind. Dabei muss man jeden Tag mit Freude zur Arbeit kommen.“

Armin Veh antwortete am 13. November auf die Frage, ob er seine Spieler schlecht mache: „Ich kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Das ist überhaupt nicht mein Ansatz. Ich versuche, den Spielern zu vermitteln, dass sie keine Angst vor Fehlern haben müssen. Darauf fußt doch auch unser Spiel: Wir wollen nach vorne etwas riskieren, ohne ständig daran zu denken, was hinten passiert.“

Herr Stevens, was passiert personell in der Winterpause? Und würden Sie sich bei der Besetzung des Managerpostens jetzt eine schnelle Lösung wünschen?

„Was heißt schnell? Wichtig ist, dass es eine gute Wahl wird. Ich habe gehört, dass mein Vorgänger Armin Veh einen Teil der Aufgaben im Management mitübernommen hat. Das ist bei mir nicht vorgesehen. Ich bin für die Mannschaft zuständig – und damit ausgelastet. Wenn der VfB meine Meinung über neue Spieler wissen will, werde ich meine Ideen äußern. Dann versuche ich zu helfen, doch ich bin ein Trainer, der schon immer gesagt hat, dass der Verein vorgibt, was auf dem Transfermarkt unternommen wird. Trainer kommen und gehen. Ich bin in zehn Jahren nicht mehr hier, aber den Verein wird es dann noch geben. Der Verein muss weiterkommen. Deshalb müssen die verantwortlichen Leute im Club sagen, welche Spieler sie wollen und welche nicht. Natürlich haben wir darüber gesprochen, ob und wie wir da in der Winterpause tätig werden sollen. Aber wenn man den Kader zusammenhalten kann, denke ich, dass das reicht, um in der Bundesliga zu bleiben – und nur darum geht es momentan. Der Verein ist auf jeden Fall das Allerallerwichtigste.“

Armin Veh antwortete am 13. November auf die Frage, was personell in der Winterpause passiert: „Grundsätzlich nützt es mir nichts, jetzt großartig über personelle Pläne zu sprechen. Sicher ist, dass wir uns verstärken wollen. Dazu gibt es ein klares Profil – und wir wissen, wen wir haben wollen. Alles andere wäre auch nicht professionell. Die Frage ist aber auch, ob wir uns einen Spieler, der vertraglich noch länger gebunden ist, leisten können. Wir müssen also schauen: Was ist machbar?“

Herr Stevens, ist der nächste Gegner Schalke Ihre große Liebe und eventuell sogar ein Vorbild für Sie im Fußball?

„Natürlich habe ich dort lange und erfolgreich gearbeitet, aber Gefühle muss man in diesem Geschäft ausblenden. Sehen Sie, zufällig habe ich Klaas-Jan Huntelaar (Stürmer des FC Schalke, Anm. d. Red.) vor sechs oder sieben Wochen mal bei einem Länderspiel der niederländischen Nationalmannschaft getroffen. Das war eine nette Begegnung – und solche Begegnungen wird es auch am Samstag geben. Schließlich sehe ich dann viele bekannte Gesichter. Aber das war’s dann auch schon. Jetzt bin ich nicht mehr auf Schalke, sondern in Stuttgart. Da muss man Emotionen weglassen. Ich bin Profi und muss schauen, was das Beste für meinen Verein ist. Das ist das Einzige, was zählt.“

Armin Veh antwortete am 13. November auf die Frage, was man vom FC Augsburg, bei dem er lange gespielt und den er auch schon trainiert hat, lernen kann: „Das reduziere ich auf das Wichtigste – und das ist die Personalpolitik. Sie ist das A und O. Der FC Augsburg hat seine Transfergeschäfte mit seinem nicht so großen Budget in den vergangenen Jahren sehr gut gemacht. Außerdem sind die Wege in Augsburg kurz. Es ist ein kleiner Kreis, der dort die Entscheidungen trifft. Das machen sie auch ganz unaufgeregt. Ruhe in der Form haben wir hier beim VfB nicht.“